Direkt zum Seiteninhalt springen

Fortgesetzte Proteste Jutta Gallus

14. August 1986
Information Nr. 384/86 über die fortgesetzten Provokationen der ehemaligen Bürgerin der DDR Jutta Gallus

Am 13. August 19861 trat die ehemalige DDR-Bürgerin Gallus, Jutta (39),2 geboren [Tag, Monat] 1946, wohnhaft gewesen 8049 Dresden, [Straße, Nr.], wohnhaft 6921 Lobbach/Baden, BRD, [Straße, Nr.], während einer Veranstaltung der Bundesregierung und des Senats von Berlin (West) gegen 11.00 Uhr im ehemaligen Reichstagsgebäude in Westberlin mit einer Demonstrativhandlung in Erscheinung, indem sie ein nicht aufgerolltes Plakat in der Hand hielt und forderte:

»Herr Brandt,3 ich bin ein Leidbeispiel. Ich bin vier Jahre von meinen Kindern getrennt. Ich appelliere heute an Sie und an die Bundesregierung, alles zu tun, dass meine Kinder endlich bei mir sind. Beweisbeispiele dafür liegen vor in Briefen und Kassettenform, dass meine Kinder wollen. Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll. Die Hinhaltung von der Ostzone – es geht nicht mehr, Herr Brandt.«

(Da die Teilnahme an dieser Veranstaltung nur mit persönlichen Einladungen möglich war, ist davon auszugehen, dass es sich dabei um eine gezielt organisierte Provokation handelte.)

Bereits am 12. August 1986 war die Gallus in der Sendung des BRD-Fernsehens »Ein Abend an der Berliner Mauer«, gegen 22.00 Uhr, mit einem Plakat mit dem Text aufgetreten: »Kinder in Not, seit vier Jahren zurückgehalten«.

Darunter waren hinter Stacheldraht die Fotos von drei Kindern angebracht.

Gegenüber einem Journalisten der Sendung äußerte sie:

»Ich bin heute hier, damit es meinen Kindern nicht ebenso geht, wie denen an der Mauer. Ich kämpfe seit vier Jahren um meine Kinder. Ich fordere hiermit die Bundesregierung auf, nicht nur große Sprüche zu machen, sondern endlich einmal alles in die Tat umzusetzen. Ich will meine Kinder.«

Die Gallus hat gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten, dem ehemaligen DDR-Bürger Schmidt, Günter (40), bereits in der Vergangenheit vielfältige Aktivitäten entwickelt, um die zuständigen Organe der DDR zur Genehmigung der Ausreise ihrer Kinder aus den geschiedenen Ehen zu veranlassen.

Seit Oktober 1984 führten die genannten Personen öffentlichkeitswirksame Provokationen vor diplomatischen Einrichtungen der DDR in der BRD, der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft, anlässlich des KSZE-Expertentreffens in Ottawa4 und des KSZE-Jubiläumstreffens 1985 in Helsinki5 sowie mehrfach provokativ-demonstrative Plakataktionen in Westberlin, im Vorfeld der Grenzübergangsstelle Friedrich-/Zimmerstraße, durch, verbunden mit der Forderung der Genehmigung der Ausreise ihrer Kinder aus den geschiedenen Ehen Gallus, Claudia (15), Gallus, Beate (13), Schmidt, Silvio6 (17).

Gallus, Jutta und Schmidt, Günter wurden am 2. Dezember bzw. 6. Oktober 1981 rechtskräftig geschieden. Im August 1982 unternahmen die Gallus und der Schmidt unter Mitnahme der angeführten Kinder den Versuch, die DDR unter Ausnutzung einer genehmigten Reise nach der SR Rumänien ungesetzlich nach der BRD zu verlassen. (Beide waren wegen Landesverräterischer Agententätigkeit sowie ungesetzlichen Grenzübertritts zu drei Jahren Freiheitsentzug rechtskräftig verurteilt worden. Am 18. April 1984 wurden die Gallus und am 30.5.1984 der Schmidt aus dem Strafvollzug entlassen und nach der BRD übersiedelt.)

Der Vater der Kinder Claudia und Beate Gallus, bei dem es sich um einen im Sinne der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung der DDR aktiven Bürger handelt (engagierte Mitarbeit im Elternaktiv sowie Elternbeirat), nahm nach dem Haftantritt der Gallus in Übereinstimmung mit dem Referat Jugendhilfe beide Kinder zu sich und beantragte im Interesse einer positiven und gesicherten Erziehung und Entwicklung das Erziehungsrecht, welches ihm durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidung am 29. Februar 1984 übertragen wurde.

Nach gründlicher Überprüfung der zuständigen staatlichen Organe der DDR fühlen sich die beiden Mädchen Claudia und Beate Gallus bei ihrem Vater wohl und stehen zu diesem.

Das Erziehungsrecht für das Kind Schmidt, Silvio wurde bereits mit der Ehescheidung der in der DDR weiter wohnhaften Kindesmutter übertragen. (Die Mutter steht gesellschaftlichen Problemen positiv gegenüber und arbeitet rege im Elternaktiv der Schule mit.)

Die zu den Erziehungsrechten getroffenen gerichtlichen Entscheidungen wurden auch unmittelbar nach Bekanntwerden der ersten provokatorischen Auftritte der Gallus und des Schmidt durch das Oberste Gericht der DDR geprüft und bestätigt. Es gibt keinerlei Veranlassung, diese Entscheidung zu revidieren.

Die für die Erziehung der Kinder verantwortlichen Elternteile, die DDR-Bürger Schmidt, Monika (38) und Gallus, Christian (44) wollen auf das Recht und die Pflicht der Sorge für ihre Kinder nicht verzichten. Sie wandten sich mehrfach schriftlich an die zuständigen staatlichen Organe der DDR und an Rechtsanwalt Prof. Dr. Vogel7 mit der Bitte der Einflussnahme auf eine Unterbindung der Provokationen ihrer geschiedenen Ehepartner sowie deren ständige Versuche der negativen Beeinflussung ihrer Kinder.

Ich schlage vor, über den Rechtsanwalt Genossen Prof. Dr. Vogel den Vorsitzenden der SPD, Willy Brandt, über die Rechtslage in geeigneter Form informieren zu lassen.

  1. Zum nächsten Dokument Reaktion auf Gorbatschows Reden in Wladiwostok und Chabarowsk

    14. August 1986
    Hinweise über die Reaktion der Bevölkerung der DDR auf die Reden des Genossen Gorbatschow in Wladiwostok und Chabarowsk [O/165]

  2. Zum vorherigen Dokument Mindestumtausch 4.8.–10.8.1986

    14. August 1986
    Information Nr. 382/86 über die Entwicklung der Einnahmen aus der Durchführung des verbindlichen Mindestumtausches für die Zeit vom 4. August 1986 bis 10. August 1986