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Friedensseminar »Frieden konkret IV« in Stendal (2)

12. März 1986
Information Nr. 115/86 über die Durchführung des sogenannten Friedensseminars von »Friedenskreisen« der evangelischen Kirchen in der DDR vom 28. Februar bis 2. März 1986 in Stendal, [Bezirk] Magdeburg

In der Zeit vom 28. Februar bis 2. März 1986 wurde im Dom bzw. in Räumen anderer kirchlicher Einrichtungen in Stendal, Bezirk Magdeburg, in Fortführung gleichartiger Veranstaltungen (1983 – Berlin, 1984 – Eisenach, 1985 – Schwerin) das 4. zentrale »Friedensseminar« von »Friedenskreisen« der evangelischen Kirchen in der DDR durchgeführt. Es stand unter dem Motto: »Konkret für den Frieden IV« – »Frieden leben – Der Friede Gottes, der höher ist als menschliche Vernunft – der leite uns zu leben.«1

(Über die Vorbereitung des Friedensseminars, notwendige differenzierte Maßnahmen zur Unterbindung des politischen Missbrauchs dieser Veranstaltung und erste Reaktionen kirchenleitender Kräfte dazu wurde in der Information des MfS Nr. 93/86 vom 21. Februar 1986 berichtet.)

Als Veranstalter des 4. zentralen »Friedensseminars« fungierte auf Ersuchen des auf dem »Friedensseminar« im Jahre 1985 berufenen »Fortsetzungsausschusses« und mit Zustimmung der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen die evangelische Kirchengemeinde St. Nikolaus in Stendal, [Bezirk] Magdeburg.

Vorliegenden internen Hinweisen zufolge nahmen am »Friedensseminar« in Stendal ca. 170 geladene Personen aus fast allen Bezirken und der Hauptstadt der DDR, Berlin, teil, die insgesamt 58 kirchliche »Friedenskreise« vertraten. Bei fast gleichbleibender Personenzahl seit 1984 ist ein deutlicher Anstieg hinsichtlich der Anzahl der vertretenen »Friedenskreise« erkennbar (1985 = 32 »Friedenskreise«).

Damit wurde die von den Organisatoren beabsichtigte und durch den Einladungsmodus gezielt beeinflusste Erhöhung der Breitenwirkung auf die »Basisgruppen« erreicht. Den zahlenmäßig erheblichsten Anteil an der Gesamtbeteiligung erbrachten Teilnehmer aus der Hauptstadt der DDR, Berlin, (38) und den Bezirken Magdeburg (36) sowie Dresden (19). Nach vorliegenden internen Hinweisen sollen nicht im Besitz einer schriftlichen Einladung gewesene Personen an der Teilnahme gehindert und abgewiesen worden sein.

Unter den Anwesenden befanden sich solche wegen feindlich-negativer Aktivitäten hinlänglich bekannte Personen wie die Pfarrer Eppelmann2 (Berlin), Tschiche3 (Magdeburg) und Meckel4 (Vipperow), Bärbel Bohley,5 Vera Wollenberger,6 Wolfgang Templin,7 Werner Fischer8 und Ulrike Poppe9 (alle Berlin), Katrin Eigenfeld10 (Halle), Ute Kämpf11 (Leipzig), Heiko Lietz12 (Güstrow) und Dr. Knapp13 (Neubrandenburg).

Die Mehrheit der »Friedenskreise« vertretenden Teilnehmer ist in der Vergangenheit mit Handlungen im Sinne politischer Untergrundtätigkeit angefallen; eine nicht unerhebliche Anzahl sind Exponenten und Führungskräfte politischer Untergrundtätigkeit.

Als Vertreter der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen und anderer Evangelischer Landeskirchen in der DDR waren zeitweise anwesend: Bischof Dr. Demke,14 Konsistorialpräsident Kramer,15 Oberkonsistorialrat Schultze,16 Präses Höppner17 und Propst Schmidt18 (alle Bezirk Magdeburg), Präses Becker19 (Berlin), Propst Falcke20 (Erfurt) und Joachim Garstecki21 (Berlin), Referent für Friedensfragen – Theologische Studienabteilung beim Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR (BEK).

Vertretern von Presseabteilungen der Evangelischen Landeskirchen sowie Mitarbeitern der Evangelischen Nachrichtenagentur in der DDR (ENA) und von DDR-Kirchenzeitungen wurde die Teilnahme als mitarbeitende Gäste gestattet.

Dem in der DDR akkreditierten Journalisten Röder22 (epd – Westberlin) wurde vom Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR für die genannte Veranstaltung keine Arbeitserlaubnis erteilt – durch die Teilnahme seiner als freier Mitarbeiter der »Mecklenburger Kirchenzeitung« tätigen Ehefrau Bettina Röder23 (DDR-Bürgerin) wurde diese Entscheidung unterlaufen.

Alle zur vorbeugenden Verhinderung eines politischen Missbrauchs des 4. zentralen »Friedensseminars« festgelegten Maßnahmen wurden im engen Zusammenwirken der zuständigen staatlichen Organe und gesellschaftlichen Organisationen, Einrichtungen und Kräfte durchgeführt. Bewährt haben sich insbesondere die langfristige gesellschaftliche Einflussnahme gegenüber bekannten Teilnehmern sowie die gezielte Einwirkung auf die innerkirchliche Auseinandersetzung zur Wahrung des religiösen Anliegens dieser Veranstaltung und des kirchlich motivierten Friedensengagements, aber auch zur vorbeugenden Unterbindung möglicher, insbesondere von reaktionären kirchlichen und anderen feindlich-negativen Kräften ausgehender Provokationen.

Bisherigen Einschätzungen zufolge haben die Organisatoren des »Friedensseminars«, in einer Reihe von Fällen identisch mit Inspiratoren/Organisatoren politischer Untergrundtätigkeit, ihre angestrebte Zielstellung nicht erreicht, auf dem »Friedensseminar« eine qualitative Weiterentwicklung der Basisarbeit zu erreichen bzw. wie beabsichtigt zu beschleunigen.

Es wurden keine wesentlichen Ergebnisse erzielt hinsichtlich der »Vernetzung« bestehender Basisgruppen sowie der angestrebten Zentralisierung, d. h. der Schaffung neuer bzw. fester Organisationsstrukturen und des Ausbaus des Kommunikationssystems. Es wurden keine für alle Basisgruppen verbindlichen konzeptionellen Festlegungen erarbeitet bzw. verabschiedet. Während des »Friedensseminars« kam es zu keinen gegen den sozialistischen Staat gerichteten Provokationen – mit Ausnahme des Auftretens einzelner feindlich-negativer Kräfte.

Ungeachtet dessen ist im Ergebnis des »Friedensseminars« festzustellen, dass

  • die hinlänglich bekannten reaktionären kirchlichen und anderen feindlich-negativen Elemente diese Veranstaltung als Podium für die Propagierung ihrer feindlichen Auffassungen und Konzeptionen umfassend nutzten, diese Auffassungen nunmehr Vertretern von fast 60 Basisgruppen bekannt gemacht und erläutert wurden, ihnen als einheitliche politische Orientierungen dienen,

  • mit der Neuwahl des 1985 erstmals berufenen »Fortsetzungsausschusses« für die inhaltliche und organisatorische Vorbereitung des Folgeseminars sowie die Auswertung der diesjährigen Veranstaltung der Prozess der Institutionalisierung weitergeführt wurde und vor allem durch dessen Zusammensetzung (u. a. die Pfarrer Eppelmann/Berlin und Tschiche/Magdeburg, Propst Falcke/Erfurt, der Biologe Dr. Knapp/Waren) eine stärkere Politisierung der kirchlichen Basisarbeit, eine diesbezüglich intensivere Einflussnahme auf die Basisgruppen zu erwarten ist,

  • die Initiatoren/Organisatoren durch den Einladungsmodus – nur ein Drittel der Teilnehmer war identisch mit Teilnehmern des vorjährigen »Friedensseminars« – gezielt darauf Einfluss nahmen, »Resignationen« in den Basisgruppen Einhalt zu gebieten, immer neue Kräfte in die »zentrale Arbeit« einzubeziehen, neue Personen mit den angestrebten Zielen vertraut zu machen und sie für neue Initiativen zu gewinnen. Zu diesem Zweck wurde auf eine Reihe Veranstaltungen zentral bzw. überterritorialen Charakters im Verlaufe des Jahres 1986 verwiesen wie »Sommerwanderungen 1986«, »Umweltwoche«, »Treffen von Bausoldaten und Wehrdienstverweigerern«,24 »Friedensdekade 1986«.25

Diese Einschätzung widerspiegelt sich auch in ersten streng internen Äußerungen von Eppelmann, der u. a. erklärte: Ziel des »Friedensseminars« wäre u. a. gewesen, den bisherigen »Fortsetzungsausschuss« personell so zu verändern, dass dort Kräfte platziert sind, die gewillt seien, einen »schärferen Kurs gegenüber dem Staat« zu fahren. Deshalb sei im Vorfeld des »Friedensseminars« intensiv gearbeitet, sei während der Veranstaltung »geworben« worden. Durch eine geschickte personelle Besetzung der einzelnen »Arbeitskreise« des »Friedensseminars« habe man den »besänftigenden Ton der Kirchenleute« zurückdrängen können, und die »Rechnung mit dem Fortsetzungsausschuss« sei aufgegangen.

Inhalt und Verlauf des »Friedensseminars« machten deutlich, dass die offensive Politik von Partei und Regierung der DDR insbesondere zur Sicherung des Friedens und auf dem Gebiet des Umweltschutzes die Tätigkeit kirchlicher »Friedens- und Ökologiekreise« erheblich verunsichert hat; diese Gruppen wurden dadurch mit ihren Vorstellungen, Konzeptionen, Plänen und Vorhaben zum Teil in die Defensive gedrängt. Reaktionäre kirchliche und andere feindlich-negative Kräfte waren in Erkenntnis dessen bemüht, während des »Friedensseminars« eine stärkere Orientierung auf sogenannte Menschenrechtsprobleme und deren Kopplung mit der Friedensproblematik sowie auf sogenannte Dritte-Welt-Probleme vorzunehmen.

Dazu äußerte Eppelmann weiter streng intern: Das Problem der »Menschenrechtsarbeit« sei auf die Tagesordnung gesetzt worden und es sei gelungen, dieses Thema weiter in den Mittelpunkt zu rücken. Mit der Menschenrechtsproblematik sei jeder Staat, insbesondere die DDR, zu packen. Hier gelte es, die erreichten Positionen nach dem Motto »Alles oder nichts« auszubauen.

lm Sinne dieser von Eppelmann und weiteren feindlich-negativen Kräften vertretenen Linie sind die öffentliche Anbringung bzw. die Verteilung von Exemplaren des von Eppelmann und weiteren Exponenten politischer Untergrundtätigkeit verfassten sogenannten Appells zum UNO-Jahr des Friedens26 am Veranstaltungsort und der während des »Friedensseminars« verfasste Brief an den Präsidenten der Volkskammer der DDR zu werten.27 (Letzterer richtet sich inhaltlich gegen Reisebeschränkungen gegenüber kirchlichen Mitarbeitern; Bischof Dr. Demke sei beauftragt worden, diesen Brief über die Konferenz Evangelischer Kirchenleitungen in der DDR (KKL)28 an den vorgesehenen Empfänger weiterzuleiten.)

In größerem Umfang als im Jahre 1985 wurden darüber hinaus unterschiedlichste Materialien und Dokumente zum Zwecke der Einsichtnahme und des Kopierens in den Veranstaltungsräumen ausgelegt, darunter Pamphlete wie

  • »Zur Politikfähigkeit der eigenständigen DDR-Friedensbewegung«;29 Verfasser sind die Exponenten politischer Untergrundtätigkeit im »Friedenskreis« Berlin-Friedrichsfelde,30 Schult31 und Klein,32

  • »Aufruf – Wählt das Leben« von Heiko Lietz mit der Forderung, den 6. August international als Weltgedenktag zur Bewahrung des Lebens zu begehen,33

  • »Briefe« des Hirsch34 und weiterer feindlich-negativer Kräfte zum UNO-Jahr der Jugend 198535 und im Zusammenhang mit den XII. Weltfestspielen der Jugend und Studenten in Moskau36 sowie

  • Muster »persönlicher Friedensverträge« und »zeichenhafter Friedensverträge« (zwischen »Warschauer Pakt und NATO«).37

Seitens reaktionärer kirchlicher und anderer feindlich-negativer Kräfte wurden wie bei zurückliegenden gleichartigen zentralen »Friedensseminaren« erneut Angriffe gegen Kirchenleitungen wegen deren realistischen Positionen geführt. Es wurde ihnen »Paktieren mit dem Staat« und ungenügende Unterstützung der Basisgruppen unterstellt. Auch in diesem Zusammenhang wird das Bestreben von Exponenten politischer Untergrundtätigkeit deutlich, weiter Druck auf Kirchenleitungen und realistische kirchliche Amtsträger auszuüben.

Auf dem »Friedensseminar« wurden folgende, im Wortlaut vorliegende Materialien verabschiedet:

  • »Eingabe an die Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR und an die Synoden der Gliedkirchen des Bundes«

    (Vorbereitung eines »Konzils des Friedens«)38

  • »Was bedeutet der konziliare Prozess für uns selbst?«

    (Selbstdarstellung und Aufgaben)39

  • »Brief an den Präsidenten der Volkskammer der DDR«.

Die Teilnehmer richteten auf Initiative von Propst Falcke als »Vertreter kirchlicher Basisgruppen der DDR« ein Beileidstelegramm an die Witwe des ermordeten schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme.40

Der neue gewählte »Fortsetzungsausschuss« wurde beauflagt, im Zusammenwirken mit der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens das für den 27. Februar bis 1. März 1987 geplante 5. zentrale »Friedensseminar« vorzubereiten. Zum Veranstaltungsort wurden bisher keine Festlegungen getroffen.

Im weiteren ausgewählte Schwerpunkte zu Inhalt und Verlauf des 4. zentralen »Friedensseminars«:

Der Verlauf des »Friedensseminars« wurde, wie in zurückliegenden Jahren, wesentlich von der Gruppenarbeit bestimmt. Die jeweilige Gruppenleitung war durch den »Fortsetzungsausschuss« vorbestimmt. Die Zusammensetzung der Gruppen war nicht vorgegeben; Interessenten konnten sich in offen ausliegenden sogenannten Gruppenlisten eintragen. Das hatte zur Folge, dass sich bestimmte feindlich-negative Kräfte in für sie genehmen Gruppen konzentrieren konnten, so z. B. in der Gruppe 3.

Die Eröffnung der Veranstaltung wurde durch das Mitglied des »Fortsetzungsausschusses« Vera Wollenberger/Berlin vorgenommen. Unter Bezugnahme auf das diesjährige Thema des »Friedensseminars« erklärte sie, für den »Fortsetzungsausschuss« wären in Auswertung des »Friedensseminars 1985« zwei Probleme deutlich geworden: So wäre die Arbeit der einzelnen »Friedenskreise« noch sehr isoliert, da sich in der Praxis eine Verflechtung der Probleme Frieden – Ökologie – Dritte Welt nur sehr schwer durchsetzen lassen würde. Es bestehe eine Kluft zwischen dem, was die einzelnen Basisgruppen machen und dem, was im gesellschaftlichen Leben (in der Praxis) passiert bzw. erforderlich sei. Deshalb solle das »Friedensseminar« in Stendal kräftige Impulse für die Basis geben und dem »konzilianten [sic!] Prozess« (Versöhnlichkeit) dienen.

Ebenfalls in Anlehnung an bewährte Praktiken wurde eine Plenumsdiskussion zur Problemstellung »Was macht Gruppen zu schaffen?« durchgeführt, auf der einzelne Vertreter von »Friedenskreisen« über ihre Tätigkeit und Erfahrungen berichteten.

Einige hinlänglich bekannte Kräfte, so die Pfarrer Meckel/Vipperow und Koch/Rudolstadt41 sowie Templin/Berlin, kritisierten das Vorgehen staatlicher Organe gegen die Tätigkeit von »Friedenskreisen« bzw. erläuterten ihr eigenes »Engagement« in Friedensfragen.

Lietz/Güstrow verwies auf eine vorliegende Arbeitshilfe des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR zur »Friedenserziehung der Kinder«42 und stellte den Antrag, das »Friedensseminar« solle die Kirchenleitungen beauflagen, diese Arbeitshilfe an die Basis zu geben. Des Weiteren sprach er sich dafür aus, der sogenannten Judenfrage mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Es sollten auch mehr Gedenktafeln zur Kristallnacht43 an den entsprechenden Orten angebracht werden.

Pastor Hübener/Rambow,44 [Bezirk] Neubrandenburg, sprach sich für eine Revision der Festlegung aus, Vertretern westlicher Presseorgane die Teilnahme am »Friedensseminar« zu verwehren.

Während eines weiter durchgeführten Plenums referierte Superintendent Hartmann/Halle45 zum Thema »Frieden leben« (theologische Behandlung des kirchlichen Friedensauftrages). Er unterstützte die Vorschläge des Generalsekretärs des ZK der KPdSU,46 die die positiven Tendenzen in der Welt unterstützen und denen man deshalb auch Vertrauen entgegenbringen müsse. Er forderte, in die kirchliche Friedensarbeit auch Nichtchristen einzubeziehen, weil erst durch eine »große Friedensbewegung« etwas erreicht werden könne.

Internen Hinweisen zufolge beinhalteten die Aussprachen in den acht Arbeitsgruppen (1985 gab es vier »Sektionen«) folgende beachtenswerte Probleme:

Arbeitsgruppe 1 – Leitung: Präses Höppner/Magdeburg

21 Teilnehmer; Thema: »Viele Probleme – eine Bedrohung? Der Zusammenhang von Gerechtigkeit, Frieden und Umweltbewahrung in unserer Arbeit.«

Im Mittelpunkt der Diskussion stand das vor allen Teilnehmern des »Friedensseminars« durch den Neurologen Dr. Drees/Stendal47 gehaltene Referat »Gedanken über Resignation« (beinhaltete theoretisch religiös interpretierte Aussagen über den Begriff Resignation und Hinweise zur Überwindung von Resignation durch die Arbeit in kirchlichen »Friedenskreisen«).

Die Diskussionsteilnehmer sprachen sich für

  • eine »Ökologisierung« kirchlicher und forstwirtschaftlicher Betriebe,

  • die Einführung einer »Umweltwoche«,

  • die »Anhebung der Rechte« für kirchliche »Friedens- und Umweltgruppen« sowie

  • die Notwendigkeit der Unterstützung für die Dritte Welt

aus.

Arbeitsgruppe 2 – Leitung: Pastor Hübner/Rambow

36 Teilnehmer; Thema: »Friedenshandeln als politisches Handeln und als Handeln auf Hoffnung hin.«

Auf der Grundlage eines als Positionspapier deklarierten Pamphlets »Zur Politikfähigkeit der eigenständigen DDR-Friedensbewegung« des »Friedenskreises« Berlin-Friedrichsfelde (Stoßrichtung dieses Papiers: Programmatische Orientierung für »Friedensgruppen«, aus der Phase der Spontanität und des Polemisierens in ein politikfähiges Stadium hinüberzuwachsen) wurde versucht, praktisch realisierbare Orientierungen hinsichtlich einer »Politikfähigkeit« des kirchlich motivierten Friedenshandelns zu treffen. In diesem Zusammenhang wurde festgestellt, dass die Teilnahme an den Volkswahlen 1986 für den Einzelnen ein »Spannungsproblem« darstelle, jedoch als »Kompromisslösung« angesehen werden sollte.

Es wurde Übereinstimmung darüber erzielt, zur »Friedensdekade 1986« eine Vorbereitungsmappe mit thematischem Material zu den politischen Rechten und Pflichten der Bürger der DDR, zur kritischen Auseinandersetzung mit der Geschichte der DDR sowie zu »Verteidigungs- und Wehrdienstproblemen« zusammenzustellen.

In dieser Arbeitsgruppe war die hinlänglich bekannte Ulrike Poppe/Berlin bemüht, politische Aspekte in den Vordergrund der Diskussion zu stellen.

Die teilnehmenden Bischof Dr. Demke und Präses Becker orientierten konsequent auf das ausschließlich religiös motivierte Wirken der kirchlichen Friedensarbeit.

Arbeitsgruppe 3 – Leitung: Erika Drees48/Leiterin des »Friedenskreises« Stendal49 und Katrin Eigenfeld/Halle

34 Teilnehmer; Thema: »Vielfalt der Motive und Traditionen des Handelns – Chance für eine neue Identität?«

Die in dieser Gruppe konzentriert »mitarbeitenden« Exponenten politischer Untergrundtätigkeit, Templin, Vera Wollenberger, Bärbel Bohley (alle Berlin), die Pfarrer Tschiche und Reiner Bohley50 (beide Magdeburg), Heiko Lietz (Güstrow) und Katrin Eigenfeld (Halle), trugen massive Angriffe gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung in der DDR im Zusammenhang mit der von ihnen inspirierten sogenannten Initiative Frieden und Menschenrechte51 vor. Sie inspirierten die Erarbeitung des genannten Briefes an den Präsidenten der Volkskammer der DDR. In einem weiteren von der Arbeitsgruppe eingebrachten Papier wird gezielt versucht, den »Fortsetzungsausschuss« zwingend darauf zu orientieren, sich in den Folgeseminaren verstärkt der sogenannten Menschenrechtsproblematik zuzuwenden.

Pfarrer Tschiche vertrat erneut seine bekannten feindlichen Auffassungen über die »Notwendigkeit der Veränderung der politischen Strukturen in der DDR«.

Die Leiterin des Arbeitskreises »Frauen für den Frieden« Leipzig,52 Kämpf, führte in aggressiver Form Angriffe gegen Kirchenleitungen. So hielt sie diesen vor, sie würden nur »bequeme Dinge« annehmen, die Arbeit der »Frauenkreise« behindern und nicht hinter dem »zeichenhaften Handeln der Basisgruppen« stehen.

Oberkonsistorialrat Schultze versuchte – ohne große Wirkung – versachlichend auf den Inhalt der Diskussion einzuwirken.

Arbeitsgruppe 4 – Leitung: Pastorin Misselwitz/Berlin53

Neun Teilnehmer; Thema: »Spiritualität und Friedensarbeit – Friedensarbeit als Spiritualität?«

In dieser Gruppe wurde u. a. die Auffassung vertreten, dass es erforderlich sei, die »Friedensarbeit« zu ritualisieren, um Ängste und Aggressionen abzubauen.

Die Misselwitz verwies auf den USA-Film »Blutige Erdbeeren«,54 der angeblich anschaulich verdeutlicht habe, wie mittels eines Rituals die »Angst vor der Polizei« bewältigt werden könne. Die Gruppenarbeit wurde mit einem »Schweigeritual« beendet.

Arbeitsgruppe 5 – Leitung: Hans-Jürgen Misselwitz/Berlin55

18 Teilnehmer; Thema: »Neuen Wein in neue Schläuche gießen – neue Impulse in der Sicherheitspolitik.«

Beschlüsse der Synoden des BEK zur »Absage an Geist, Logik und Praxis der Abschreckung«56 als Diskussionsgrundlage nehmend, wurden aktuelle außenpolitische Probleme erörtert. So wurden u. a. darüber Gedanken ausgetauscht, welche »ersten Schritte« zur Verwirklichung der Friedensvorschläge des Generalsekretärs des ZK der KPdSU, Gorbatschow,57 möglich sind bzw. als notwendig erachtet werden müssen. Durch die Einflussnahme mehrerer teilnehmender Mitglieder der »Christlichen Friedenskonferenz« (CFK)58 konnte ein von Misselwitz eingebrachtes Papier, in welchem u. a. die sozialistischen Staaten aufgefordert werden, Vorleistungen für den in Gang zu bringenden Abrüstungsprozess zu realisieren, zurückgewiesen werden.

Arbeitsgruppe 6 – Leitung: Pfarrer Koch/Rudolstadt

20 Teilnehmer, Thema: »Ziviler Ersatzdienst«.59

Es wurden u. a. Auffassungen vertreten wie:

  • Durch die immer weitere Eingliederung der Bausoldaten in die NVA sei der Dienst ohne Waffe keine Alternative mehr zum Wehrdienst mit der Waffe.

  • Durch Einführung einer Berufsarmee könne die Wehrpflicht aufgehoben werden.

  • Notwendigkeit des weiteren schrittweisen Vorgehens zur Einführung eines Wehrersatzdienstes im Sinne des »Sozialen Friedensdienstes«.

  • Notwendigkeit eines stärkeren Zusammenhalts der Bausoldaten.

In der weiteren Diskussion wurden einander widersprechende Standpunkte zur Aufhebung der Wehrpflicht und zur Herauslösung der DDR aus dem Warschauer Vertrag60 dargelegt. Diese gegensätzlichen Auffassungen, insbesondere auch das realistische Auftreten von Konsistorialpräsident Kramer/Magdeburg bewirkten, dass keine Dokumente verbindlichen Charakters erarbeitet wurden.

Das beharrliche Agieren von Lietz im Sinne feindlich-negativer Zielstellungen führte jedoch zu der Übereinkunft, dass sich die interessierten Gruppenteilnehmer zu einem späteren Zeitpunkt erneut zusammenfinden wollen, um »thematisch weiterzuarbeiten«. Auf dieser Zusammenkunft solle (Vorschlag von Lietz) ein an die Synode des BEK gerichtetes Papier zu Fragen des Wehrdienstes/Wehrersatzdienstes verfasst werden.

Arbeitsgruppe 7 – Leitung: Christel-Dorothea Günther/Halle61

Zwölf Teilnehmer; Thema: »Frieden wächst aus Liebe oder die Wiederentdeckung menschlicher Kommunikation«.

In der Diskussion wurde gefordert, die Anforderungen an die eigene Person zu erhöhen, da man auch von den »Regierenden« Gewaltverzicht fordere. Ferner wurde erklärt, die Tätigkeit der Basisgruppen bleibe nicht ohne Auswirkungen auf die Familien, und die Frage gestellt, »was Kraft für das Tun« gebe.

Arbeitsgruppe 8 – Leitung: Pastor Meckel/Vipperow

19 Teilnehmer; Thema: »Kirche des Friedens werden – auf dem Wege des konziliaren Prozesses der Ökumene.«

Pfarrer Eppelmann/Berlin, Propst Falcke/Erfurt und Pastor Meckel/Vipperow traten für eine Intensivierung von »Tätigkeiten« ein, die den Weg zum »Konzil des Friedens« beschleunigen sollen.

Während Propst Falcke die theologische Bedeutung des »Konzils des Friedens« unterstrich und die Verantwortung von Laiensynodalen bei der Unterstützung von »Basisgruppen« sowie ihres gesellschaftlichen Wirksamwerdens im Sinne des Konzils hervorhob, versuchten Meckel und Eppelmann ihre politisch-negativen Auslegungen zum konziliaren Prozess einzubringen und dessen politischen Charakter überzubewerten. Meckel formulierte zum Ziel des konziliaren Prozesses, dass dieser möglicherweise »Modellcharakter mit Wirkungsmechanismen auf die Gesellschaft« tragen solle und damit vor allem ein »breiter Kommunikationsprozess« in Gang zu bringen sei. Er hob in diesem Zusammenhang die »gemeinsame Verantwortung beider deutscher Kirchen« hervor. Der Gedanke des »blockübergreifenden Charakters« des konziliaren Prozesses fand auch in den Darlegungen Eppelmanns breiten Raum. So erklärte er, die Glaubwürdigkeit des Friedenskonzils hänge von der Wirkungsfähigkeit hinsichtlich der gemeinsamen Problembewältigung in »Ost und West« ab. Als Beispiel von Ansätzen eines gemeinsamen Konzils führte er die seit mehreren Jahren existierenden »Friedenspartnerschaften« der Samaritergemeinde Berlin-Lichtenberg zu Kirchengemeinden in Norwegen, den USA, der BRD und Westberlins an. Seiner Auffassung nach seien diese Partnerschaftsbeziehungen zu werten als ein »Grundstein« für gemeinsames Verständnis und konkreten Dialog. Da durch staatliche Organe diese Arbeit angeblich in starkem Maße behindert würde, erwarte er vom Forum des »Friedensseminars« eine gewisse »Solidarisierungswirkung« (die auch schriftlich in Form einer Erklärung formuliert werden müsse).

Eppelmann forderte, dass

  • sich das Denken und Handeln im konziliaren Sinne verändern müsse und politische Forderungen offen geäußert werden sollten,

  • die Abschaffung von Misstrauen innerhalb der evangelischen Kirchen, besonders zwischen Basis und Leitung notwendig sei und

  • die Kirche gegenüber Minderheiten eine Schutzfunktion habe.

Eppelmann und Meckel sprachen sich für die Durchführung eines »DDR-Hearings 1987« zur Frage des »Konzils des Friedens« und zur Durchführung einer »Versammlung der Christen der DDR 1988« als »Station« zum »Konzil des Friedens« aus.

Die beabsichtigte Zielstellung der Organisatoren und bestimmter feindlich-negativer Kräfte, in dieser Arbeitsgruppe einen gemeinsamen Konsens zur Begriffsbestimmung und praktischen Auslegung der Problematik »Friedenskonzil« zu finden, wurde nicht erreicht.

In Auswertung gewonnener Erkenntnisse des »Friedensseminars« in Stendal wird vorgeschlagen:

  • Der Staatssekretär für Kirchenfragen der DDR und der Stellvertreter des Vorsitzenden des Rates des Bezirkes Magdeburg für Inneres sollten in geeigneter Form in Gesprächen mit Bischof Dr. Demke die vorliegenden Erkenntnisse differenziert auswerten und insbesondere die das Verhältnis Staat – Kirche belastenden Aktivitäten reaktionärer kirchlicher und anderer feindlich-negativer Kräfte energisch zurückweisen.

  • Die differenzierten Gespräche mit kirchenleitenden Kräften, insbesondere auch der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, zur vorbeugenden Verhinderung weiterer feindlich-negativer Aktivitäten von beim »Friedensseminar 1986« aktiv in Erscheinung getretener Exponenten politischer Untergrundtätigkeit sollten staatlicherseits fortgesetzt und intensiviert werden.

  • Zur weiteren Stärkung des politischen und staatlichen Einflusses in den territorialen Bereichen sollte die Einbeziehung von geeigneten Kräften aus Betrieben und gesellschaftlichen Organisationen zu Gesprächen mit den hinlänglich als feindlich-negativ bekannten Personen unbedingt beibehalten sowie verstärkt werden.

Dazu werden an die zuständigen staatlichen Organe, Betriebe und gesellschaftlichen Organisationen vom Ministerium für Staatssicherheit konkrete auswertbare Hinweise zu Personen übergeben.

Die Information ist wegen Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.

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    [ohne Datum]
    Erste Reaktionen westlicher Messevertreter im Zusammenhang mit dem Rundgang der Partei- und Staatsführung anlässlich der Leipziger Frühjahrsmesse 1986 [O/159]

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    11. März 1986
    Information Nr. 116/86 über die Entwicklung der Einnahmen aus der Durchführung des verbindlichen Mindestumtausches für die Zeit vom 3. März 1986 bis 9. März 1986