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Frühjahrssynoden Thüringen, Anhalt und Greifswald

11. Mai 1986
Information Nr. 216/86 über die Frühjahrssynoden der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen, der Evangelischen Landeskirche Anhalts und der Evangelischen Landeskirche Greifswald

Nachstehend wird über weitere im April 1986 stattgefundene Frühjahrssynoden evangelischer Landeskirchen in der DDR informiert:

  • 4. Tagung der VII. Synode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen vom 17. bis 20. April 1986 in Eisenach,

  • 9. Tagung der XVIII. Synode der Evangelischen Landeskirche Anhalts vom 17. bis 19. April 1986 in Dessau,

  • 1. (konstituierende) Tagung der VIII. Synode der Evangelischen Landeskirche Greifswald vom 4. bis 6. April 1986 in Züssow.

Im Mittelpunkt der Synoden standen vorwiegend innerkirchliche und theologische Fragen.

Die Synoden waren dadurch gekennzeichnet, dass durch kirchenleitende Amtsträger, wie Bischof Leich/Eisenach,1 Oberkirchenrat Mitzenheim/Eisenach2 und Kirchenpräsident Natho/ Dessau,3 eine klare Identifizierung mit den Abrüstungsvorschlägen des Generalsekretärs des ZK der KPdSU4 und die Ablehnung des amerikanischen SDI-Projektes5 erfolgte.

Die darin offiziell zum Ausdruck gebrachte Übereinstimmung mit der Friedenspolitik der Staaten der sozialistischen Gemeinschaft war während der Frühjahrssynoden 1986 stärker sichtbar als in der Vergangenheit, wurde durch Laiensynodalen unterstützt und von ihnen durch das Einbringen von Vorschlägen teilweise initiiert.

Diese inhaltlich über das gemeinsame Wort des Bundes Evangelischer Kirchen (BEK) in der DDR und der »Evangelischen Kirche in Deutschland« (EKD/BRD) – »Hoffnung auf Frieden«6 – hinausgehenden Aussagen für den in den Synoden in Eisenach und Dessau durch die Orientierung auf die in Erarbeitung befindliche Arbeitshilfe des BEK in der DDR für die Kirchengemeinden zu den Abrüstungsvorschlägen der UdSSR bestärkt.7

Auch die Stellungnahme der Synode in Eisenach zur Eingabe von Vertretern des Regionalausschusses der »Christlichen Friedenskonferenz« in der DDR,8 sich für die Einstellung der Aggression der USA-Regierung gegen Nicaragua9 einzusetzen, ordnet sich in diese Tendenz ein.

Die progressive Ausrichtung führte z. B. in der Diskussion der Synode in Eisenach auf Initiative der Laiensynodalen auch zur Verurteilung der Terrorangriffe der USA gegen Libyen.10

Die Versuche politisch negativer Synodaler, wie Superintendent Große/Saalfeld11 und Pharmazierat Schubert/Schalkau,12 diese Position der Synode abzuschwächen, führten zu keinerlei Resonanz und blieben ergebnislos.

Im Einzelnen ist zu den Synoden bemerkenswert:

An der Frühjahrssynode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen, die traditionell unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagte, nahmen von 66 gewählten und berufenen Synodalen 62 teil.

Es wurden folgende Tagesordnungspunkte behandelt:

Bericht von Bischof Leich/Eisenach zur Situation in der Landeskirche; Grundsatzreferat von Bischof Leich zum Thema: »Das rechte Hören auf Gottes Wort als Weisung für die Nachfolge der Christen und für die Kirche auf dem Weg in die Welt«; Tätigkeitsbericht des Landeskirchenrates; Wahl des Nachfolgers für Oberkirchenrat Mitzenheim/Eisenach (Amtsniederlegung aus Altersgründen am 31. Dezember 1986); innerkirchliche und theologische Fragen (u. a. Bericht über die 1. Tagung der V. Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR,13 Entwurf neuer kirchlicher Lebensordnung).14

Bischof Leich informiert über den Antrittsbesuch des neugewählten Vorstandes der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR (KKL)15 beim Staatssekretär für Kirchenfragen, Genossen Gysi,16 am 21. März 1986 in Berlin und stellte dabei in den Mittelpunkt, dass übereinstimmende Auffassungen hinsichtlich der Dringlichkeit des Eintretens für Abrüstung und für die Verhinderung des Wettrüstens im Weltall bestehen.17

Das gemeinsame Wort des BEK in der DDR und der EKD/BRD – »Hoffnung auf Frieden« – schätzte Bischof Leich als »kompromisshaft« ein und betonte, es trete bewusst zwischen die Fronten, um Verbindung und Versöhnung zu ermöglichen.

Worte der Kirche würden auch in Zukunft auf die jeweilige besondere Lage bezogen, an gleiche Ausgangspunkte und Brückenfunktionen gebunden sein.

Die KKL hätte den Ausschuss »Kirche und Gesellschaft« beauftragt, vordringlich ein Arbeitspapier für die Friedensarbeit in den Gemeinden zu erstellen. »Darin sollen insbesondere die seit dem Gipfeltreffen in Genf18 sichtbar gewordenen und durch die Vorschläge und Initiativen der Sowjetunion in der Folgezeit deutlich verstärkten und konkretisierten Ansätze für eine neue politische Denkweise aufgenommen werden.«

Bischof Leich verwies auf die Notwendigkeit des Eintretens der Christen für den Frieden und legte dar, alle Aktivitäten der sozialistischen Länder könnten auf »vier gemeinsame Nenner gebracht« werden:

  • Die Erkenntnis, dass Wettrüsten aufgrund der heutigen Waffentechnik zur Vernichtung der Erde führe. Daraus wird zwingend das Umdenken innerhalb politischer Verhaltensmuster angeboten und gefordert.

  • Die Befreiung der Erde von Nuklearwaffen bis zum Jahre 2000 wird als Ziel gesehen und als Einladung an alle Angesprochenen.

  • Die gegenseitige Kontrolle schrittweiser Abrüstung wird angeboten.

  • Der Mensch mit seinem persönlichen Glück und Leid bleibt auch als einzelner im Blick.

Wörtlich führte Bischof Leich aus: »Es ist die große geschichtliche Leistung des Generalsekretärs des ZK der KPdSU, die überfällige Wende in der Weltpolitik vom Überlegenheitsdenken zu gemeinsamer Sicherheitspartnerschaft und vom Aufrüsten zum Abrüsten in einem großen Zusammenhang mit der wissenschaftlich-technischen Entwicklung, den ökonomischen Gesetzmäßigkeiten, den ökologischen Notwendigkeiten und den humanitären Grundbedingungen konsequent und überzeugend vor der Weltöffentlichkeit mit dem Nachdruck des verantwortlichen Politikers an der Spitze einer der beiden Weltmächte ausgesprochen zu haben. Die Sowjetunion und die Warschauer Paktstaaten19 sind auf ihre Weise an diesem Verdienst beteiligt.«

Im Gegensatz dazu sei im westlichen Lager die Entwicklung in erschreckender Weise anders verlaufen. Die USA habe mit ihren Ambitionen die für Sicherheitspartnerschaft und Abrüstung unabdingbare Gemeinsamkeit zerstört und den Tatbestand der Negierung des gemeinsamen Sicherheitsinteresses geschaffen.

Hoffnung drohe in Resignation umzuschlagen. Jeder ehrliche Schritt zum Umdenken und zum Erreichen des Zieles einer von Nuklearwaffen freien Welt müsse mit den den Christen gegebenen Möglichkeiten unterstützt werden.

Der Bericht des Bischofs fand die Unterstützung der Synode, was sich auch in der Diskussion sowie in der Arbeit der Synodenausschüsse widerspiegelte. So wurde die Aggression der USA gegen Libyen verurteilt und als verbrecherischer Akt charakterisiert.

Lediglich Superintendent Große/Saalfeld, unterstützt von dem Synodalen Pharmazierat Schubert/Schalkau, versuchte die progressiven Aussagen abzuschwächen, betonte, es seien »über 100 USA-Familien durch Terrorakte der Libyer getötet worden« und forderte Verständnis für das Vorgehen der USA. In diesem Zusammenhang verwies er auf Afghanistan als »einen weiteren Krisenherd«.20

Das von Bischof Leich gehaltene Grundsatzreferat beinhaltete ausschließlich theologische Gesichtspunkte.

Bemerkenswert ist, dass im Tätigkeitsbericht des Landeskirchenrates »das Wachsen des partnerschaftlichen Verhältnisses« mit der Evangelischen Kirche in Württemberg/BRD anerkennend hervorgehoben wurde. Beide Landeskirchen »bereichere ein intensiver Austausch auf oberster Ebene beider Kirchen« über Gegenwartsfragen im Abstand von ca. zwei Jahren. Auch die Nachbarkirchen an der »deutsch-deutschen Grenze « würden bewusst die Nachbarschaft pf1egen.

Mit diesen Aussagen wurde offensichtlich gezielt auf die weitere Vertiefung der Partnerschaftsbeziehungen orientiert.

Im Bericht wurde außerdem hervorgehoben, der Umgang mit Vertretern des Staates sei auf der Grundlage des Prinzips der Trennung von Staat und Kirche und der Eigenverantwortung der Kirche mit der Zielstellung zu handhaben, eine gemeinsame Lösung von Problemen anzustreben und zu erreichen.

Von fünf der Synode vorliegenden Eingaben und Anträgen beinhalteten drei gesellschaftspolitische Aussagen:

  • 1.

    Eingabe von Vertretern des Regionalausschusses der »Christlichen Friedenskonferenz« in der DDR (CFK) – (Unterzeichner: Prof. Kaltenborn,21 Prof. Fink/22 beide Berlin) mit der Bitte um Unterstützung eines Briefes an die Regierung der USA, in dem die Einstellung der Aggression gegen Nicaragua gefordert wird. Entsprechend dieser Eingabe wurde von der Synode der Beschluss gefasst, über die vorhandenen Verbindungen zur Vereinigten Kirche Christi (UCC)/USA23 zu veranlassen, deren Einfluss auf die amerikanische Regierung geltend zu machen, »um den Umdenkungsprozess in Friedensfragen zu fördern und auf die Absage an Geist, Logik und Praxis der Abschreckung zu drängen«.

  • 2.

    Eingabe des Theologiestudenten [Name]/Jena mit der Forderung nach Zulassung homosexueller Personen zur Ordination.

    Von der Synode wurde der Antrag mit der Begründung abgelehnt, die Ordination Homosexueller sei weder »rechtlich noch theologisch« zu rechtfertigen.

  • 3.

    Eingabe von Vertretern des sogenannten Friedensseminars »Frieden konkret IV« (Stendal 1986)24 mit der Forderung zur Unterstützung des »konziliaren Prozesses«.25 Die Eingabe wurde an den zuständigen Synodenausschuss verwiesen.

Als Nachfolger für den am 31. Dezember 1986 aus Altersgründen ausscheidenden Oberkirchenrat Mitzenheim/Eisenach wurde von der Synode mit 40 Stimmen bei 14 Stimmenthaltungen und acht Gegenstimmen der vom Landeskirchenrat vorgeschlagene Kandidat Kreiskirchenrat Kirchner/Gera26 gewählt.

(Oberkirchenrat Kirchner trat bisher politisch realistisch auf und engagierte sich für ein sachliches und konstruktives Verhältnis zwischen Staat und Kirche in der DDR.)

An der Frühjahrssynode der Evangelischen Landeskirche Anhalts (ELKA) nahmen alle 39 gewählten und berufenen Synodalen teil.

Zeitweilig war der BRD-Korrespondent Röder27 (epd) anwesend.

Alle vier anwesenden ausländischen ökumenischen Gäste hielten Grußansprachen, die einige beachtenswerte politische Aussagen beinhalteten.

Der Vertreter der Vereinigten Kirche Christi in den USA, Scott,28 wandte sich gegen die militärische Hilfe seiner Regierung für die Contras gegen Nicaragua und ihre Versuche, die sandinistische Regierung zu stürzen. Er stellte sich gegen die Anmaßung der USA, »Weltpolizist« zu sein und berichtete von einem Schreiben seiner Kirche an die USA-Regierung, in dem die militärische Gewalt gegen Libyen verurteilt wird.

Politisch progressiv trat Pastorin Krum/Westberlin29 auf. Sie erinnerte z. B. an die historische Begegnung von sowjetischen und amerikanischen Soldaten im April 1945 in Torgau und verwies auf die Notwendigkeit erneuter Verständigung zwischen beiden Ländern im Interesse des Überlebens der Menschheit.30 Hervorzuheben ist ihr Eingehen auf die jüngsten Vorschläge der Sowjetunion und auf die destruktive Haltung der USA zu realen Abrüstungsschritten. Als einzige Rednerin auf der Synodaltagung nahm sie Bezug auf den vom Generalsekretär des ZK der KPdSU auf dem XI. Parteitag der SED31 unterbreiteten Vorschlag zur Reduzierung konventioneller Waffen, den sie unterstützte.

Dagegen wurde in den Grußworten von Oberkirchenrat Dr. Hensel/stellvertretender Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche der Pfalz/BRD32 und Kirchenrat Wesner/Lippische Landeskirche – BRD,33 die vorrangig theologisch geprägt waren, das Bestreben deutlich, Stellungnahmen zu aktuellen politischen Fragen auszuweichen. Sie bekräftigten jedoch die Aufgaben der Kirchen, »durch Weiterentwicklung der Partnerschaftsarbeit Brücken zu schlagen«.

Entsprechend der Tagesordnung der Synode wurden behandelt:

Tätigkeitsbericht des Landeskirchenrates (Referenten: Kirchenpräsident Natho/Dessau, Oberkirchenrat Schulze/Dessau,34 Oberkirchenrat Bitzmann/Dessau)35, Referat »Bewahrung der Schöpfung als unsere Aufgabe« (Referent: Synodale Dr. Scholz/Gatersleben)36, Einführung des neuen Oberkirchenrates Schindler/Dessau,37 in den Landeskirchenrat als Nachfolger des Oberkirchenrates Beel/Dessau.38

In der Eröffnungsandacht ermahnte Pfarrer Berenbruch/Dessau39 die USA, eine friedliche Beilegung des Konflikts mit Libyen anzustreben.

In dem von Kirchenpräsident Natho/Dessau verfassten und vorgetragenen Teil des Tätigkeitsberichtes des Landeskirchenrates wurden politisch realistische Positionen zur Verantwortung von Christen und Kirchen für die Erhaltung des Friedens formuliert.

Unter Hinweis auf die »tiefsitzende Überzeugung der Weltchristenheit zur Ablehnung von Krieg in allen seinen Formen, einschließlich der Androhung von Kriegen«, hob Natho hervor, dass die Vorschläge der UdSSR vom Januar 1986 die »Möglichkeit zu fest vereinbarten, kontrollierten und langfristig wirksamen politischen Schritten eröffneten«. Ein deutliches Zeichen auf dem Weg zu vertraglich gesicherter Abrüstung seien die Bemühungen der Sowjetunion um ein atomares Teststoppabkommen. Des Weiteren sprach sich Natho mit einem »klaren Nein zu Waffensystemen im Weltraum« aus, durch die jede Abrüstung blockiert und gegenseitige Sicherheit unmöglich gemacht werde.

Sich gegen »Berührungsängste und antikommunistische Vorbehalte« aussprechend, forderte er dazu auf, »als Kirche keine Hemmungen« zu haben, in der »marxistischen Geschichtsauffassung und den politischen Vorstellungen des Sozialismus eine wesentliche Hilfe zu sehen«. In diesem Zusammenhang wandte er sich dagegen, die staatliche Friedenspolitik der Unaufrichtigkeit zu verdächtigen. Gleichzeitig verlangte er vom Staat – in sachlicher Form vorgetragen –, auch dem kirchlichen Friedensengagement mehr Vertrauen entgegenzubringen.

An anderer Stelle seines Tätigkeitsberichtes machte Natho auf einen »Rückgang des kirchlichen Lebens in all seinen Formen« aufmerksam, unterbreitete aber keine Vorschläge zur Veränderung der Situation.

In der Diskussion zum Tätigkeitsbericht wurden ausschließlich innerkirchliche Fragen behandelt, obwohl Kirchenpräsident Natho in seinem Bericht die Synodalen aufgefordert hatte, zu den eingetretenen Veränderungen in der politischen Weltlage Stellung zu nehmen.

Lediglich die anwesende Vertreterin des BEK in der DDR, Oberkirchenrätin Lewek/Berlin,40 verwies in ihrem Grußwort auf die in Erarbeitung befindliche »Arbeitshilfe« des BEK für die Gemeinden zu den Abrüstungsvorschlägen der UdSSR.

Des Weiteren betonte Oberkirchenrätin Lewek die »Herausforderung der Weltöffentlichkeit durch das amerikanische SDI-Projekt sowie die USA-Politik gegenüber Libyen und Nicaragua«.

Einem Beschluss der vorangegangenen Synode zufolge, beschäftigte sich die Tagung mit Fragen des christlichen Umweltengagements.

In seinem dazu gehaltenen Vortrag zum Thema »Bewahrung der Schöpfung als unsere Aufgabe« erklärte Dr. Scholz/Gatersleben, die effektivste Maßnahme des Umweltschutzes wären die Beendigung der Rüstung und die Abrüstung. Er verurteilte in diesem Zusammenhang das amerikanische SDI-Projekt.

Nachdem er die Ansicht, ein »einfacherer Lebensstil oder eine Reduzierung der Technik könnte die Umweltprobleme lösen«, als illusionär bezeichnete, orientierte Dr. Scholz auf eine sachliche und sachbezogene Zusammenarbeit von Christen und Kirche mit staatlichen und gesellschaftlichen Einrichtungen. Er forderte dazu auf, sich an staatlichen Maßnahmen zum Umweltschutz zu beteiligen und Verständnis für staatliche Umweltpolitik aufzubringen.

Die Aussprache blieb deutlich hinter den von Scholz getroffenen realistischen Aussagen zurück, griff die konstruktiven Inhalte nur in Ansätzen auf und beschränkte sich im Wesentlichen auf Fragen individueller Bewusstseinsbildung und persönlicher Verhaltensweisen. Politisch negative Angriffe auf die staatliche Umweltpolitik wurden nicht vorgetragen.

Der Ausschuss »Kirche und Gesellschaft« wurde beauftragt, sich weiterhin mit dieser Thematik zu befassen.

Im Rahmen der Synodaltagung erfolgte die Einführung des Oberkirchenrates Diplom-Ökonom Schindler, Andreas/Quedlinburg (33, ehemals Betriebsleiter VEB Fortschritt Magdeburg) als Nachfolger des Oberkirchenrates Beel/Dessau in den Landeskirchenrat. Schindler wird damit Leiter des Dezernats Recht, Verwaltung und Finanzen des Landeskirchenamtes.

(Oberkirchenrat Schindler trat bisher politisch realistisch in Erscheinung und engagierte sich für ein sachliches und konstruktives Verhältnis zwischen Staat und Kirche in der DDR.)

Die Synodaltagung wurde mit der Verabschiedung einer Reihe von innerkirchlichen und theologischen Beschlüssen beendet, ohne eine Erklärung zur gegenwärtigen internationalen Situation abzugeben.

An der 1. (konstituierenden) Tagung der VIII. Synode der Evangelischen Landeskirche Greifswald nahmen von 77 gewählten und berufenen Synodalen 69 teil.

Als ausländischer ökumenischer Gast war der Präses der Synode der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche (BRD) anwesend. Unter Bezugnahme auf das gemeinsame Wort des BEK in der DDR und der »EKD« – »Hoffnung auf Frieden« – betonte er in seinem Grußwort, Rüstung im Weltraum bringe nicht mehr Sicherheit; deshalb müssten alle Menschen guten Willens in Ost und West zusammenstehen, die Friedensfähigkeit der Menschen im Umgang miteinander entwickeln und Feindbilder abbauen.

Vertreter westlicher Massenmedien sowie Mitarbeiter ausländischer diplomatischer Einrichtungen in der DDR waren auf der Synodaltagung nicht zugegen.

Im Mittelpunkt der Synode standen – neben einer Reihe innerkirchlicher Fragen – die Konstituierung der VIII. Synode (Wahl des Präsidiums, Wahl der synodalen Mitglieder der Kirchenleitung, Wahl der synodalen Arbeitsgremien usw.), der Vortrag des Bischofs Gienke/Greifswald41 und der Bericht über die 1. Tagung der V. Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR (31. Januar bis 2. Februar 1986 in Berlin).

Im Ergebnis der Wahlhandlungen wurde folgende personelle Zusammensetzung des Präsidiums und der Kirchenleitung der Evangelischen Landeskirche Greifswald beschlossen:

Präsidium:

Präses Affeld, Dietrich/Greifswald42 (63); Affeld ist bereits seit der VI. Synode der Evangelischen Landeskirche Greifswald deren Präses. Er ist Lehrer für Russisch/Englisch an der Volkshochschule Greifswald. Als Mitglied der CDU wirkt er innerhalb der Landeskirche aktiv für eine weitere Verbesserung des Verhältnisses Staat-Kirche. Er steht als progressiver Christ hinter der Politik unseres Staates und bemüht sich, auch im internationalen Rahmen zum Ansehen der DDR beizutragen.

Vize-Präsides:

Vize-Präses Pfarrer Panknin, Dietrich/Verchen43 (51); Vize-Präses Diplom-Ingenieur Schulze, Theodor/Stralsund44 (41). Beide Vize-Präsides sind zu den politisch realistischen bzw. loyalen kirchlichen Kräften zu rechnen.

Synodale Mitglieder der Kirchenleitung:

Landespfarrer Hildebrand, Siegfried/Greifswald45 (60); Synodale Zschockelt, Gisela/Stralsund46 (59); Superintendent Dr. Schwerin, Hans-Joachim/Demmin47 (59); Pfarrer Dr. Glöckner, Reinhard/Greifswald48 (52); Synodale Diplom-Landwirt Peters, Jürgen/Neuenkirchen49 (52); Synodale Elektroingenieur Gottschalk, Ralf/Torgelow50 (55); Synodale Rudloff, Marieluise/Greifswald51 (55); Diplom-Chemiker Sell, Manfred/Greifswald.52

Die gewählten synodalen Mitglieder der Kirchenleitung Peters, Rudloff und Sell sind zu den politisch realistischen kirchlichen Amtsträgern zu zählen. Pfarrer Dr. Glöckner ist den politisch negativen Kräften zuzuordnen. Bei den anderen genannten vier synodalen Kirchenleitungsmitgliedern handelt es sich um politisch labile kirchliche Personen.

Des Weiteren erfolgte auf der Synodaltagung die Wahl der Mitglieder verschiedener synodaler Arbeitsgremien (Bischofswahlkollegium, Rechtsausschuss, Friedensausschuss etc.). (Die namentliche Aufstellung der jeweiligen Ausschussmitglieder liegt vor und kann bei Bedarf angefordert werden.)

Der Bericht Bischof Gienkes zum Thema »Das Priestertum aller Gläubigen« beinhaltete vorwiegend innerkirchliche Probleme.

Bischof Gienke stellte lediglich fest, dass die politischen Ereignisse in der Welt (er nannte u. a. Genfer Gipfeltreffen, Abrüstungsvorschläge der UdSSR, Lage in Südafrika,53 »Rüstungswettlauf«) die Verantwortung der Christen erforderten.

In der Aussprache zum Bericht des Bischofs ergriffen lediglich vier Synodalen das Wort. Sie brachten zum Ausdruck, der überwiegend religiöse Charakter des Bischofsberichtes widerspiegele nicht die reale Situation in den Kirchengemeinden und beinhalte keine Orientierung für die Gestaltung des kirchlichen Lebens an der Basis.

Der Bericht zur 1. Tagung der V. Bundessynode (Januar/Februar 1986 in Berlin) war gekennzeichnet von politisch realistischen Aussagen und Sachlichkeit. Der Bundessynodale Hirsch/Stralsund54 wies dabei darauf hin, dass Christen das SDI-Projekt nicht befürworten könnten, die amerikanischen Kernexplosionen Hoffnungen auf Abrüstung zerstört hätten, der Vorschlag einer chemiewaffenfreien Zone in Europa55 Unterstützung finden müsse.

Im Ergebnis der Synodaltagung verabschiedete die Synode insgesamt acht Beschlüsse; sieben davon trugen innerkirchlichen und theologischen Charakter.

Beachtenswert ist der in einem Beschluss enthaltene Vorschlag an den »Ordnungsausschuss« der Synode, zu prüfen, inwieweit kirchlichen Laien und nichtordinierten kirchlichen Mitarbeitern die Möglichkeit der Übernahme des Vorsitzes in Kirchengemeinderäten eingeräumt werden sollte. (Damit würde die Einbeziehung kirchlicher Laien in die Tätigkeit der Evangelischen Landeskirche Greifswald verstärkt.)

In einem Beschluss der Synode werden das gemeinsame Wort des BEK und der »EKD« – »Hoffnung auf Frieden« – begrüßt, das SDI-Programm der USA abgelehnt, die Abrüstungsinitiativen der UdSSR als eindeutige Schritte zur Beendigung des Wettrüstens begrüßt, die Vorbereitung für ein »Konzil des Friedens« unterstützt.

Dieser Beschluss wurde einstimmig angenommen.

Die schriftlichen Materialien der Synoden liegen dem MfS im Wortlaut vor und können bei Bedarf angefordert werden.

Die Information ist wegen Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.

  1. Zum nächsten Dokument Treffen Umweltgruppen im Kirchlichen Forschungsheim Wittenberg

    14. Mai 1986
    Information Nr. 225/86 über Erkenntnisse im Zusammenhang mit einem erneuten Treffen von Vertretern sogenannter Umweltgruppen evangelischer Kirchen in der DDR vom 18. bis 20. April 1986 im Kirchlichen Forschungsheim Wittenberg, [Bezirk] Halle

  2. Zum vorherigen Dokument Mindestumtausch 28.4.–4.8.1986

    7. Mai 1986
    Information Nr. 215/86 über die Entwicklung der Einnahmen aus der Durchführung des verbindlichen Mindestumtausches für die Zeit vom 28. April 1986 bis 4. Mai 1986