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Erkrankungen infolge der Schulspeisung 1985

14. Januar 1986
Information Nr. 16/86 über in der DDR 1985 aufgetretene Gruppenerkrankungen von Schülern und Pädagogen infolge der Einnahme von Gemeinschaftsverpflegungen (Schulspeisung)

Wie dem MfS bekannt wurde, traten im Jahre 1985 in der DDR eine Reihe von Gruppenerkrankungen von Schülern und Pädagogen nach der Einnahme von Gemeinschaftsverpflegungen (Schulspeisung) auf. Betroffen waren davon 4 393 Schüler und 199 Pädagogen in insgesamt 77 Schulen, darunter in der Hauptstadt Berlin (zwölf) sowie in den Bezirken Erfurt (zwölf), Rostock (acht), Frankfurt/Oder (sieben), Dresden (sechs), Cottbus (fünf), Gera (fünf), Schwerin (fünf), Magdeburg (drei), Neubrandenburg (drei), Potsdam (drei), Suhl (drei), Halle (zwei), Karl-Marx-Stadt1 (zwei) und Leipzig (eine).

Durch den operativen Einsatz von Ärzten konnte in allen Fällen kurzfristig die Erfassung aller Erkrankten und ihre medizinische Betreuung umfassend gesichert werden.

In der Regel waren keine schwerwiegenden Krankheitssymptome und Nachfolgeerscheinungen zu verzeichnen. Die Gruppenerkrankungen äußerten sich in Durchfällen, Erbrechen und krampfartigen Bauchschmerzen, zum geringen Teil mit Fieber verbunden. Bei 116 Schülern und 14 Erwachsenen machte sich eine kurzzeitige stationäre Behandlung notwendig. Die Erkrankungen klangen meistens in wenigen Tagen ab, sodass sich der Ausfall von Unterricht für Schüler und Pädagogen in Grenzen hielt (maximal bis sieben Tage – meistens ein bis zwei Tage). Schulen mussten nicht geschlossen werden.

Die genannten Krankheitssymptome traten bei den Vorkommnissen nach der Einnahme von Speisen als Mittagessen im Rahmen der Schulspeisung auf. Wie Untersuchungen der zuständigen Hygieneinspektionen und -institute ergaben, enthielten die ausgegebenen und verzehrten Speisen verschiedene Krankheitserreger (z. B. Salmonellen, Kolibakterien), die sich an Lebensmitteln gebildet hatten bzw. anderweitig in die Speisen gelangten. Die Speisen wurden überwiegend in zentralen Schulküchen, Betriebsküchen, Stadtküchen und Gaststätten hergestellt, die für die Belieferung der Schulen verantwortlich sind.

Unmittelbar nach Bekanntwerden der Vorkommnisse wurden von den zuständigen Hygieneinspektionen unverzüglich Maßnahmen zur Verhinderung des Ausweitens der Erkrankungen (z. B. durch zeitweilige Sperrung von Küchen und Durchführung von Desinfektionen) bzw. zur Ermittlung und Beseitigung der sie hervorgerufenen Ursachen eingeleitet und strikt durchgesetzt. Sie wurden zum Teil verbunden mit terminlichen Auflagen zur Beseitigung der festgestellten Mängel und Wiederherstellung des gesetzlich geforderten Zustandes auf dem Gebiet der Hygiene. Entsprechende Nachkontrollen haben zwischenzeitlich stattgefunden.

Die Ursachen für den Befall von Lebensmitteln, Küchen und Kücheneinrichtungen mit Krankheitserregern waren verschieden. Sie wurden aufgrund der getroffenen Feststellungen im Wesentlichen zurückgeführt auf

  • die ungenügende Reinigung bzw. den mangelhaften technischen Zustand von Transportthermophoren;

  • die Nichteinhaltung des Vorkochverbots oder eine Überschreitung der Ausgabezeiten für die Speisen (auch die zu lange Verweilzeit der Speisen in Thermophoren);

  • eine unsachgemäße Verarbeitung, Lagerung und Einfrostung von Lebensmitteln (z. B. Einfrostung unverpackter, zum Teil auch nicht mit dem Datum der Einfrostung gekennzeichneter Lebensmittel, Überlagerung von Lebensmitteln);

  • defekte und technisch mangelhafte Küchengeräte oder -einrichtungen;

  • Nichteinhaltung der Desinfektionsanforderungen und ungenügende Einstellung zur persönlichen Hygiene des Küchenpersonals (Nutzung von ungenügend gereinigten bzw. desinfizierten Arbeitsgeräten, Verwendung von verschmutztem Geschirr, Nichttragen der vorgeschriebenen Arbeitskleidung und Ähnliches);

  • die teilweise erhebliche Überschreitung der Kapazität von Gemeinschaftsküchen.

Diese Erscheinungen waren in der Regel subjektiv bedingt und insbesondere die Folge der mangelhaften Wahrnehmung der Verantwortung von Küchenleitern zur Durchsetzung der gesetzlichen Bestimmungen. So wurden den Hygienebestimmungen zuwiderlaufende Unterlassungen, Versäumnisse und Nachlässigkeiten bei der Zubereitung, Aufbewahrung und dem Transport von Speisen zugelassen. Begünstigend wirkten zum Teil fehlende periodische hygienische Eigenkontrollen der Objekte durch die zuständigen Leiter sowie der Fakt, dass es sich bei den Küchenkräften zum überwiegenden Teil um nicht ausgebildetes Personal handelt. In einigen Fällen waren die notwendigen materiellen Voraussetzungen für einen hygienischen Küchenbetrieb nicht gegeben (Fehlen entsprechender Arbeitskleidung oder Arbeitsmaterialien oder auch bauliche Unzulänglichkeiten). Vorsätzliche Verstöße gegen die bestehenden Hygienebestimmungen wurden jedoch nicht bekannt.

In Auswertung der Untersuchungsergebnisse wurden die Objektleiter und das Küchenpersonal durch die Hygieneinspektionen und durch gesellschaftliche Kräfte über die entsprechenden Hygienevorschriften belehrt und exakte Maßnahmen zur Ausräumung der Ursachen festgelegt.

Wie im Ergebnis der Überprüfungen, Untersuchungen und Kontrollen von Experten allgemein eingeschätzt wurde, hätten bei strikter Einhaltung der hygienerechtlichen Bestimmungen die Gruppenerkrankungen vermieden werden können.

Es wird empfohlen, die Kontroll- und Anleitungstätigkeit der Hygieneinspektionen weiter zu qualifizieren und verstärkt gesellschaftliche Kräfte (Hygienekollektive) in die Aufgabenstellungen einzubeziehen.

Die Verantwortung der staatlichen Leiter von Betrieben und Einrichtungen sowie der Direktoren von Schulen, denen Gemeinschaftsküchen unterstellt sind, zur Gewährleistung von Ordnung, Sauberkeit und zur Einhaltung der Hygienebestimmungen, sollte erhöht werden.

Weiterhin wird es als zweckmäßig angesehen, mit den in Gemeinschaftsküchen beschäftigten Werktätigen verstärkt Weiterbildungsmaßnahmen durchzuführen, um ihr Qualifikationsniveau zu erhöhen, einschließlich ihrer Befähigung zur Einhaltung der Hygienenormative.

In der Berufsausbildungsrichtung »Koch« könnten im Ausbildungsprogramm ebenfalls verstärkt Aufgaben und Erfordernisse zur Durchsetzung der Lebensmittelhygiene Berücksichtigung finden.

Auch die materiellen Voraussetzungen für eine erhöhte operative Einsatzfähigkeit der Hygieneorgane sollten verbessert werden.

  1. Zum nächsten Dokument Interne Meinungsäußerungen zur Berliner Bischofskonferenz (1)

    14. Januar 1986
    Information Nr. 18/86 über interne Meinungsäußerungen zum Verlauf der katholischen »Berliner Bischofskonferenz« am 16./17. Dezember 1985

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    13. Januar 1986
    Hinweise über beachtenswerte Reaktionen zur Medienpolitik der DDR [O/154]