Illegaler oppositioneller Radiosender in Berlin (1)
1. November 1986
Information Nr. 491/86 über das Betreiben eines illegalen Hörrundfunksenders vom Territorium Berlin (West) aus gegen die DDR
Westliche Medien verbreiteten am 30. Oktober 1986 die Meldung, dass am Folgetag (31. Oktober 1986) um 22.00 Uhr auf der UKW-Frequenz 99,2 Megahertz erstmals in der DDR ein »alternativer, unabhängiger Radiosender« in Betrieb gehen solle, mittels dem sogenannte alternative Gruppen in der DDR »auf einem neuen Gebiet eine Ausdrucksform« zu finden beabsichtigen.1
Darüber hinaus wurden durch bisher unbekannte Personen mit der Zielstellung, auf dieses Vorhaben aufmerksam zu machen, in den Stadtbezirken Prenzlauer Berg und Friedrichshain in der Hauptstadt der DDR, Berlin, einzelne mittels Kinderdruckkasten gefertigte Handzettel mit dem Text: »Weitersagen! Der erste unabhängige Sender in der DDR. 31.10./22.00 Uhr/UKW 99,2 MHz« abgelegt.
Die durch das MfS unverzüglich eingeleiteten Maßnahmen zur Aufklärung und Unterbindung der mit dem Betreiben des illegalen Radiosenders gegen die DDR gerichteten subversiven Aktivitäten hatten zum Ergebnis:
Am 31. Oktober 1986 in der Zeit von 22.00 bis 22.24 Uhr erfolgte über die angegebene Frequenz die Ausstrahlung einer gegen die DDR gerichteten Rundfunksendung.
Als Standort des Senders konnte eindeutig das Territorium von Berlin (West) – Gebiet um den U-Bahnhof Gneisenaustraße, Stadtbezirk Kreuzberg – geortet werden. Seine Reichweite umfasst das gesamte Gebiet der Hauptstadt der DDR, Berlin.
Der Sender bezeichnete sich zur Eröffnung der Sendung als »Schwarzer Kanal, als erster unabhängiger Informationsverdreher in der DDR«.
In der überwiegend durch Worttexte gestalteten, mit Rockmusik aufgelockerten Sendung (Wortaufzeichnung als Anlage zur Information) werden, ausgehend von der Havarie im Kernkraftwerk Tschernobyl/UdSSR,2 die Energiepolitik und die Informationspolitik der DDR angegriffen und verunglimpft, führende Politiker der DDR herabgewürdigt und verleumdet und wird dazu aufgerufen, u. a. mittels des sogenannten gewaltfreien Widerstandes (rhythmisches Ein- und Abschalten der Hausenergieversorgung) gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung der DDR und die Politik von Partei und Regierung aufzutreten.
Zum Abschluss der Sendung wurde angekündigt, jeden letzten Freitag im Monat auf einer noch nicht festgelegten Frequenz senden zu wollen.
Es wird vorgeschlagen, unverzüglich durch das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR gegenüber dem Westberliner Senat Protest einzulegen. Der Protest könnte wie folgt lauten:
Am 31. Oktober 1986 ist unter missbräuchlicher Nutzung der UKW-Frequenz 99,2 MHz von Berlin (West) aus eine Sendung ausgestrahlt werden, die in grober Verletzung internationaler Gepflogenheiten den Eindruck erwecken sollte, dass sie vom Territorium der DDR aus gesendet wurde.
Dieses Vorgehen stellt einen ernsten Verstoß gegen die bestehenden vertraglichen Regelungen auf dem Gebiet des Post- und Fernmeldewesens und der in den Dokumenten des Internationalen Fernmeldevereins enthaltenen Grundsätze dar.
Durch das widerrechtliche Betreiben dieses in Berlin (West) installierten Senders wird der störungsfreie Empfang genehmigter und koordinierter Hörrundfunksender auf dem Territorium der DDR erheblich beeinträchtigt.
Das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR protestiert energisch gegen die von Berlin (West) ausgehende Provokation und fordert, dass der Senat von Berlin (West) unverzüglich entsprechende wirksame Maßnahmen zur Unterbindung dieses widerrechtlichen Vorgehens ergreift.
Die DDR würde sich andernfalls gezwungen sehen, entsprechende Schritte zur Wahrung ihrer Interessen einzuleiten.
Darüber hinaus sollte das Ministerium für Post- und Fernmeldewesen der DDR gegenüber der Landespostdirektion von Berlin (West) ebenfalls in geeigneter Form Protest einlegen und entsprechende Maßnahmen zur konsequenten Unterbindung fordern.
Anlage zur Information Nr. 491/86
Wiedergabe des Inhaltes der Sendung des illegalen Senders »Schwarzer Kanal« vom 31. Oktober 1986
(Beginn mit Zeitzeichen für 22.00 Uhr)
Weibliche Stimme: es ist zehn Uhr (Zeitzeichen)
Es ist zehn Uhr usw.
Männlicher Sprecher 1:
Guten Abend, hier ist der schwarze Kanal, der erste unabhängige Informationsverdreher in der Deutschen Demokratischen Republik. Wir senden direkt aus dem Primärkreislauf des AKW Rheinsberg.3
Dieses Örtchen erscheint uns wegen der hohen Sicherheitsanforderungen an diese Sendung besonders geeignet. Leider muss das Sendeteam anonym bleiben. Stellt also um unseretwegen keine Vermutungen an, das ist Sicherheit. Im Übrigen verspüren wir nicht die geringste Lust, für diese paar Sätze und Melodien unsere schöne Anlage loszuwerden und vielleicht noch in den Knast zu wandern.
Heiß hier – 300 Grad Celsius, aber meine Siedetemperatur liegt bei 100 Grad Celsius, ich melde mich also aus dem anderen Aggregatzustand, da bin ich wenigstens … hüben und drüben.
Verbreitete gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse nach Tschernobyl konnten uns einfach nicht beruhigen. Dieser vielen Schönfärberei müssen wir unsere schwarzen Meldungen entgegenhalten. Da wir in der ganzen DDR gehört werden, wird die Wirkung katastrophal sein. Die Herren Schnitzler und Löwenthal werden schwarz und gelb anlaufen, wenn sie unsere Einschaltquoten erfahren und die werden sie erfahren.4
(Gelächter)
Also, gegen die Verblödung aus dem Westen und das Informationsmonopol unserer Tattergreise, schafft viele schwarze Kanäle, als demokratische Sendeanstalt lassen wir die Opposition gleich im Vorspann zu Wort kommen. Wir brauchen ein in sich geschlossenes Biotop der Unbeschwertheit, um die Folgenschwere der Unbeschwertheit zu erforschen.
Und hier noch ein Zitat aus dem letzten Politbürooptimistikel: Ja unsere Zukunft wird utopisch, das sage ich isotopisch.
(Musik: glücklich ist, wer vergisst, was doch nicht zu ändern ist)
(Gelächter)
(Musik: Trink mit mir, sing mit mir – glücklich ist, wer vergisst, was nicht mehr zu ändern ist)
Um dem Verdacht vorzubeugen, dass hier Politclowns oder Zyniker am Werke sind, einige Zusammenhänge, wie wir sie sehen, abwiegeln ist nicht unsere Sache, darin übt sich schon die Atommafia in Ost und West:
Ein Beispiel: In Zwickau hat man den Kollegen des dortigen Uranabbaubetriebes versucht einzureden, dass die radioaktiven Niederschläge nach Tschernobyl ihnen nichts ausmachen würden, da sie durch ihre langjährige Arbeit im Uranbergbau gegen die Strahlen abgehärtet seien.
(Gelächter)
Die USA zündeten 1945 in der Wüste von Nevada ihre erste Atombombe und warfen ihre zweite und dritte auf Hiroshima und Nagasaki.5 Ziel der Amis war, der SU Stärke und Macht zu demonstrieren. Letztere zog nach und testete 1949 ihre erste Atombombe. Am 27. Juni 1954 wurde in der UdSSR das erste Atomkraftwerk in der Welt in Betrieb genommen.6 Die Russen brachten die Losung von der friedlichen Nutzung des Atoms heraus, die im Gegensatz zur militärischen stehen sollte.
So sah das auch die Antiatombewegung der 50er-Jahre und richtete ihre Kampagnen und Demonstrationen gegen die Aufrüstung mit Atomwaffen und nicht auch gegen die angeblich friedliche Nutzung der Kernenergie. In den USA wurde die Schaffung des Kernenergieprogramms weniger durch den Energiebedarf motiviert als durch die Hoffnung, den erschreckenden Ausblick auf einen Atomkrieg mit einer friedlichen Fassade zu bemänteln, die aus den Reden von Eisenhower ersichtlich wurde. Die sogenannte friedliche und die militärische Nutzung von Kernenergie sind nicht voneinander zu trennen. Durch den Verbrennungsprozess im Reaktor kann bombenfähiges Plutonium hergestellt werden. Heute haben sich ca. 30 Staaten die Möglichkeit geschaffen, durch ihre Reaktoren Atombomben herzustellen. In der DDR begann der Weg zur Kernkraft 1958, als im Zentralinstitut für Kernforschung in Rossendorf ein sowjetischer Forschungsreaktor in Betrieb genommen wurde. Gleichzeitig wurde das AKW Rheinsberg projektiert. Rheinsberg, 75 km von Berlin entfernt, ging 1966 mit einer Leistung von 70 Megawatt ans Netz. 1973 folgte AKW Nord, Lubmin bei Greifswald. Dort stehen vier 440 Megawatt-Blöcke. Weitere vier sollen bis 1990 hinzukommen.
Beide AKW, Rheinsberg und Lubmin, erzeugen zusammen rund elf Prozent der Elektroenergie bzw. drei Prozent der Gesamtenergie in der DDR.
1980 begann der Bau von AKW Stendal. Einige Bewohner Stendals haben ihre Stadt, nach der Katastrophe in Tschernobyl, in Stenobyl umbenannt. Und der Ausbau der Kernenergie geht weiter. Stendal soll 1991 ans Netz, was den Kernkraftanteil an der Elektroenergieerzeugung auf ca. 15 Prozent erhöhen wird. Die Direktive des XI. Parteitages zum Fünfjahrplan fordert, dass Voraussetzungen zur Errichtung und Inbetriebnahme weiterer AKW-Kapazitäten nach 1990 geschaffen werden.7 lm Jahre 2000 sollen ca. 30 bis 40 Prozent der Elektroenergie aus AKW kommen.
(Musik: glücklich ist, wer vergisst, was doch nicht zu ändern ist)
Wir sollen uns keinen falschen Hoffnungen hingeben, dass sich hier alsbald etwas ändern wird, auch wenn Herr Honecker in seinem Interview mit den Schweden und Griechen geäußert hat, dass das letzte Wort in Sachen Atomenergie in der DDR noch nicht gesprochen sei und man alles sorgfältig prüfen werde.8
(Gelächter)
Honeckers Zynismus nach Tschernobyl, dass für die DDR-Bevölkerung keinerlei Gefährdungen vorhanden wären, zumal wir Ordnungsliebenden den Salat ja mehrfach waschen würden, sollten wir nicht vergessen. Das heißt also, wer Schaden nimmt, ist also ein Dreckschwein.
(Pfiffe)
Bis heute hat es unsere Obrigkeit nicht für nötig befunden, die gemessenen radioaktiven Niederschläge, die Werte im Boden, Wasser und [in] Lebensmitteln, zu veröffentlichen. Sie liegen in den Tresoren unter Verschluss. Mitarbeiter wissenschaftlicher Institute, die selbstständige Messungen durchführten und ihre Bekannten daraufhin warnten, Milch und andere Nahrungsmittel zu sich zu nehmen, wurden von der Stasi verwarnt und bedroht. Sie sollten keine Unruhe stiften.
Die Entmündigung ist hochgradig vorangeschritten, das System der organisierten Verantwortungslosigkeit weit ausgebaut. Oberstes Gebot ist die Friedhofsruhe. Auch jetzt schweigen die staatlichen Stellen, obwohl klar ist, dass die radioaktiven Werte in der Milch, den Milchprodukten, Rind- und Hammelfleisch im Winter wieder ansteigen werden. Zwar ist das radioaktive Jod abgebaut, aber durch die jetzt beginnende Fütterung mit dem im Mai und Juni geernteten Heu und durch den darin enthaltenen hohen Cäsiumanteil wird die radioaktive Belastung wieder zunehmen. Und jede zunehmende Belastung bedeutet ein Anwachsen von Krebs und Leukämieerkrankungen, bedeutet, dass mehr Kinder mit Schädigungen geboren werden.
Besonders Schwangere müssen auf ihre Ernährung achten, da der Fötus durch die radioaktiven Isotope besonders angreifbar ist. Es gibt keine ungefährliche Radioaktivität, nur gefährliche politische und ökonomische Interessen. Man hätte viele Lebensmittel als Sondermüll aus dem Verkehr ziehen müssen. Damit wäre die Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt verloren gegangen. Deshalb haben viele Länder die radioaktiven Grenzwerte mehrfach heraufgesetzt. Einbußen auf dem Agrarsektor sollten somit vermieden werden. Auch bei uns haben viele Leute nach Tschernobyl den Mund aufgemacht. Offensichtlich haben die kapiert, dass es um ihr eigenes Leben geht. Die Gefahren der Kernenergie, sowie die Aktionen der Anti-AKW-Bewegung im Westen, waren vorher, auch in der Friedens- und Ökologiebewegung der DDR, kein Thema.
Wir sollten aufpassen, dass es den Bonzen nicht gelingt, uns wieder einzulullen. Unsere Forderung heißt: »Abschalten der AKW und zwar sofort.« Alternativen gibt es. Die durchzusetzen bedarf es einer breiten Volksbewegung gegen die Kernenergie.
Auf die Einsicht der Bürokraten und ihrer gekauften Wissenschaftler zu hoffen, ist sinnlos. Alles, was wir jetzt über die Gefahren der Kernenergie und ihre Alternativen erfahren, ist den Experten schon seit Jahren bekannt. Nur hat man uns dieses Wissen vorenthalten. Die Bürokraten haben sich vorgenommen, uns zu politischen und fachlichen Analphabeten zu machen. Der oberste weiseste Rat im Politbüro umgibt sich mit dem Nimbus, alles zu wissen und im Griff zu haben.
Was dabei herauskommt, nennt sich dann Planung. Wir sollten anfangen, ihnen kräftig in die Suppe zu spucken.
(Musik: Biermann: In dieser irren Zeit)
Männlicher Sprecher 2:
Es gäbe natürlich wieder keine Fragen, wenn ich sie nicht stellen würde. Ich richte sie an unseren Geigi. Dein bürgerlicher Name ist Geigerzähler. Du hattest in der letzten Zeit leider wieder starken Ausschlag. Ich freue mich, dass du dich trotzdem herbeibemüht hast.
Meine erste Frage: Was hat dich nach Tschernobyl am meisten gefreut?
Männlicher Sprecher 3:
Das reichhaltige Angebot hat mich schon beeindruckt. Besonders die Erdbeeren aus polnischen Landen. Meinen Kindern konnte ich den fürsorglichen Rat unseres Landesvaters Onkel Ho9 mit erhobenem Zeigefinger zelebrieren, erst den Salat waschen. Wann hört man sonst einen Haushaltstipp aus dem ZK.
Sprecher 2:
Stimmt, das nenne ich Sorge um den Menschen. Vitamine statt Panikmache für unsere Kinder.
Sprecher 3:
Ja, ich hörte auch, dass viele Kinder im Westen nach Tschernobyl keine Milch trinken durften. So etwas gibt es bei uns nicht. Hier steht der Mensch im Mittelpunkt.
Sprecher 2:
Oder besser in der Schusslinie.
Sprecher 3:
Das habe ich nicht gesagt, in dem Punkt steh ich ganz hinter der Regierung, eine radioaktive Bevölkerung ist besser als eine beunruhigte. Außerdem, wie sollen sich unsere Kinder mit Radioaktivität auseinandersetzen, wenn sie nicht damit konfrontiert werden?
Das hat man bei uns erkannt. In den Kindergärten wurde auch in der kritischen Zeit in Sandkästen und auf Wiesen gespielt.
Sprecher 2:
Sind bei unseren Kleinen nennenswerte Krankheiten beobachtet worden?
Sprecher 3:
Nein, nur verschweigenswerte, obwohl im September ein Rundschreiben in den Kindergärten eintrudelte, was Fragen nach Kinderkrankheiten seit Mai stellte.
Sprecher 2:
Apropos, gibt es Pseudokrupp10 in der DDR?
Sprecher 3:
Das hängt von der Gesinnung des behandelnden Mediziners ab. Aber im Prinzip nein, genauso wenig wie Smog. Ich sagte bereits, hier steht der Mensch im Mittelpunkt.
Sprecher 2:
Oder im Industriemüll?
Sprecher 3:
Das habe ich nicht gesagt, hier gibt es Rhabarbersaft in nie dagewesenen Mengen. Geradezu kommunistische Verteilungsmethoden haben das erste Mal nach Absatzschwierigkeiten von Rhabarber funktioniert. Da wurde verschenkt. Ich möcht die Gelegenheit nutzen, um im schwarzen Kanal Dank zu sagen.
Sprecher 2:
Bitte, was würdest du sagen, wenn in Bälde die Krebserkrankungen zunehmen würden?
Sprecher 3:
Nichts, weil ich das nicht erfahren würde.
Sprecher 2:
Und wenn du nun selber Krebs bekämst?
Sprecher 3:
Ich würde eine Eingabe schreiben, ich vermute auch dann die Bearbeitungsfrist zu überleben. Das nenn ich Konsequenz, wahrlich revolutionär.
Sprecher 2:
Was sagst du zur Greenpeace-Aktion vor dem Ministerium für Umweltschutz der DDR, Kalisalz aus der Werra an den Absender zurückzuschicken?11
Sprecher 3:
Ehrlich Leute, wer gibt heutzutage noch was zurück?
Die krummen Hunde bei uns trauen sich so was nicht. Die abgestorbenen Bäume vors Ministerium gepackt, würden allerdings auch die Barrikaden aussetzen. Das wäre Bürgerkrieg und das hieße Kriegsrecht und dann würden Köpfe rollen und …
Sprecher 2:
Aber, aber Geigi.
Sprecher 3:
Es würde mich schon freuen, wenn die gesunden Bäume z. B. am Wanderweg an der Panke stehenblieben.
Sprecher 2:
Was meinst du zur letzten Streikmeldung aus Rumänien?
Ich habe erfahren, Streikende hatten mit Steinen Ceauşescus Maschine an der Landung gehindert?12
Sprecher 3:
Das ist bei uns nicht möglich. Schönefeld ist betoniert. Außerdem, wir haben hier den permanenten Bummelstreik und einen starken Verwaltungsapparat als Streikposten, da kommt keiner dran vorbei.
Sprecher 2:
Aber bitte Geigi, bleib auf dem Teppich, doch zurück zum Thema. Arbatow13 bezeichnet die Tschernobyl-Katastrophe als Atombombenexplosion in der Atmosphäre. Du bist Mechaniker im Kühlsystem des AKW Rheinsberg, welche Hoffnung lässt dich hier arbeiten?
Sprecher 3:
Meine Zentralhoffnung ist knapp. Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß und außerdem, Rohrleitungen und Primärkreislauf sind auf einen Riss von zehn Zentimeter vorbereitet. Wir führen mit den Rohren Schulungen durch, die Rohre erhielten die Direktive, nicht größer zu reißen. Ich hoffe auf die Linientreue aller Rohre.
Geigi, du Ignorant.
Na, das ist die beste Lebenshilfe. Oder Sterbehilfe.
Das habe ich nicht gesagt. Deshalb gehe ich im E-Fall14 in den Betonkeller. Ich habe zur ZV-Übung15 gelernt, obwohl ich weiß, dass mich dort die Verseuchung mit Edelgasen zuerst erquickt. Allerdings bin ich für eine Verjüngung unserer Führung, weil die im E-Fall die einzigen wären, die in ihrem Wandlitzer Luxusbunker16 den Fortbestand der DDR-Bevölkerung ervögeln könnten. Das bedeutet auch, mehr Frauen ins ZK. Ich fordere für den Fortbestand der DDR-Bevölkerung bald ein potentes ZK.
Sprecher 2:
Keine Sauereien, Geigi.
Sprecher 3:
Doch.
Sprecher 2:
Geigi, ich danke dir für dieses Interview. Das Sendeteam wünscht Geigi natürlich ebenfalls ein isotopes toi, toi, toi.
Sprecher 1:
Unser fliegender Reporter hat noch eine lukullische Kostbarkeit frisch in unsere Sender flattern lassen. Als er letztens die F-97 in Richtung Cottbus langpreschte, übermannte ihn in Schwepnitz, kurz vor Bernsdorf, der schnöde Hunger. Er fleetzte sich in die Gaststätte und erlag fast einem fleischlichen Glücksgefühl.
Vier Elchgerichte auf der Speisekarte, doch da fiel ihm der weise Rat unseres Teams ein. Friss nicht so viel und schon gar nicht das, was es sonst nicht gibt. Der clevere DDR-Außenhandel hat offensichtlich dem spottbilligen Elchfleisch aus Skandinavien nicht widerstehen können, um hier mit farbigen Speisekarten das große Geschäft zu machen. Die Dussel aus der DDR werden’s schon fressen und Radioaktivität knirscht ja nicht zwischen den Zähnen. Mit unserem Reporterchen haben sie Nullgeschäft gemacht.
Der war politisch geschult und das ist besser als eine Kalorientabelle. Falls der eine oder die andere der zahlreichen Hörerschar sowas in der Art zum Besten geben kann, freuen wir uns über Zuschriften. Preise gibt es keine, eine Quizfrage haben wir für euch nicht auf der Pfanne. Aber dafür einen Vorschlag für einen nationalen Protesttag garantiert von unten (metallische Klopfgeräusche).
Doch erst mal müssen wir den Sendestandort wechseln. Irgendwer hat hier gegen die Rohre geklopft. Klang ziemlich bullig. Wir machen mal schnell erst mal Musik.
Lied (BRD-Gruppe BAP)
Da sind wir wieder, diesmal aus dem Plenarsaal der Volkskammer.
Die haben’s aber schnucklig, mit Klimaanlage und weichen Stühlchen. Da muss man ja einfach ja sagen. Doch jetzt unser Vorschlag zum Protesttag, der bei 10%iger Beteiligung der Bevölkerung zeigen würde, dass sie wirklich noch 10%ig sind; die auch nach der Wahl noch ’ne Stimme haben. Soll ja nur 0,000 sein.17
Also jetzt kommt ganz dicht ran: Alle schalten sämtliche elektrischen Geräte in ihrem Haushalt ein und drehen beim Gong der Tagesschau um 20.00 Uhr die Sicherung raus. Nach genau fünf Minuten wieder reindrehen und das mehrfach in Fünf-Minuten-Rhythmus wiederholen und fertig. Wenn’s klappt, fliegen in den Kraftwerken die Sicherungen durch. Das ist erstmal nur ein Vorschlag, wir müssen noch diskutieren. Es kann ja auch sein, dass die Masse wegen Ermangelung eines Fernsehprogramms vögeln geht, was die Geburtenrate zugunsten der NVA verschieben könnte. Wir besprechen das alles noch und werden euch zur nächsten Sendung informieren.
Und jetzt kommt das dicke Ding, das die Bonzen fuchtig werden lässt. Wir senden jeden letzten Freitag im Monat, 22.00 Uhr, weitersagen:
Schwarzer Kanal jeden letzten Freitag im Monat, 22.00 Uhr, am besten mitschneiden und den Kumpels vorspielen. Falls der eine oder andere nicht vom Kneipenstuhl hochkommt, abends um 10, jeden letzten Freitag im Monat, so, deutlicher gehts nun wirklich nicht, wenn’s irgendwelche Hinweise und Zuschriften gibt, hier unsere Adresse.
Alle schwarzen Briefkästen mit garantierter Selbstentleerung. Zurzeit steht unsere Frequenz noch nicht fest, das wird sich aber ändern.
Sucht erstmal die Skala ab, wer sucht, der findet.
So, jetzt müssen wir Schluss machen. Irgendwer will eine Rede halten, die Massen rücken ein, die 500 Ja-Sager. Ist wahrscheinlich ’ne Generalprobe für die nächste Gesetzesverabschiedung.
Frisches Elchfleisch auf jeden Tisch.
Der schwarze Kanal wünscht guten Appetit, macht’s gut.
(Lied)