Geplante feindliche Aktivitäten zum 25. Jahrestag des Mauerbaus
[ohne Datum]
Information über Aktivitäten feindlicher Kräfte der BRD und Westberlins im Zusammenhang mit dem 25. Jahrestag der Errichtung des antifaschistischen Schutzwalls (Zeitraum 9. und 10. August 1986) [K 1/167]
Nach dem MfS vorliegenden internen und offiziellen Informationen führten feindliche Kräfte, insbesondere der BRD und Westberlins, anlässlich des 25. Jahrestages der Errichtung des antifaschistischen Schutzwalls1 wie geplant am 9. und 10. August 1986 eine Reihe gegen die DDR gerichteter provokatorischer Aktivitäten durch (vergleiche dazu Information des MfS Nr. 363/86 vom 4. August 1986).
Dabei traten hinlänglich bekannte rechtsgerichtete und revanchistische Kräfte, sogenannte Menschenrechtsorganisationen und andere Feindorganisationen als Organisatoren auf. Bonner Regierungskreise und der Westberliner Senat duldeten trotz wiederholter Hinweise der Regierung der DDR diese provokatorischen Aktivitäten und unterstützten sie insbesondere durch die Teilnahme führender Politiker an Hetzveranstaltungen.
Die Westberliner Polizei unternahm keine bzw. nur geringe Aktivitäten, um provokatorische Handlungen zu unterbinden und Ruhe und Ordnung im Grenzvorfeld zu gewährleisten.
Insgesamt ist es den Organisatoren der gegen die DDR gerichteten feindlichen Kampagne jedoch nicht gelungen, ihre Zielsetzung durchzusetzen, den 25. Jahrestag der Errichtung des antifaschistischen Schutzwalls zu einer weltweiten Diskreditierung der DDR und der Politik der SED zu missbrauchen und darüber hinaus die ordnungsgemäße Abfertigung des grenzüberschreitenden Personen- und Fahrzeugverkehrs von und nach Westberlin zu beeinträchtigen.
Insbesondere ist es ihnen auch nicht gelungen, breite Bevölkerungskreise von Westberlin in die geplanten Provokationen einzubeziehen. Das fand seinen Ausdruck darin, dass statt der erwarteten 20 000 bis 30 000 Teilnehmer an der geplanten »Menschenkette« sich daran lediglich ca.1 000 bis 1 200 Personen beteiligten.
Im Ergebnis zielgerichteter abgestimmter Maßnahmen der Schutz- und Sicherheitsorgane gelang es, bestimmte feindliche Kräfte in ihrem Vorgehen zu verunsichern und die Wirksamkeit ihrer feindlichen Vorhaben vorbeugend zurückzudrängen.
Die qualifizierte politisch und politisch-operative Instruierung der zum Schutz der Staatsgrenze eingesetzten Sicherungskräfte der DDR gewährleistete durchgängig ein der Lage angepasstes verantwortungsvolles diszipliniertes und umsichtiges Verhalten, wodurch ebenfalls beabsichtigte großangelegte Provokationen feindlicher Kräfte wirksam verhindert werden konnten.
Ungeachtet dessen kam es zu schwerwiegenden Provokationen, an denen nach dem MfS intern vorliegenden Hinweisen insbesondere von der sogenannten Arbeitsgemeinschaft 13. August2 inspirierte Personen beteiligt waren.
So drangen am 9. und 10. August 1986 im Zeitraum von ca. 18.30 Uhr bis gegen 1.00 Uhr aus dem Westberliner Hinterland kommende Provokateure wiederholt widerrechtlich in das dem unmittelbaren Kontrollbereich der Grenzübergangsstelle Friedrich-/Zimmerstraße vorgelegte [sic!] Territorium der DDR ein, beschimpften die Grenzsicherungskräfte und verleumdeten die gesellschaftlichen Verhältnisse der DDR, bestiegen die Grenzmauer und bewarfen den Kontrollbereich der Grenzübergangsstelle mit Flaschen, Steinen und anderen Gegenständen, beschädigten durch gewaltsame Einwirkung die Mechanik der Passagetore und die Ampelanlage, rissen einen Fahnenmast um, an dem sich die Staatsflagge der DDR befand, zerrissen diese Fahne und zündeten sie an (vergleiche Information des MfS Nr. 368/86 vom 10. August 1986).
Aus der Vielzahl der im Zeitraum des 9. und 10. August 1986 insgesamt durchgeführten provokatorischen Aktivitäten im Zusammenhang mit dem 25. Jahrestag der Errichtung des antifaschistischen Schutzwalls sind weiter beachtenswert:
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Die am Abend des 9. August 1986 von der »Arbeitsgemeinschaft 13. August« inszenierte durchgehende »Menschenkette« vom Westberliner Grenzkontrollpunkt Checkpoint Charlie zum Hochstand Bernauer Straße kam trotz intensiver Aktivitäten der Organisatoren und weiterer feindlicher Kräfte nur in Segmenten zustande (u. a. am sogenannten Reichstagsufer ca. 100 Personen, im Bereich der Grenzübergangsstelle Friedrich-/Zimmerstraße ca. 400 Personen). Im Allgemeinen lösten sich die Menschenansammlungen nach kurzer Zeit auf. Während einer sogenannten Abschlusskundgebung zu dieser Aktion vor dem ehemaligen Reichstagsgebäude (ca. 500 Personen) kam es zu einer Reihe von Provokationen (Besteigen der auf dem Territorium der DDR gelegenen Grenzmauer im Sicherungsabschnitt Brandenburger Tor, Bewerfen des Gebietes der DDR mit Gegenständen – ein Angehöriger der Grenzsicherungskräfte wurde verletzt –, Beschädigen und Anzünden von Sichtblenden). In Reden hetzerischen Inhalts traten der Vorsitzende der »Arbeitsgemeinschaft 13. August«, Hildebrandt,3 sowie der angebliche Initiator der »Menschenkette«, Lennartz,4 auf.
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Auf einem »Markt der Möglichkeiten« rund um die Westberliner Gedächtniskirche am 9. August 1986 verbreiteten solche Feindorganisationen wie die »Arbeitsgemeinschaft 13. August«, die »Internationale Gesellschaft für Menschenrechte«5 und der »Bund der Vertriebenen« Hetzmaterialien gegen die DDR und popularisierten darüber hinaus ihre gegen die DDR gerichteten Ziele und Absichten mittels sogenannter Informationsstände. Während einer dort ihren Anfang nehmenden Demonstration zum Fehrbelliner Platz wurden u. a. schwarze Kreuze und Transparente mit Losungen gegen die Schutzmaßnahmen der DDR vom 13. August 1961 mitgeführt. (Während der Demonstration verließ nach vorliegenden Hinweisen ein erheblicher Teil der Demonstranten den Zug.)
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Auf dem Fehrbelliner Platz begann gegen 15.30 Uhr die von der »Jungen Union«6 organisierte Hetzkundgebung (ca. 4 500 Personen), auf der der Regierende Bürgermeister von Berlin (West), Diepgen,7 der Botschafter der USA in der BRD, Burt,8 der Parlamentarische Staatssekretär im Bundeskanzleramt, Lorenz,9 sowie der Bundesvorsitzende der »Jungen Union«, Böhr,10 sprachen. Ihre Reden beinhalteten Angriffe gegen die Grenzsicherungsmaßnahmen der DDR zu Westberlin, die Politik von Partei und Regierung der DDR zur Gewährleistung der Menschenrechte und waren mit verleumderischen Äußerungen zur Haltung der DDR zur Asylantenproblematik11 verbunden (Reden liegen im Wortlaut vor).
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Am 9. August 1986 führte die »Junge Union« in der Großgaststätte »Prälat Schöneberg« ein sogenanntes Menschenrechtsforum durch (ca. 300 Personen), auf dem der Gesandte der USA in Westberlin, Kornblum,12 hetzerische Angriffe gegen die DDR und andere sozialistische Staaten führte. Der hinlänglich bekannte ehemalige DDR-Bürger Siegmar Faust13 forderte zu Reisen in die DDR auf, um das »System mit würdevollen, humanen Mitteln zu destabilisieren«.
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Am 10. August 1986 sendete das 1. Fernsehen der BRD (ARD) die geplante und angekündigte hetzerische Reportage des WDR mit dem Titel »Entlang der Staatsgrenze«. In dieser Hetzsendung wurden in Interviews geäußerte Auffassungen hinlänglich bekannter ehemaliger DDR-Bürger wie Jürgen Fuchs14 und Wolf Biermann,15 längerfristig sich in der BRD aufhaltender Bürger der DDR wie Jurek Becker16 sowie bekannter Schriftsteller der DDR wie Stephan Hermlin17 und Stefan Heym18 popularisiert; darüber hinaus Meinungen von Personen – darunter von fahnenflüchtigen Grenzsoldaten, die die DDR ungesetzlich verlassen haben.
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Vorwiegend wurde in verleumderischer, hetzerischer und provozierender Art und Weise zum Fakt der Grenzsicherung im Jahre 1961 sowie der damit im Zusammenhang entstandenen Lage Stellung genommen. Stephan Hermlin erklärte, dass die »Mauer« ein Faktum sei und sich nur aus der Welt schaffen lasse, indem sich beide deutsche Staaten einander näherkommen.
Zu einer Reihe von Veranstaltungen im Zusammenhang mit dem »13. August«, darunter der »Deutschlandpolitischen Studientagung« der »Jungen Union« vom 8. bis 13. August 1986, liegen dem MfS zurzeit noch keine Informationen hinsichtlich Inhalt und Verlauf vor.