Aktivitäten der kath. Kirche zum 25. Jahrestag des Mauerbaus
18. August 1986
Information Nr. 383/86 über Aktivitäten der katholischen Kirche der DDR im Zusammenhang mit dem 25. Jahrestag der Errichtung des antifaschistischen Schutzwalls am 13. August 1961
Hinweisen zufolge hatte Kardinal Meisner1 allen katholischen Geistlichen des Bistums Berlin im Juli 1986 ein Schreiben übergeben, in dem er die »besondere Bedeutung« des Monats August für das Bistum Berlin herausstellte und hervorhob, dass am 13. August 1961 »durch Berlin die Mauer gezogen wurde«. Dem Schreiben war der Text für Fürbitten für die am 10. August 1986 durchzuführenden katholischen Gottesdienste im Bistum Berlin (das sind alle katholischen Gemeinden in der Hauptstadt der DDR, Berlin, und im Bezirk Potsdam sowie eine Reihe Gemeinden in den Bezirken Frankfurt/Oder, Neubrandenburg und Rostock) beigefügt, der u. a. bezogen auf den 13. August die Aussage enthält, die Einheit des Bistums zu festigen und zu vertiefen und das Bistum in seiner Verbundenheit zu erhalten. (Darüber wurde in der Information des MfS Nr. 347/86 vom 30. Juli 1986 berichtet.)2
Bisherigen Feststellungen zufolge hat außer Kardinal Meisner (in diesem Falle als katholischer Bischof von Berlin) kein weiterer katholischer Bischof in der DDR Orientierungen für die Geistlichen des jeweiligen Bistums zum 13. August gegeben.3
Im Bistum Berlin (Teil DDR) wurden vorliegenden Hinweisen zufolge die Fürbitten entsprechend den durch Kardinal Meisner gegebenen Orientierungen in den Gottesdiensten am 10. August 1986 im Wesentlichen kommentarlos verlesen oder im Zusammenhang mit den Gottesdiensten vorgetragen.
Vereinzelt wurden die Fürbitten von Geistlichen kommentiert. Obwohl diese »Kommentare« keine offenen Angriffe auf die Politik von Partei und Regierung enthielten, sind sie in einigen Fällen als politisch negative Aussagen zum 13. August 1961 zu werten.
So wurden folgende Äußerungen bekannt:4
Pfarrer Peschke/Bad Freienwalde5 verwies darauf, dass die Gläubigen seit dem 13.8.1961 »in einem Käfig eingeschlossen« wären. Ein Laie trug die Fürbitte vor, die Grenzen wieder zu öffnen.6
Pfarrer Rupprecht/Brandenburg7 bezeichnete den 13.8.1961 als »Katastrophe, die zur Teilung der Gemeinden führte«.
Pfarrer Bengsch/Greifswald8 (ein Bruder des verstorbenen Kardinal Bengsch)9 hob hervor, das Vermächtnis von Kardinal Bengsch und die Einheit des Bistums müssten erhalten und bewahrt werden, denn die »Mauer« habe die Menschen getrennt und Hass gesät.10
Durch weitere dem MfS namentlich bekannte Geistliche wurde die »Notwendigkeit der Bewahrung der Einheit des Bistums« besonders hervorgehoben.
So führte Pfarrer Scholz/Berlin11 in seiner Predigt aus, der »Mauerbau« wäre ein Punkt in der Geschichte des Bistums, der für lange Zeit »Beklemmungen« gebracht habe; die Einheit des Bistums könne aber dadurch nicht zerstört werden.
Im Schaukasten der katholischen Gemeinde Berlin-Biesdorf-Nord war ein Plakat festgestellt worden mit der vom Psalm 18 der Bibel abgeleiteten Aufschrift: »Mit meinem Gott überwinde ich Mauern und Wälle«. Aufgrund eingeleiteter Maßnahmen wurde der Aushang durch kirchliche Mitarbeiter entfernt. Der für den Aushang verantwortliche Pfarrer Rothkegel12 betonte im Gottesdienst, er habe wegen einiger Proteste von Bürgern das Plakat aus dem Schaukasten entfernen müssen, »aber auch ein leerer Kasten kann Zeichen setzen«.13
Während der Gottesdienste wurden keine besonderen Reaktionen der Gottesdienstbesucher im Zusammenhang mit dem 13.8.1961 festgestellt.
Es wird vorgeschlagen, dass der Staatssekretär für Kirchenfragen, Genosse Gysi,14 in dem am 19. bzw. 20. August 1986 stattfindenden Gespräch mit Kardinal Meisner dessen Aktivitäten im Zusammenhang mit dem 13. August als Einmischung in staatliche Angelegenheiten der DDR bewertet und als unfreundlichen Akt zurückweist.15
Die Information ist nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.