Havarie in der Emulgator-Fabrik des VEB Chemische Werke Buna
24. November 1986
Information Nr. 527/86 über bisher vorliegende Ergebnisse der Untersuchung der Havarie in der Emulgator-Fabrik des VEB Chemische Werke Buna Schkopau, [Kreis] Merseburg, [Bezirk] Halle, am 11. November 1986
Am 11. November 1986, gegen 14.15 Uhr, kam es bei der Durchführung von Reparaturarbeiten an einer Kondensat-Sammelanlage zum Zerbersten eines Heißkondensat-Behälters in der Emulgator-Fabrik (Bau E 45) des VEB Chemische Werke Buna Schkopau, [Kreis] Merseburg, [Bezirk] Halle (Betriebsdirektion Organische Spezialprodukte).
Durch die dabei entstandene Druckwelle und austretenden Dampf wurden fünf Betriebsangehörige teilweise lebensgefährlich verletzt, von denen zwischenzeitlich zwei Personen verstarben; für einen weiteren Verletzten besteht weiterhin Lebensgefahr.
Nach vorläufigen Angaben der Kombinatsleitung des VEB Chemische Werke Buna entstand ein Sachschaden in Höhe von etwa 1,1 Mio. Mark.
Aufgrund des vorhandenen Bestandes an Emulgatoren (werden für die Synthesekautschuk-Herstellung verwendet) traten keine Störungen in den nachgeordneten Produktionsbereichen ein.
Durch die Havarie wurden Phenol- und Kaltkondensat-Behälter sowie Rohrleitungen und Pumpen aus ihren Befestigungen gerissen und beschädigt.
Darüber hinaus sind Teile der Betondecke zwischen dem Kellergeschoss und der 1. Etage sowie Arbeitsbühnen zerstört worden.
Nach der Schaffung eines Provisoriums für die Kondensat- und Wasserversorgung konnte die Emulgator-Fabrik am 16.11.1986 mit etwa 60 % ihrer Kapazität die Produktion wieder aufnehmen.
Die unverzüglich gemeinsam mit der Deutschen Volkspolizei und Experten des Staatlichen Amtes für Technische Überwachung der DDR eingeleiteten Untersuchungen zur Aufklärung der Ursachen und begünstigenden Bedingungen ergaben bisher, dass durch die mit der Reparaturdurchführung beauftragten Betriebsangehörigen der Schieber Nummer 5 in der Dampfleitung zwischen dem später havarierten Heißkondensat-Behälter und dem Rohrbündelwärmeübertrager II (RWÜ II) geschlossen wurde, was letztendlich zu einem Druckaufbau und zum nachfolgenden Zerbersten des Heißkondensat-Behälters führte.
Zur Gewährleistung einer gefahrlosen Durchführung der Reparaturmaßnahmen (teilweise Auswechselung einer Kaltwasserleitung zum RWÜ II) hätten nach Schließung des Schiebers Nummer 5 vorhandene Entspannungsleitungen am Heißkondensat-Behälter geöffnet werden müssen, was jedoch aus nicht mehr zu klärenden Gründen unterblieb. (Der mit der Leitung der Reparatur beauftragte Schlosser ist zwischenzeitlich seinen schweren Verletzungen erlegen; der für die Vorbereitung der Reparatur verantwortliche Meister wurde lebensgefährlich verletzt und ist nicht ansprechbar.)
Begünstigend für den Eintritt des Schadensfalles wirkten sich nach Hinweisen der Experten, die Anfang der siebziger Jahre aus energiewirtschaftlichen Erwägungen vorgenommenen Veränderungen am Heißkondensat-Behälter aus. Mit dem Ziel einer rationelleren Energienutzung wurde eine Rohrleitung errichtet, wodurch die im Kondensat-Behälter entstehenden Dämpfe zum RWÜ II geleitet und zur Aufheizung von kaltem Wasser genutzt wurden. In diesem Zusammenhang wurden gleichzeitig die vorhandenen Einrichtungen zur Entspannung des Dampfes in die Atmosphäre geschlossen.
Bei diesen vorgenommenen Veränderungen unterblieb jedoch der erforderliche Einbau eines selbsttätigen, auf unzulässigen Druckaufbau reagierenden Sicherheitsventils am Heißkondensat-Behälter, um unabhängig von veränderten Schieberstellungen einen Druckaufbau in diesem Behälter zu verhindern (Verstoß gegen TGL 30 330).1
Entsprechende Angaben zu den Gründen und zu den Verantwortlichen sind nicht möglich, da die betreffenden Schaltunterlagen gegenwärtig nicht auffindbar sind. Für die havarierte Anlage mussten deshalb nach der Havarie die Lagepläne erst gefertigt werden.
Insgesamt haben die bisher geführten Untersuchungen erneut deutlich gemacht, dass im Stammbetrieb des VEB Chemische Werke Buna nach wie vor erhebliche Mängel bei der Gewährleistung der technischen Sicherheit und technologischen Ordnung bestehen.
Die weiteren Untersuchungen konzentrieren sich insbesondere auf die Herausarbeitung von Hinweisen zur Feststellung von Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit den am Heißkondensat-Behälter vorgenommenen Veränderungen und deren Personifizierung.
Die Untersuchungen werden fortgesetzt, nach dem Vorliegen der endgültigen Ergebnisse wird nachinformiert.2