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Geplante Gratulationen zur Wahl des Vorsitzenden des Staatsrates

[ohne Datum]
Zu einer geplanten Gratulationscour anlässlich der Wahl des Vorsitzenden des Staatsrates der DDR [K 3/75]

Nach dem MfS vorliegenden Hinweisen beabsichtigte der Stellvertreter des Vorsitzenden des Staatsrates, Gerald Götting,1 kirchenleitende Kräfte der evangelischen und katholischen Kirchen sowie Religionsgemeinschaften in der DDR anlässlich der Wahl des Vorsitzenden des Staatsrates,2 zu einer Gratulationscour zu veranlassen.

Laut Mitteilung des Sekretärs des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR, Oberkirchenrat Ziegler,3 am 10. Juni 1986 gegenüber dem Hauptabteilungsleiter im Staatssekretariat für Kirchenfragen, Genossen Heinrich,4 sind die evangelischen Bischöfe nicht gewillt, an der Gratulationscour teilzunehmen. Sie möchten keinen Ersatz für ein Spitzengespräch mit dem Genossen Erich Honecker,5 und befürchten außerdem einen Vertrauensverlust bei ihren Kirchengemeinden.

Darüber hinaus wurde intern bekannt, dass Bischof Leich6 auch deshalb an der Gratulationscour nicht teilnehmen könne, da ihm bekannt sei, dass Kardinal Meisner7 zu einer Gratulationscour nicht erscheint (Kardinal Meisner blieb auch der Volkswahl am 8. Juni 1986 fern).

Was die Teilnahme des Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft »Christliche Kirchen« (Zusammenschluss aller Religionsgemeinschaften in der DDR), Kirchenpräsident Natho,8 betrifft, gab es bisher keine Hinderungsgründe. Ebenso nicht beim Präsidenten des Verbandes der Jüdischen Gemeinden in der DDR, Aris.9

  1. Zum nächsten Dokument Mindestumtausch 2.6.–8.6.1986

    11. Juni 1986
    Information Nr. 277/86 über die Entwicklung der Einnahmen aus der Durchführung des verbindlichen Mindestumtausches für die Zeit vom 2. Juni 1986 bis 8. Juni 1986
  2. Zum vorherigen Dokument Provokation an der Berliner Mauer durch einen US-Bürger (3)

    10. Juni 1986
    Information Nr. 276/86 über die Festnahme eines Staatsbürgers der USA nach rechtswidrigem Eindringen in das Staatsgebiet der DDR in Berlin-Mitte, Friedrich-/Zimmerstraße, am 9. Juni 1986

  1. Gerald Götting, Jg. 1923, Funktionär der Ost-CDU, 1949–66 Generalsekretär und 1966–89 Vorsitzender der CDU in der DDR, 1960–89 stellv. Vorsitzender des Staatsrates.

  2. Am 8.6.1986 fanden die Wahlen zur 9. Volkskammer statt. Bei den Wahlen in der DDR handelte es sich bis 1990 um Scheinwahlen, bei denen die Wahlberechtigten faktisch nur einer schon feststehenden Kandidatenliste der »Nationalen Front« zustimmen konnten. In der Nationalen Front versammelten sich die SED, die Blockparteien sowie gesellschaftliche Massenorganisationen. Die absolute Vormachtstellung der SED war dabei stets abgesichert. Im Anschluss an die Volkskammerwahl wählte die neue Volkskammer Erich Honecker formal erneut für fünf Jahre zum Vorsitzenden des Staatsrates.

  3. Martin Ziegler, Jg. 1931, evangelischer Theologe, 1968–74 Superintendent in Merseburg, 1975–83 Direktor des Diakonischen Werks der Inneren Mission, übernahm 1983 als Oberkirchenrat und Nachfolger von Manfred Stolpe die Leitung des Sekretariats des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR.

  4. Peter Heinrich, Jg. 1940, SED-Funktionär, 1967–74 Hauptreferent für Kirchenfragen beim Rat der Stadt Leipzig, 1982–90 Hauptabteilungsleiter im Staatssekretariat für Kirchenfragen zuständig für Rechtsfragen, arbeitete zugleich als OibE für die Hauptabteilung XX/4 des MfS.

  5. Erich Honecker, Jg. 1912, SED-Funktionär, 1958–89 Mitglied des Politbüros, ab 1971 Erster Sekretär, ab 1976 Generalsekretär der SED, 1971–89 Vorsitzender des Nationalen Verteidigungsrates, 1976–89 Vorsitzender des Staatsrates.

  6. Werner Leich, Jg. 1927, evangelischer Theologe, 1954–69 Pfarrer in Wurzbach, 1969–78 Superintendent in Lobenstein, 1978–92 Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen, 1980–83 Vorsitzender des kirchlichen Lutherkomitees zum Lutherjahr 1983, 1986–90 Vorsitzender der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR.

  7. Joachim Meisner, Jg. 1933, katholischer Theologe, 1962 Priesterweihe, 1975–80 Bischof von Erfurt, 1980–89 Bischof von Berlin, ab 1983 Kardinal, 1990–2014 Erzbischof von Köln.

  8. Eberhard Natho, Jg. 1932, evangelischer Theologe, 1970–94 Kirchenpräsident der Evangelischen Landeskirche Anhalts, ab 1971 Pfarrer in der St.-Georg-Gemeinde in Dessau, 1981–90 Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in der DDR.

  9. Helmut Aris, Jg. 1908, Kaufmann und Funktionär, während der NS-Zeit Repressalien ausgesetzt, jedoch aufgrund seiner Ehe mit einer Nicht-Jüdin nicht deportiert, 1940–45 Zwangsarbeit als Transportarbeiter in Dresden, 1945–65 leitende kaufmännische Funktionen in verschiedenen Industriebetrieben, ab 1953 Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Dresden, 1962–87 Vorsitzender des Verbandes der Jüdischen Gemeinden der DDR, 1962–87 Mitglied des Präsidiums des Nationalrates der Nationalen Front.