Interne Auswertung der Berliner Bischofskonferenz
30. Juni 1986
Information Nr. 304/86 über eine interne Auswertung der Sitzung der katholischen »Berliner Bischofskonferenz« (BBK) am 2./3. Juni 1986
Streng internen Hinweisen zufolge fand im engsten Kreis um Bischof Wanke,1 Bischöfliches Amt Erfurt/Meiningen, eine Auswertung der »Berliner Bischofskonferenz« statt.
Hauptgegenstand der Tagung der BBK, an der alle Bischöfe aus der DDR teilgenommen hatten, sei die Beratung des den Bischöfen vorgelegenen Entwurfs eines pastoralen Schreibens – bestimmt für alle Priester der katholischen Kirche in der DDR – zum Thema »Die katholische Kirche im sozialistischen Staat« gewesen.2
Ausgelöst durch diesen Entwurf soll es unter den Bischöfen zu einer Grundsatzdebatte über das Verhältnis Staat-Kirche gekommen sein.
Mehrere Bischöfe hätten die Frage aufgeworfen, wie das gegenwärtige Entgegenkommen des Staates in Sachfragen, so z. B. die erfolgte Zustimmung zum geplanten Katholikentreffen 1987 in Dresden,3 erteilte Genehmigungen von Dienstreisen für Priester in das nichtsozialistische Ausland sowie für kirchliche Baumaßnahmen, zu bewerten sei. Nach längerer Diskussion habe man mit der Auffassung Kardinal Meisners4 übereingestimmt, alle derartigen Entscheidungen als Ausdruck des taktischen Verhaltens des Staates gegenüber der katholischen Kirche zu werten.
Ausgehend von der Feststellung, dass sich der Staat eines Tages dazu entschließen könnte, den Kirchen ihr Existenzrecht mit der Begründung streitig zu machen, sie seien gesellschaftlich unnütz oder schädlich, habe Kardinal Meisner geschlussfolgert, eine echte Partnerschaft mit dem Staat sei nicht möglich. Die katholische Kirche wäre deshalb gezwungen, in Grundfragen gegenüber dem Staat ebenfalls zu taktieren.
Den von Bischof Wanke unterbreiteten Formulierungsvorschlägen zum vorliegenden Entwurf des pastoralen Schreibens, die katholische Kirche in der DDR als »Kirche im verordneten Sozialismus« bzw. als »Kirche im Atheismus« zu bezeichnen, sei von der Mehrzahl der Anwesenden nicht zugestimmt worden. Die SED als führende Partei in der DDR – so wäre argumentiert worden – sei zwar auf den Atheismus eingeschworen, doch könne man Staat und Atheismus nicht völlig vermischen, da sonst jenen Gläubigen, die in bestimmten staatlichen Einrichtungen oder gesellschaftlichen Bereichen tätig seien, Unrecht widerfahre.
Aus ähnlichen Erwägungen heraus dürfe auch die CDU als Partei nicht pauschal abgelehnt werden, da in ihren Reihen Katholiken aus ehrlicher Überzeugung mitwirkten. Diese erarbeiteten Standpunkte müssten in dem pastoralen Schreiben Berücksichtigung finden.
Im Ergebnis der teilweise kontrovers verlaufenen Aussprache sollen die Bischöfe übereingekommen sein, den Entwurf des pastoralen Schreibens unter Berücksichtigung der eingebrachten Veränderungsvorschläge zu überarbeiten und auf der für September 1986 vorgesehenen turnusmäßigen Sitzung der BBK erneut zu beraten und wenn möglich zu bestätigen. Es sei jedoch bereits erörtert worden, diesen Brief nach erfolgter Bestätigung bei Versendung an die Priester mit einem Anschreiben des jeweils zuständigen Amtsbischofs zu versehen, in dem ausdrücklich darauf verwiesen wird, ihn nur für die pastorale Tätigkeit zu nutzen, jedoch nicht zu veröffentlichen bzw. von den Kanzeln zu verlesen.
Die Sitzung der BBK habe des Weiteren zum Stand der Vorbereitung des Katholikentreffens in Dresden (10. bis 12. Juli 1987) Stellung genommen. Den Ausführungen Bischof Schaffrans/Bistum Dresden-Meißen5 zufolge erstreckten sich die intensiven Vorbereitungen zentraler und örtlicher kirchlicher Kommissionen auf alle Amtsbereiche der katholischen Kirche in der DDR. Offensichtlich im Interesse einer Aufwertung der Stellung des Bistums Dresden-Meißen und der Person des Bischofs Schaffran seien die seitens dieses Bistums eingesetzten Organisatoren bestrebt, das Katholikentreffen durch eine Erweiterung der Thematik und die Einladung »prominenter« Gäste noch attraktiver zu gestalten.
In diesem Zusammenhang wäre die Aufnahme solcher Themen wie »Der Frieden als Aufgabe« und »Die Kirche als soziale Aufgabe« sowie die Einladung des BRD-Arbeitsministers Norbert Blüm6 (CDU) und der BRD-Schriftstellerin Luise Rinser7 (engagiertes Mitglied der BRD-Friedensbewegung) erwogen worden. Auf der Sitzung der BBK sei unter Bezugnahme auf diese Ergänzungsvorschläge der zentrale Charakter des Katholikentreffens unterstrichen und betont worden, dass alle Entscheidungen über Inhalt und Verlauf des Treffens ausschließlich durch die BBK und deren Beauftragte getroffen wurden. Um dieser Position Nachdruck zu verleihen, habe man festgelegt, den vom Bistum Dresden-Meißen eingesetzten Moderatoren (Gesprächsleitern) von Arbeitskreisen je einen Beauftragten der BBK zuzuordnen.
Die Mitglieder der BBK hätten sich dafür ausgesprochen, die Bischöfe aller Nachbarstaaten der DDR sowie aus der Litauischen Sozialistischen Sowjetrepublik, der UVR, Österreich und aus allen skandinavischen Ländern nach Dresden einzuladen. Außerdem sei ihr Interesse an der Einladung »hochrangiger« Vertreter des »Zentralkomitees der deutschen Katholiken« (ZdK) – BRD, – (Präsident Dr. Hans Maier,8 CSU, Staatsminister für Unterricht und Kultus im Land Bayern sowie Generalsekretär Dr. Friedrich Kronenberg,9 CDU, Mitglied des Bundestages) deutlich geworden.
Es sei vorgesehen, alle Vorschläge einzuladender Gäste mit dem Staatssekretär für Kirchenfragen abzustimmen. Ungeachtet dessen hätten mehrere Bischöfe auf der Sitzung der BBK unter Hinweis auf die Reisebestimmungen der DDR auf die Möglichkeit der Einreise aller interessierten Ausländer nach Dresden zum Zeitpunkt des Katholikentreffens verwiesen.
Derartige Personen könnten nach ihrer Auffassung an allen öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen, würden jedoch nicht als Gäste des Treffens begrüßt oder als solche betrachtet.
Auf Vorschlag Kardinal Meisners sei durch die BBK der gegenwärtig als Generalvikar in Schwerin tätige Josef Michelfeit10 (49 Jahre) zum neuen Generalsekretär der »Berliner Bischofskonferenz« gewählt worden (Michelfeit löst in dieser Funktion Prälat Paul Dissemond11 ab, der aus Alters- und Gesundheitsgründen zurücktritt. Michelfeit trat bisher noch nicht politisch negativ in Erscheinung). Die ursprünglich erst für September 1986 vorgesehene Wahl sei erfolgt, um vorhandenen Gerüchten und Spekulationen um die Person des Nachfolgers entgegenzuwirken.
Die BBK habe sich darüber hinaus mit weiteren innerkirchlichen Fragen, darunter mit der Priesterausbildung und mit Stellungnahmen zu innerkirchlichen Vorgängen befasst.
Weihbischof Hubrich/Magdeburg12 sei entgegen dem Willen von Bischof Braun/Magdeburg13 in seiner Funktion als Mitglied des Europäischen Bischofsrates bestätigt worden.
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