Gewaltsamer Grenzdurchbruch am Checkpoint Charlie
29. August 1986
Information Nr. 408/86 über einen gewaltsamen Grenzdurchbruch DDR-Berlin (West) über die Grenzübergangsstelle Friedrich-/Zimmerstraße in Berlin-Mitte
Am 29.8.1986, gegen 0.05 Uhr, durchbrach der DDR-Bürger Pofahl, Hans-Joachim1 (32), geboren am [Tag, Monat, Jahr], wohnhaft gewesen in [Straße, Nr.], Berlin-Johannisthal2 1157, Disponent im VEB Autotrans, Betriebsteil Johannisthal, mittels eines Nutzkraftwagens des VEB Autotrans Berlin, Typ Skoda-Kipper (LIAZ), die Grenzübergangsstelle Friedrich-/Zimmerstraße in Berlin-Mitte
Der NKW, in dem sich neben dem Pofahl noch eine weibliche Person sowie ein Kind befanden, hatte sich der Grenzübergangsstelle – aus Richtung Friedrichstraße kommend – mit überhöhter Geschwindigkeit (ca. 60 km/h) genähert, durchbrach den verkehrsregulierenden Schlagbaum auf der Einreisespur für den bevorrechteten Reiseverkehr (Diplomaten, Angehörige der in Westberlin stationierten drei westlichen Besatzungsmächte) sowie in der weiteren Folge die geschlossene verkehrsregulierende Passagesperre auf der äußeren rechten Ausreisespur für KOM, eine gleiche Sperre am Ende des Kontrollbereiches für KOM und das sich – aufgrund der sofort erfolgten Alarmauslösung – schließende Passagetor auf der Ein- und Ausreisespur des allgemeinen Reiseverkehrs. Alle durchfahrenen verkehrsregulierenden Anlagen im Bereich der Grenzübergangsstelle wurden völlig zerstört.
Die vom Täter durchfahrene Strecke von der Einfahrt in die Grenzübergangsstelle bis zum Sicherungsbereich I – Ausfahrt aus dem Kontrollterritorium in den Grenzstreckenabschnitt – beträgt ca. 150 m. (Die an der Ausfahrt des Kontrollterritoriums befindlichen Sperranlagen »horizontale Sperrschlagbäume« schließen erst nach 13 Sekunden vollständig. Zur Vermeidung von schweren Unfällen mit Fahrzeugen, die sich zum Zeitpunkt der Alarmauslösung verkehrsbedingt unmittelbar in diesem Bereich der Sperranlagen befinden, erfolgt die Schließung derselben mit einer Verzögerungszeit von sechs Sekunden. Diese Sperranlagen sind so ausgelegt, dass ein Durchbrechen mit Kraftfahrzeugen normalerweise nicht möglich ist; die Kraftfahrzeuginsassen würden in Abhängigkeit von der Aufprallgeschwindigkeit schwerste bis tödliche Verletzungen erleiden können.) Aufgrund des kurzen GÜST-Territoriums und der hohen Fahrgeschwindigkeit (Durchfahrt erfolgte in weniger als neun Sekunden) konnten die Sperranlagen deshalb nicht wirksam werden. Die Sperranlagen schlossen sich unmittelbar nach dem Passieren des Tatfahrzeuges.
Eine Schusswaffenanwendung war unter den gegebenen Bedingungen ohne die Gefährdung von Leben und Gesundheit anderer Personen und der Sicherungskräfte nicht möglich.3
Bisherigen Untersuchungen zufolge hatte der Täter den von ihm benutzten Lkw-Kipper, der mit vier Tonnen Sand beladen war, unbefugt benutzt und das Gelände des Betriebsteiles Baustofftransporte Johannisthal des VEB Autotrans durch das Vorweisen eines von ihm selbstgefertigten Fahrauftrages verlassen.4
Bei der Durchführung des Grenzdurchbruchs nutzte der Täter offenkundig den Umstand aus, dass gegenwärtig im Angrenzungsbereich der Grenzübergangsstelle aufgrund der laufenden Baumaßnahmen ständig Bewegungen von Baufahrzeugen (auch in den Nachtstunden) bis unmittelbar an die Grenzübergangsstelle erfolgen. Dadurch sind die Möglichkeiten des frühzeitigen Erkennens von überraschenden Versuchen des Eindringens und Durchbrechens des Territoriums der Grenzübergangsstelle mit entsprechenden Fahrzeugen wesentlich eingeschränkt.
Nach dem gewaltsamen Grenzdurchbruch – der Täter fuhr ohne Halt in Richtung Stadtinneres von Westberlin – erfolgten durch gegnerische Kräfte fotografische Dokumentationen in Richtung der Grenzübergangsstelle. Westliche Medien berichteten über dieses Vorkommnis.
Entsprechend vorliegenden Hinweisen handelt es sich bei dem Täter um einen im Betriebsteil Baustofftransporte des VEB Autotrans tätig gewesenen Disponenten, der für eine Ausbildung als Berufskraftfahrer vorgesehen war. [Passage mit schutzwürdigen Informationen nicht wiedergegeben].
Ein von ihm im Dezember 1985 gestelltes Ersuchen um Übersiedlung5 nach Westberlin, dass er mit dem Wunsch der Übersiedlung zu seiner Freundin (im Januar 1986 nach Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR nach Westberlin übergesiedelt) begründete, hatte er im Mai 1986 selbst zurückgenommen. Bei ihm handelt es sich um einen labilen Menschen mit einer negativen politischen Grundeinstellung. Bisherigen Untersuchungen zufolge handelt es sich bei der in Begleitung des Täters befindlich gewesenen weiblichen Person mit hoher Wahrscheinlichkeit um seine Freundin Ley, Martina6 (26, [Passage mit schutzwürdigen Informationen nicht wiedergegeben] Übersiedlungsersuchende nach Westberlin seit November 1985).
Im Ergebnis der an der Grenzübergangsstelle im Zusammenwirken mit den Grenztruppen der DDR geführten Untersuchungen ist einzuschätzen, dass die eingesetzten Kräfte der Organe des Zusammenwirkens gemäß den festgelegten Varianten gehandelt haben.
Im Zusammenwirken mit den Grenztruppen der DDR werden Untersuchungen zu Möglichkeiten der Erhöhung der Sicherheit an der Grenzübergangsstelle – bei Beachtung ihres besonderen Charakters – geführt.
Die Untersuchungen werden fortgesetzt. Maßnahmen zur Rückführung des Fahrzeuges wurden eingeleitet.