Flucht mit einem Agrarflugzeug
20. August 1986
Information Nr. 387/86 über das ungesetzliche Verlassen der DDR durch einen Angehörigen der Interflug mit einem Agrarflugzeug am 19. August 1986
Am 19. August [1986], 14.23 Uhr, erfolgte durch den Flugzeugführer des Betriebes Agrarflug der Interflug, Jacob, Attila (33),1 geboren am [Tag, Monat] 1953, wohnhaft [Straße, Nr.], 7022 Leipzig, Mitglied der SED, von 1972 bis 1975 Pilot bei den Luftstreitkräften/Luftverteidigung der NVA, Leutnant der Reserve seit 1976 im Betrieb Agrarflug tätig, durch Überfliegen der Staatsgrenze in Nähe der Grenzübergangsstelle Hirschberg mit einem Agrarflugzeug vom Typ »Z 37«, Kennzeichen DDR-SLI, das ungesetzliche Verlassen der DDR nach der BRD.
Der Überflug der Staatsgrenze der DDR wurde durch Angehörige der Grenztruppen der DDR und durch Passkontrollkräfte an der Grenzübergangsstelle Hirschberg visuell festgestellt. Die Flughöhe betrug ca. 70 Meter.
Jacob hatte nach seinem Jahresurlaub am 19. August 1986 seinen ersten Flugeinsatz im Bezirk Gera. Er übernahm auf dem GST-Flugplatz Gera-Leumnitz gemeinsam mit seinem Mechaniker das Agrarflugzeug und startete zum Grundflugplatz Greiz-Obergrochlitz.
Von dort aus war die Realisierung der bestätigten Arbeitsflüge geplant.
Entsprechend der vorgeschriebenen Technologie führte Jacob um 14.05 Uhr einen Orientierungsflug durch.
Diesen Flug nutzte er zum ungesetzlichen Verlassen der DDR. Er flog auf direktem Kurs in Richtung Staatsgrenze (Entfernung vom Grundflugplatz bis zur Staatsgrenze ca. 35 km) und landete gegen 14.30 Uhr auf dem Sportplatz der Ortschaft Berg bei Hof/Bayern.
Bisherigen Erkenntnissen zufolge hatte er keine weiteren Personen an Bord des Flugzeuges. Die westlichen Medien berichteten über das Vorkommnis.2
(Der vor dieser Straftat des Jacob letzte vollendete ungesetzliche Grenzübertritt mittels Agrarflugzeug erfolgte am 31. Juli 1979 durch einen Flugzeugführer des Betriebes Agrarflug der Interflug.)
Zu den Motiven des Jacob für das ungesetzliche Verlassen der DDR liegen bisher noch keine gesicherten Erkenntnisse vor. Vorliegenden Hinweisen zufolge bestanden Ende 1984 persönliche Konflikte [Passage mit schutzwürdigen Informationen nicht wiedergegeben]. In diesem Zusammenhang wurde Jacob für das Jahr 1985 nicht zum Flugeinsatz als Flugzeugführer zugelassen und war in dieser Zeit als Dispatcher in der Bezirksstaffel Leipzig tätig.
Nachdem Jacob im Jahr 1985 [Passage mit schutzwürdigen Informationen nicht wiedergegeben] darüber hatte er das MfS ebenso informiert wie er auch zu anderen vorhandenen betrieblichen Problemen offen Mitteilung machte – wurde er wieder für den Einsatz als Flugzeugführer zugelassen.
Sein erster Flugeinsatz erfolgte am 25. Juni 1986.
In Abstimmung mit dem Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten wurde veranlasst:
- –
die Ständige Vertretung der DDR in der BRD wurde beauftragt, beim Bundeskanzleramt ein sofortiges Gespräch mit Jacob zu fordern (der Vertreter der STÄV ist heute 13.00 Uhr beim Bundeskanzleramt, um diese Forderung vorzubringen),
- –
den Jacob in diesem Gespräch – ausgehend von der Möglichkeit, seine persönlichen Konflikte in der DDR zu klären – zur Rückkehr in die DDR aufzufordern,
- –
gegenüber den zuständigen Organen der BRD die Rückführung des Agrarflugzeuges zu fordern.
Die weiteren Untersuchungen zur umfassenden Aufklärung der Ursachen, Motive und begünstigenden Bedingungen führt das MfS im Zusammenwirken mit einer Untersuchungsgruppe der Staatlichen Luftfahrtinspektion des Ministeriums für Verkehrswesen.
Es wird nachberichtet.3