Gegnerische Informationen über Luftverteidigungsübung
20. April 1986
Hinweis über dem Gegner zur Kenntnis gelangte Informationen im Zusammenhang mit der vom 2. bis 7. April 1986 stattgefundenen Luftverteidigungsübung »Granit 86« [K 2/38]
Im Zusammenhang mit der Durchführung der gemeinsamen Luftverteidigungsübung der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages1 (»Granit 86«) im Luftraum und auf dem Territorium der DDR, liegen dem MfS gesicherte Erkenntnisse darüber vor, dass gegnerische Kräfte dieser Übung große Bedeutung beimaßen und bereits vor deren Beginn verstärkte Aktivitäten zur funkelektronischen Land-, Luft- und Seeaufklärung sowie zur Kontrolle des Übungsverlaufes unternahmen.
Daran waren u. a. Fernmeldeaufklärungskräfte der Bundeswehr der BRD, US-Aufklärungs- bzw. Air-Force-Dienststellen, Flugzeuge vom Typ »E-3A« (AWACS), Schlachtschiffe und Fregatten der NATO sowie der Grenzschutz der BRD durch visuelle Aufklärung von Flughandlungen im grenznahen Raum der BRD beteiligt.
Insgesamt ist einzuschätzen, dass während der Übung »Granit 86« durch die teilnehmenden Kräfte der Warschauer Vertragsstaaten eine hohe Ordnung, Sicherheit, Disziplin und Geheimhaltung im Umgang mit den betriebenen Funk- und Drahtnachrichtenmitteln gewährleistet wurde.
Obwohl die Regeln der gedeckten Truppenführung eingehalten und gezielte Maßnahmen der Täuschung im Funkverkehr eingesetzt wurden, konnte der Gegner aus dem sprunghaften Ansteigen des Funkverkehrs in den Bereichen des militärischen Flugfunks Schlussfolgerungen auf den Beginn einer größeren Übung sowie auf zeitliche und territoriale Übungsschwerpunkte ziehen.
Vorliegenden Hinweisen zufolge war es dem Gegner nur in wenigen Einzelfällen möglich, durch den zielgerichteten Einsatz seiner elektronischen Aufklärungsmittel konkrete Hinweise zum Übungsverlauf »Granit 86« zu erlangen.
Dabei handelt es sich um folgende Verstöße und Mängel:
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Am 5. April 1986 erfolgte vermutlich durch technische Mängel das unkontrollierte Abstrahlen von Informationen auf dem Kommandokanal der Fla-Raketenabteilung 4121 Fürstenwalde, 1. LVD, LSK/LV. Dadurch war es dem Gegner möglich, zu Erkenntnissen über benutzte Frequenzen dieser Fla-Raketenabteilung zu gelangen.
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Am 5. April 1986, 10.36 Uhr und 12.00 Uhr, wurden durch Angehörige der Relaisstelle Wellenberg, 3. LVD, LSK/LV, in einer militärischen Richtfunkstrecke Verstöße gegen die Ordnung, Sicherheit und Geheimhaltung zugelassen.
Neben der offenen Übermittlung von Teilen der Übungsidee, des Übungsverlaufes, wurden Namen, Dienstgrade und private Angaben von NVA-Angehörigen übermittelt. Dadurch war es dem Gegner möglich, konkrete Angaben über Übungsverlauf, beteiligte Kräfte und territoriale Schwerpunkte zu erlangen.
Unter anderem wurden folgende Meldungen über diese Richtfunkstrecke offen abgestrahlt:
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»So, wir sind hier vorbereitet, Sie können also damit rechnen, dass Sie X + null ein Signal kriegen werden. Die Aufgaben sind heute so, dass wir mit zahlreichen Truppenverschiebungen rechnen. Überführungen von Nord nach Süd und von Süd nach Nord, auch in extrem niedrigen Höhen und dort wird der Schwerpunkt liegen. Ansonsten ist damit zu rechnen, dass eventuell bei weiteren Handlungen heute Störungen durch den Einsatz von Massenvernichtungswaffen zum Einsatz kommen.«
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»Grobe Orientierungen: Gestern wurden die Aufgaben sehr gut erfüllt. Wir hatten gestern über 300 Luftangriffsmittel zu bearbeiten und mit entsprechender Kooperation durch das Jagdfliegergeschwader und durch die Abteilung bekämpft.
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In der Organisation der Gefechtsarbeit wurde uns bescheinigt, dass wir sehr gut gearbeitet haben …«
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»Zu Ihrer Information: Zurzeit große Anflüge noch im Norden, große Höhe noch, also, 085 zehn Geräte im Raum Brandenburg, acht im Raum Dresden, die nächsten acht und im Süden kommen weitere dann …«
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Über diese einzelnen Verstöße gegen die Geheimhaltung und die Regeln der gedeckten Truppenführung wurden durch das MfS jeweils aktuell der Leitungsstab der NVA zur Übung »Granit 86« informiert, und es wurden sofortige Maßnahmen zur Gewährleistung der Geheimhaltung und zur weiteren Verhinderung des Geheimnisabflusses eingeleitet.
Weitere Erkenntnisse liegen nicht vor.