DDR-Bürger unbefugt auf dem Gelände der französischen MVM
13. November 1986
Information Nr. 504/86 über den unbefugten Aufenthalt eines Bürgers der DDR auf dem Gelände des MVM-Stützpunktes der Französischen Republik am 11./12. November 1986
Am 11. November 1986, 23.32 Uhr, drang ein Bürger der DDR (24, ohne Arbeitsrechtsverhältnis) durch Überwinden der 1,50 Meter hohen Objektumgrenzung (Drahtzaun) in das Gelände des Stützpunktes der französischen Militärverbindungsmission (MVM)1 in Potsdam, Seestraße 43, ein.
Durch die zuständigen Organe der DDR wurde unverzüglich die Außenpolitische Abteilung der GSSD Potsdam informiert sowie das Gelände um den MVM-Stützpunkt abgeriegelt.
Nach Betreten des Geländes des MVM-Stützpunktes begab sich der Täter zum Hauptgebäude, er suchte den Diensthabenden der französischen MVM um »politisches Asyl« und forderte freies Geleit zu seiner Ausreise in die BRD innerhalb einer Woche.
Weiterhin gab er gegenüber dem Diensthabenden an, bewaffnet zu sein und sich bei Nichterfüllung seiner Forderungen umbringen zu wollen.
Durch den Diensthabenden der französischen MVM wurde der Einlass in das Gebäude verwehrt und er in deutscher Sprache aufgefordert, das Gelände unverzüglich zu verlassen.
Dieser Forderung leistete er nicht Folge und verblieb demonstrativ auf dem Gelände.
Da der Täter auch den wiederholten Aufforderungen zum Verlassen des Geländes durch den Diensthabenden der französischen MVM, durch die außerhalb des Objektes befindlichen Angehörigen der Schutz- und Sicherheitsorgane der DDR sowie durch die inzwischen am Ereignisort anwesende Mutter nicht nachkam, betraten nach Abstimmung und im Einvernehmen mit dem Angehörigen der französischen MVM drei uniformierte Angehörige der GSSD (ein Offizier und zwei Soldaten) das Gelände, um ihn zu entfernen. Da er sich weigerte, das Gelände der MVM zu verlassen, musste einfache körperliche Gewalt angewandt werden. An diesen Maßnahmen beteiligte sich auch der französische MVM-Angehörige.
Am 12. November 1986, 6.50 Uhr, wurde der Täter von den Angehörigen der GSSD den zuständigen Organen der DDR übergeben.
Zur Person des Täters ist bekannt, dass er – u. a. bedingt durch die frühzeitige Scheidung seiner Eltern – in nicht geordneten Verhältnissen aufwuchs und stets versuchte, sich dem progressiven Einfluss seiner Mutter (Mitglied der SED) zu entziehen. Er verkehrte ständig in Kreisen negativ dekadenter Jugendlicher, befand sich im Jugendwerkhof2 und ist wegen Diebstahls und Rowdytums3 mehrfach vorbestraft. Gegenwärtig befindet er sich noch im Zusammenhang mit der zuletzt erfolgten gerichtlichen Verurteilung unter Bewährung und steht unter staatlicher Kontrolle.
Aufgrund seiner ablehnenden Haltung zu Teilbereichen der sozialistischen Gesellschaft (insbesondere hinsichtlich der Freizügigkeit im Reiseverkehr) hat er im Oktober 1986 bei den zuständigen staatlichen Organen versucht, ein Ersuchen um Übersiedlung4 zu stellen, das aufgrund der noch nicht abgelaufenen Bewährungszeit nicht entgegengenommen wurde.
Da er sich mit dieser Entscheidung nicht abfinden konnte, entschloss er sich am 12. November 19865 unmittelbar nach einem vorausgegangenem Gaststättenaufenthalt spontan, sein Vorhaben durch das rechtswidrige Eindringen in das Gelände der französischen MVM durchzusetzen.
Es wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und Haftbefehl erlassen. Die Untersuchungen werden fortgesetzt.