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Gefährdungen der Sicherheit in Industriebetrieben

[ohne Datum]
Hinweise über Gefährdungen der Arbeits- und Produktionssicherheit besonders in den Industriezweigen Chemische Industrie, Kohle und Energie sowie Erzbergbau, Metallurgie und Kali [K 1/168]

Nach dem MfS vorliegenden Hinweisen bestehen in volkswirtschaftlich wichtigen Industriezweigen – besonders in der Chemischen Industrie, der Kohle- und Energiewirtschaft sowie im Industriezweig Erzbergbau, Metallurgie und Kali – erhebliche Probleme bei der Gewährleistung der Arbeits-, Produktions- und Anlagensicherheit infolge des in den letzten Jahren eingetretenen umfangreichen physischen Verschleißes der in diesen Industriezweigen leistungsbestimmenden Grundmittelarten (insbesondere der baulichen Anlagen, energiewirtschaftlichen Anlagen sowie technologische Hauptausrüstungen und -anlagen).

Die seit Jahren infolge des Fehlens entsprechender Kapazitäten zunehmend auftretenden Probleme bei der notwendigen Durchführung von Maßnahmen für die Aufrechterhaltung ihrer vollen gebrauchswertmäßigen Funktionstüchtigkeit durch Wartung, planmäßige vorbeugende Instandhaltung (pvI), Rekonstruktion und Modernisierung in diesen besonders grundfondsintensiven Industriezweigen bergen objektiv die Gefahr in sich, dass den Sicherheits- und Schutzerfordernissen zur Einhaltung von Sicherheit und Ordnung sowie der technologischen Disziplin nicht mehr voll entsprochen werden kann, und auch zukünftig die Entstehung neuer Gefahrenquellen nicht auszuschließen ist.

Nachfolgend soll detaillierter auf einige bedeutsame Probleme eingegangen werden.

In der Chemischen Industrie gelten aufgrund des hohen Verschleißzustandes der Anlagen als besonders gefährdet:

  • VEB Chemiekombinat Bitterfeld, [Bezirk] Halle,

    Chlorelektrolyse, Anlagen der Salpetersäure- und Schwefeldioxydproduktion, Aluminiumerzeugung, Industriekraftwerke

  • VEB Leuna-Werke »Walter Ulbricht« Merseburg, [Bezirk] Halle,

    Winklergaserzeugung, Ammoniaksynthese, Gasreinigungsanlagen

  • VEB Kombinat Agrochemie Piesteritz, [Kreis] Wittenberg, [Bezirk] Halle,

    Luftzerlegungsanlagen, Anlagen der Karbiderzeugung

  • VEB Petrolchemisches Kombinat Schwedt

    In den Kombinatsbetrieben VEB Hydrierwerk Zeitz, [Bezirk] Halle – einschließlich des Industriekraftwerkes –, VEB Teerverarbeitungswerk Rositz, [Kreis] Altenburg, [Bezirk] Leipzig, und VEB »Otto Grotewohl« Böhlen, [Kreis] Borna, [Bezirk] Leipzig die Anlagen der Karbochemie sowie im letztgenannten Kombinatsbetrieb auch die Luftzerlegungsanlagen

  • VEB Chemische Werke Buna Schkopau, [Kreis] Merseburg, [Bezirk] Halle,

    Chlorelektrolyse- und Acetaldehydanlage, Industriekraftwerke

  • VEB Fotochemisches Kombinat Wolfen, [Kreis] Bitterfeld, [Bezirk] Halle,

    Anlagen zur Zellstoff-, Viskosefaser- und Viskoseseide-Herstellung.

(Hinweise zu vorhandenen Gefährdungssituationen an energiewirtschaftlichen Anlagen in der Chemischen Industrie werden nachfolgend noch detaillierter dargestellt.)

Die vorgenannten Produktionsanlagen in den sechs Kombinaten der Chemischen Industrie – überwiegend älter als 50 Jahre – weisen Verschleißgrade zwischen 50 % bis 85 % auf. Es handelt sich dabei ausschließlich um volkswirtschaftlich bedeutsame, jedoch verschlissene und stark Havarie gefährdete Anlagen, die Ausgangsprodukte für die Finalproduktion chemischer Erzeugnisse des jeweiligen Kombinates und darüber hinaus anderer Kombinate herstellen.

(Mit den im Verlauf des Jahres 1985 erfolgten Aufwendungen in Höhe von 3,4 Mrd. Mark für Instandhaltungsmaßnahmen sowie der für Investitionen – einschließlich des Ersatzes verschlissener Grundfonds – realisierten Mittel in Höhe von 7,3 Mrd. Mark konnte keine wesentliche Verbesserung des Anlagenzustandes in der Chemischen Industrie insgesamt erreicht werden, vielmehr trat bei einem größeren Teil, insbesondere bei den vorgenannten Anlagen, eine weitere Verschlechterung ein.)

Konkreter Ausdruck dafür sind die im Jahre 1985 in zehn Kombinaten des Ministeriums für Chemische Industrie insgesamt aufgetretenen 2 373 Produktionsstörungen durch Brände und Havarien mit Sachschäden in Höhe von ca. 78 Mio. Mark, wodurch ein Ausfall an industrieller Warenproduktion in Höhe von über 600 Mio. Mark eintrat. Besonders hervorzuheben dabei ist das Stör- und Havarie-Geschehen im VEB Chemische Werke Buna Schkopau, [Kreis] Merseburg, [Bezirk] Halle. Im Stammbetrieb dieses Kombinates verdoppelte sich allein im ersten Halbjahr 1986 gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres die Anzahl der Störungen und Havarien, wobei sich der Sachschaden mehr als verdreifachte. Der Ausfall der industriellen Warenproduktion verdoppelte sich in diesem Zusammenhang auf insgesamt etwa 168 Mio. Mark.

Weitere Schwerpunkte des Störgeschehens bildeten die Ethylenanlage im VEB »Otto Grotewohl« Böhlen, die Acetaldehyd-Produktion in Buna, die Aluminiumelektrolyse in Bitterfeld, die Industriekraftwerke in Zeitz, Buna, Bitterfeld, Böhlen, Leuna und Lützkendorf sowie Fördergut pressen im VEB Transportgummi Bad Blankenburg, [Kreis] Rudolstadt, [Bezirk] Gera.

Etwa 54 der Störungen sind auf die Verschleißfahrweise und auf die mangelnde Instandhaltung und Wartung der Anlagen zurückzuführen. Davon ist über die Hälfte der Störungen eingetreten, weil infolge fehlender Importmittel Ersatzteilimporte nicht durchgeführt werden konnten bzw. Grundmittel bis zu ihrem vollständigen Ausfall betrieben werden mussten. Der hohe Anteil dieser Störungsursachen weise nach Expertenmeinungen zugleich darauf hin, dass die technische Diagnostik und Verschleißteilforschung ungenügend, die Wartung und Pflege der Anlagen unzureichend seien und pvI–Maßnahmen nicht kontinuierlich durchgeführt würden.

(Diese grundsätzlichen Feststellungen werden im Bericht der Inspektion des Ministerrates vom 18.8.1986 im Zusammenhang mit Untersuchungen bezüglich der Realisierung der Grundsätze für die Gewährleistung einer hohen technologischen Disziplin, Ordnung und Sicherheit im VEB Chemische Werke Buna deutlich unterstrichen.1)

Die in der Chemischen Industrie – einer der Hauptverbraucher von Elektro- und Wärmeenergie in der DDR – installierten energiewirtschaftlichen Anlagen mit einer Leistung von 1 392 MW sowie einer Kapazität in der Dampferzeugung von ca. 19 000 t/Stunde weisen in den letzten Jahren zunehmend eine hohe Störanfälligkeit auf.

Das Anwachsen von Störungen an Dampferzeugern durch Nichtrealisierung des Bedarfes an Instandhaltungsleistungen führte allein im Jahre 1985 zu einem Ausfall von 225 Mio. Mark industrieller Warenproduktion.

Die Instabilität der Dampferzeuger hatte zur Folge, dass die vorhandenen Kapazitäten der Industriekraftwerke der Chemischen Industrie zur Erzeugung von Elektroenergie aufgrund von Dampfmangel im Zeitraum Oktober 1985 bis März 1986 im Durchschnitt nur zu 60,4 % genutzt werden konnten.

Die Verfügbarkeit der Hauptausrüstungen hat sich aufgrund der Altersstruktur der Anlagen, der Nichtdurchführbarkeit notwendiger Ersatzinvestitionen und der Erhöhung des Aschegehaltes in der Braunkohle weiter verringert. Etwa 55 % der Dampferzeuger und ca. 38 % der Turbinen haben die normative Nutzungsdauer überschritten. Circa 70 % der Störungen in den Industriekraftwerken und Heizwerken waren auf den Alters- und Verschleißzustand zurückzuführen.

Zur Sicherung des Prozessdampfbedarfs und der Verfügbarkeit von Elektroenergieerzeugungsanlagen leitete das Ministerium für Chemische Industrie ab 1986 Stabilisierungsmaßnahmen (ausschließlich auf die komplette Reparatur von Dampferzeugern konzentriert, u. a. Austausch von Rohrbündel, Erneuerung der Roste, Überhitzer und Vorwärmer) ein, die sich vor allem auf die Bereitstellung zusätzlicher Instandhaltungskapazitäten für die Kombinate/Betriebe VEB Kombinat Chemische Werke Buna, VEB Hydrierwerk Zeitz, VEB »Otto Grotewohl« Böhlen und VEB Chemiekombinat Bitterfeld konzentrieren.

(Zur Stabilisierung des Anlagenzustandes des Industriekraftwerkes im VEB Hydrierwerk Zeitz erfolgte im Jahre 1986 die Bestätigung eines »Maßnahme-Planes zur Sicherung der Winterbereitschaft 1986/87 und zur Stabilisierung des Industriekraftwerkes« in diesem Betrieb durch die Leitung des Ministeriums für Chemische Industrie.

Danach werden noch 1986 insgesamt neun Objekte mit einem Aufwand von rund 12 Mio. Mark erneuert bzw. komplex instandgesetzt: weitere 15 Objekte mit einem Aufwand von etwa 41,6 Mio. Mark folgen hauptsächlich im Jahre 1987. Der Baubeginn des Investitionsvorhabens »Neubau Industriekraftwerk Zeitz« ist für 1990 vorgesehen.)

Nach vorliegenden Erkenntnissen wird jedoch von Fachexperten die Realität dieser Stabilisierungsmaßnahmen infrage gestellt, da nach wie vor einige Kooperationsprobleme ungelöst sind, ein ungedeckter Bedarf an Montagekooperation besteht, Dampferzeuger-Druckteile nicht ausreichend zur Verfügung stehen und Importprobleme noch zu klären sind. Hinzu komme, dass der ungedeckte Bedarf an Turbinenersatzteilen und -Reparaturleistungen sowie andere Probleme erhebliche Behinderungen erwarten lassen.

Gleichermaßen vertreten Fachexperten die Auffassung, dass auch mit den im Rahmen des Fünfjahrplanes 1986 bis1990 für die genannten Kombinate (außer VEB »Otto Grotewohl« Böhlen) vorgesehenen Ersatzinvestitionen in Höhe von 1 245 Mio. Mark in Anbetracht der geschilderten Gesamtsituation in der Chemischen Industrie keine entscheidende Verbesserung der Lage erreicht werde.

Im Jahre 1986 werden in der Chemischen Industrie zentral geplante Großreparaturen an 45 Anlagen mit einem Aufwand von ca. 245 Mio. Mark durchgeführt. Voraussetzung für die Aufnahme von Großreparaturen in die zentrale Planung des MfC war jedoch der Nachweis einer damit verbundenen Leistungssteigerung bzw. zu erreichenden Aufwandssenkung z. B. bei Ausgangsstoffen, geringerem Energieeinsatz. Diese Bedingungen haben nach Expertenmeinungen aber dazu geführt, dass notwendige Sanierungen verschlissener Anlagen zum Teil nicht durchgeführt werden (beispielsweise die geplante Großreparatur des Ammoniakstranges im VEB Kombinat Agrochemie Piesteritz im Umfang von 25 Mio. Mark), weil dieser ökonomische Effekt nicht in jedem Falle nachgewiesen werden konnte.

Der hohe Verschleiß der chemischen und energetischen Anlagen insbesondere in den vorgenannten sechs Kombinaten der Chemischen Industrie hat zur Folge, dass diese Anlagen und Aggregate fast ausschließlich auf der Grundlage von Ausnahmegenehmigungen des Staatlichen Amtes für Technische Überwachung betrieben werden.

Auch die Erdölverarbeitungsanlagen in den Kombinaten VEB Petrolchemisches Kombinat Schwedt, [Bezirk] Frankfurt/Oder, und im VEB Kombinat Leuna-Werke »Walter Ulbricht« Merseburg können nur auf einer solchen Basis (dadurch z. B. erhöhte Brandgefahren wegen auftretender höherer Temperaturen an den Rohrleitungsflanschen) weiter produzieren.

Nach dem MfS vorliegenden Hinweisen besteht allerdings keine zentrale Übersicht über die bisher erteilten und mit Ausnahmegenehmigungen einschließlich der damit verbundenen Auflagen staatlicher Kontroll- und Überwachungsorgane betriebenen Produktionsanlagen in den Kombinaten der Chemischen Industrie. (Für den planmäßigen Abbau von Gefährdungen der Arbeits-, Produktions- oder Anlagensicherheit erscheint die Prüfung der Zweckmäßigkeit zur Schaffung einer solchen zentralen Übersicht und den Stand der Erarbeitung von Gefahren- bzw. Gefährdungsanalysen (entsprechende Verordnung über den Havarie-Schutz vom 13.8.1981)2 im MfC unbedingt erforderlich. Auch über die konsequente Realisierung der »Grundsätze für die Gewährleistung einer hohen technologischen Disziplin, Ordnung und Sicherheit in den Kombinaten und Betrieben zur Steigerung der Effektivität und Qualität der Produktion« sollte auf dieser Ebene eine entsprechende Übersicht erarbeitet werden.)

Das Störgeschehen in der Kohle- und Energiewirtschaft der DDR konzentrierte sich 1985 insbesondere auf Kraftwerksanlagen, Kohleveredelungsanlagen und das Verbundnetz für die Übertragung elektrischer Leistungen. Auch hier ist ein hoher Verschleißgrad vielfach Ursache für aufgetretene Störungen.

Im Jahre 1985 traten in den Braunkohlekraftwerken trotz umfangreicher Reparatur- und Instandhaltungsmaßnahmen insgesamt 971 Störungen, vorwiegend an Dampferzeugern, ein.

Der Verschleißzustand dieser konventionellen Wärmekraftwerke (erzeugen 83 % der Elektroenergie der DDR) ist gegenwärtig dadurch gekennzeichnet, dass 43 % älter als 20 Jahre sind. Bei über 50 % der auf der Basis von Rohbraunkohle, Gas oder Heizöl betriebenen Kraftwerke ist bei den Hauptausrüstungen die normative Nutzungsdauer von 100 000 Stunden überschritten. Nach Feststellungen einer vom Ministerrat der DDR berufenen Expertengruppe habe sich infolge der nichtausreichenden Grundinstandsetzungen und Modernisierungsmaßnahmen in den letzten 10 bis 15 Jahren der Anlagenzustand, vor allem der Dampferzeuger, erheblich verschlechtert. Das betreffe vor allem die drucktechnisch hochbeanspruchten Anlagenteile und Baugruppen (z. B. Armaturen, Rohrbögen und anderes mehr), bei denen im Interesse der Verhinderung von Versorgungsstörungen nach vorgenannten 100 000 Betriebsstunden Entscheidungen über deren Betriebsfähigkeit getroffen werden müssen. (Die 100-MW-Blöcke der ersten Generation in den Kraftwerken Lübbenau, Vetschau und Hagenwerder I haben eine Betriebszeit von 150 000 bis 200 000 Stunden erreicht.)

Auch die auf der Grundlage entsprechender Beschlüsse des Ministerrates der DDR 1985 bzw. im Verlaufe des Jahres 1986 realisierten Instandhaltungs- und Rekonstruktionsmaßnahmen reichten nach vorliegenden Expertenmeinungen nicht aus, um dieser negativen Entwicklung wirksam zu begegnen.

Sichtbarster Ausdruck sei die weitere Zunahme des Störgeschehens in den Braunkohlekraftwerken (Steigerung gegenüber dem Vergleichszeitraum 1985 um 14 %). Aufgrund dieser Störungen und reparaturbedingten Minderleistungen in den Kraftwerken mussten an einzelnen Tagen im Juli 1986 zur Aufrechterhaltung der Elektroenergieversorgung alle verfügbaren Kraftwerkskapazitäten, auch der auf der Basis von Heizöl- und Erdgasbetriebenen, mobilisiert werden.

Nach vorliegenden Einschätzungen reicht das Leistungsvermögen des VEB Kombinat Kraftwerksanlagenbau und seiner Kooperationspartner nicht mehr aus, um dem zunehmenden Verschleißzustand von Kraftwerksanlagen und daraus resultierenden Folgen wirksam begegnen zu können. Eine Lösung des Problems könne nach internen Hinweisen nur in einer überdurchschnittlichen Leistungssteigerung dieses Kombinates in den nächsten Jahren bestehen, wozu jedoch noch 1986 zentrale Entscheidungen zum Einsatz von Fonds und Kapazitäten zu treffen seien.

In der Information des MfS Nr. 140/86 vom 5. April 1986, wird u. a. dazu darauf hingewiesen, dass die Entwicklung des Leistungsvermögens des Kraftwerksanlagenbaus der DDR und seiner Kooperationspartner, insbesondere in den Bereichen des Bauwesens und der elektrotechnischen-elektronischen Industrie bisher nicht den Anforderungen zur Gewährleistung des planmäßigen Ausbaus der energetischen Basis entspreche. Ausgehend von der erforderlichen Entwicklung der Kapazitäten der Elektroenergieerzeugung und -übertragung machen nach Experteneinschätzungen die materiell-technischen Anforderungen zum Ausbau, zur Instandhaltung, Modernisierung und Rekonstruktion (u. a. teilweise verschlissene Kraftwerkskapazitäten von etwa 17 000 MW auf Braunkohlebasis) eine Kapazitätserweiterung in den Bereichen des Maschinenbaus, der Elektrotechnik/Elektronik und des Bauwesens bereits im Zeitraum bis 1990 in erheblichem Umfang notwendig.

Zur Sicherung einer bedarfsgerechten Elektroenergieversorgung müsse eine Profilierung bzw. Neustrukturierung in vorgenannten Industriezweigen erfolgen, um in wesentlichen Positionen die erforderliche zwei- bis drei-fache Leistungssteigerung zu gewährleisten. Experten weisen nachdrücklich auf die Notwendigkeit hin, dazu die Entscheidungen und Voraussetzungen noch 1986 zu treffen bzw. zu schaffen, da sonst die Deckung des Elektroenergiebedarfs im Zeitraum 1990 bis 2000 nicht mehr gesichert werden könne.

Der steigende Elektroenergiebedarf der Wirtschaft und der Bevölkerung im Jahre 1986 und im I. Quartal 1987 muss wegen der zeitlichen Verschiebung von Investitionen ohne die Inbetriebnahme neuer Kraftwerkskapazitäten gedeckt werden. Aufgrund dieser Situation könne nach Expertenmeinungen im Verlauf der Wintermonate 1986 und im I. Quartal 1987 die Elektroenergieversorgung (bei unterstellter voller Verfügbarkeit aller Kraftwerke und uneingeschränkter Sicherung der Planimporte) nur bei Temperaturen im Durchschnitt bis zu minus ein Grad Celsius gewährleistet werden.

Zur Gewährleistung der Stabilität des Elektroenergienetzes (Vermeidung frequenzabhängiger automatischer Flächenabschaltungen) würden im angegebenen Zeitraum Verbrauchseinschränkungen in der Industrie (elektroenergieintensive Produktionsprozesse) Reduzierungen der Verbrauchskontingente und die Einbeziehung weiterer Abnehmer in die Kontingentierung erforderlich werden. (Zu diesem Problem fasste der Ministerrat der DDR am 26.6.1986 entsprechende Beschlüsse.3)

Unabhängig davon bleiben jedoch die für eine stabile und störungsfreie Elektroenergieversorgung – auch bei eventuell notwendig werdenden Verbrauchseinschränkungen – vorhandenen erheblichen Unsicherheiten und Gefährdungen weiter bestehen.

Dazu müsse u. a. mit in Betracht gezogen werden, dass der in der Bilanz für die Elektroenergieversorgung im Winterhalbjahr 1986/87 zugrunde liegende Import von 300 MW aus der UdSSR nach internen Informationen aufgrund bestehender eigener Defizite nicht realisiert werden könne.

Nach weiter vorliegenden internen Hinweisen stellen vorhandene Konstruktions- und Fertigungsmängel an den neuen, im VEB Transformatorenwerk Oberschöneweide gefertigten 630 MVA-Blocktransformatoren eine erhebliche Gefährdung der Leistungsabführung der 500 MW-Blöcke im Kraftwerk Jänschwalde dar.

Die Analyse und die Bewertung der Betriebszuverlässigkeit der Blocktransformatoren in den Braunkohlekraftwerken sowie die Schlussfolgerungen für die Gewährleistung einer ausreichenden Reaktionsfähigkeit auf eintretende Gefährdungssituationen im Verlauf des Winterhalbjahres 1986/1987 seien verspätet vorgenommen worden. Nach wie vor bleiben trotz der eingeleiteten Maßnahmen die Unsicherheiten für die Leistungsabführung bestehen, da für die 500 MW-Blöcke bis Mitte Dezember 1986 kein Reservetransformator zur Verfügung steht.

Bei den fünf Havarie-gefährdeten Blocktransformatoren des Kraftwerkes Boxberg müssen die Durchgänge (NSW-Import) ausgewechselt werden; für den Havarie-gefährdeten Zustand der beiden Blocktransformatoren im Kraftwerk Hagenwerder bleibt im gesamten Winterhalbjahr 1986/87 die Betriebsgefährdung unverändert bestehen.

Weiteren Hinweisen zufolge steht für die Leistungsabführung von 100 MW-Kraftwerksblöcken bis zum Einsatz neu zu fertigender Transformatoren (ab etwa März 1987 zu erwarten) kein geeigneter Ersatz zur Verfügung, sodass es bei Ausfall eines dieser Blocktransformatoren automatisch zum Stillstand der betreffenden 100-MW-Blockeinheit kommt.

Weiteren Hinweisen zufolge haben elektrotechnische Betriebsmittel (Transformatoren, Wandler, Isolatoren, Bündelstützer und anderes mehr) nicht mehr die geforderte Standhaftigkeit innerhalb des Verbundnetzes. Trotz seit Jahren abgestimmter Programme zwischen den Ministerien für Kohle und Energie und für Elektrotechnik und Elektronik zum Austausch bzw. zur Sanierung gefährdeter Betriebsmittel verlaufe dieser Prozess sehr schleppend.

Auf dem Gebiet der Kohleveredelung sind insbesondere aufgrund des außerordentlich hohen physischen Verschleißzustandes die Produktions- und Anlagensicherheit der meisten der 49 produzierenden Brikettfabriken auf das Äußerste gefährdet.

Der Zustand der technischen Ausrüstungen und Anlagen (besonders Trockner/Pressen) und der Entstaubungsanlagen (neuralgischer Punkt) sowie der bauliche Zustand der überalterten Brikettfabriken (15 Brikettfabriken haben z. B. ein Betriebsalter von 80 bis 110 Jahren, 24 Brikettfabriken sind 65 bis 85 Jahre alt und lediglich vier Brikettfabriken haben eine Altersgrenze zwischen 45 und 60 bzw. 25 und 35 Jahren) macht es deshalb erforderlich, dass die Mehrzahl der Brikettfabriken auf der Grundlage befristeter und Ausnahmeregelungen (jährlich über 200) der Obersten Bergbehörde der DDR weiter betrieben werden können. (Eine Ausnahme davon machen lediglich die drei im Gaskombinat Schwarze Pumpe vorhandenen Brikettfabriken.)

Im VEB Braunkohleveredelung Espenhain, [Kreis] Borna, [Bezirk] Leipzig, ist beispielsweise der Alterungsprozess der Produktionsanlagen soweit fortgeschritten, dass für die Bausubstanz eine akute Einsturzgefahr besteht.

Wiederholt kam es zu unkontrollierten Schwefelwasserstoffaustritten und damit zu ernsthaften Gefährdungen für Leben und Gesundheit der Werktätigen dieses Betriebes. (Die Brikettfabrik arbeitet ebenfalls mit einer Vielzahl von der Obersten Bergbehörde erteilter Ausnahmegenehmigungen.)

Der hohe physische Verschleißzustand in den Brikettfabriken begünstigte in den vergangenen Jahren zwangsläufig das Entstehen von Havarien, Störungen und Bränden bzw. von Verpuffungen mit Brandfolgen.

Im Industriezweig Erzbergbau, Metallurgie und Kali bestehen nachfolgend genannte beachtenswerte Probleme bei der Gewährleistung der Produktionssicherheit:

Im VEB Bandstahlkominat »Hermann Matern« Eisenhüttenstadt, [Bezirk] Frankfurt/Oder, beeinträchtigt vor allem die unzureichende Verfügbarkeit von Krananlagen/Hebezeugen sowohl im Konverter-Stahlwerk als auch im Kaltwalzwerk des Eisenhüttenkombinates Ost eine kontinuierliche Produktion, was auf die Nichtbewältigung von Wartungs- und Revisionsmaßnahmen zurückgeführt wird.

Mängel in der Wartung und Pflege von Anlagen, Erscheinungen ungenügender Durchsetzung von Ordnung, Disziplin, Sicherheit und Sauberkeit sowie Verstöße gegen Technologien hatten 1985 im VEB Rohrkombinat Riesa 41 Brände zur Folge, die den Produktionsrhythmus dieses Kombinates störend beeinflussten.

Dem VEB Mansfeld Kombinat »Wilhelm Pieck« Eisleben, [Bezirk] Halle, stehen Umluft unabhängige Gasschutzanzüge zur Bekämpfung von Bränden PCB (Polychlorierte Biphenyle)-gefüllter Kondensatoren nicht in ausreichender Menge zur Verfügung. Damit ist eine wirksame Brandbekämpfung an betreffenden Produktionsanlagen nicht gesichert.

Im VEB Bergbau- und Hüttenkombinat »Albert Funk« Freiberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt,4 kann die Realisierung planmäßiger und anlagenzustandsabhängiger Instandhaltungsmaßnahmen nicht abgesichert werden.

Die Instandhaltungsbereiche in den Betrieben Hütte Muldenhütten, [Kreis] Freiberg und VEB Halbzeugwerk Auerhammer, [Kreis] Aue seien mit Facharbeitern und Fachingenieuren unterbesetzt und wegen bestehender Schwierigkeiten in der Ersatzteilversorgung nicht in der Lage, Produktionsstörungen vorzubeugen.

Im VEB Kombinat Kali Sondershausen, [Bezirk] Erfurt, sind nach vorliegenden Meinungen zwar ausreichende Regelungen zur Gewährleistung der vollen Verfügbarkeit der Produktionsanlagen vorhanden, diese würden aber nicht wirksam durchgesetzt. Das betreffe die Durchsetzung der technologischen Disziplin, die Bedienung, Pflege und Wartung von Maschinen und Anlagen und die Früherkennung von Schwachstellen durch regelmäßige Revision, einschließlich vorbeugender Reparaturen. Hierzu wurde eingeschätzt, dass es bei Leitern an »entsprechenden Positionen« zur Gewährleistung der Arbeits- und Produktionssicherheit und teilweise auch an fehlender Qualifikation zur Führung und Mobilisierung der Werktätigen mangele, was in den Abteilungen und Meisterbereichen der Produktion Maßnahmen zur Erhöhung der Verfügbarkeit von Produktionsmitteln behindere.

Nichtbereitstellung von Ersatzteilen (Batterien, mechanische und hydraulische Baugruppen) führten im VEB Kombinat zentraler Industrieanlagenbau der Metallurgie Berlin5 zu Problemen bei der Instandhaltung von Produktionsmitteln. Beispielsweise mussten für die Schmiedeproduktion erforderliche Gabelstapler aufgrund dessen stillgelegt werden.

Weitere dem MfS vorliegende Hinweise stimmen mit dem MdI vorliegenden Hinweisen und der vom MdI dem MfS übergebenen Aufstellung, »Ausgewählte Beispiele über Anlagen und Gebäude, die aufgrund des technischen Zustandes, des Alters sowie fehlender Instandhaltungskapazitäten einen hohen Verschleißgrad und damit auch einen ernsten Gefährdungszustand aufweisen«6, überein.

In dieser Aufstellung genannte Beispiele verweisen unter anderem darauf, dass insbesondere Gefährdungen an Farbgebungsanlagen in Einzelfällen gegenwärtig noch weiterbestehen.

Die in Auswertung von Großbränden in Farbgebungsanlagen (14.11.1984 VEB Schuhfabrik Meißen, 7.1.1985 VEB Traktoren- und Dieselmotorenwerk Schönebeck) in Durchsetzung beschlossener zentraler Maßnahmen von staatlichen Kontroll-, Sicherheits- und Schutzorganen (einschließlich MfS) durchgeführten vorbeugenden Untersuchungen im Jahre 1985 haben wesentlich dazu beigetragen, Gefährdungen an einer Reihe von Farbgebungsanlagen in Kombinaten und Betrieben aufzudecken und wirksam auf ihre Beseitigung Einfluss zu nehmen. Wiederholt war aus Bilanzgründen eine umgehende Ersetzung verschlissener Farbgebungsanlagen durch Errichtung neuer Anlagen nicht möglich, sodass diese mit Ausnahmegenehmigung weiterbetrieben werden mussten (u. a. die in der Aufstellung des MdI genannten Farbgebungsanlagen im VEB Robur-Werke Zittau vom IFA-Kombinat Nutzkraftwagen, VEB Nema Netzschkau vom Kombinat Luft- und Kältetechnik und in den VEB Lederwerke Hirschberg und Weida des Kombinates Schuhe).

Zu den vom MdI erarbeiteten Hinweisen zu letztgenannten Betrieben kann nach dem MfS vorliegenden Hinweisen hinsichtlich der Realisierung notwendiger Erfordernisse noch ergänzend hinzugefügt werden:

Die unter Punkt 4 genannte gefährdete Farbgebungsanlage im VEB Robur-Werke Zittau, Werk 3 – Bautzen – wird nach dem MfS vorliegenden Angaben entsprechend dem Beschluss zum NKW-Programm neu errichtet. Die für diese Zwecke erforderliche Produktionshalle befindet sich im Bau. Im Verlauf des Jahres 1987 sollen die Ausrüstungen der Farbgebungsanlage montiert werden.

Für die Produktion der VEB Lederwerke Hirschberg und Weida wird eine neue Farbgebungsanlage aus der SFRJ importiert, mit deren Montage ab 15.12.1986 begonnen wird und mit der ab 1.1.1987 die Farbgebung anlaufen soll.

  1. Zum nächsten Dokument Mindestumtausch 18.8.–24.8.1986

    28. August 1986
    Information Nr. 398/86 über die Entwicklung der Einnahmen aus der Durchführung des verbindlichen Mindestumtausches für die Zeit vom 18. August 1986 bis 24. August 1986

  2. Zum vorherigen Dokument Vorschlag zum Schreiben des Superintendenten aus Zossen

    [ohne Datum]
    Vorschlag hinsichtlich des Vorgehens im Zusammenhang mit der Beantwortung eines Schreibens des Superintendenten des Kirchenkreises Zossen, [Bezirk]Potsdam, Dr. Furian, an den Botschafter der UdSSR in der DDR [K 3/76]