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Interne Meinungsäußerungen zur Berliner Bischofskonferenz (2)

20. März 1986
Information Nr. 126/86 über interne Meinungsäußerungen zum Verlauf der Sitzung der katholischen »Berliner Bischofskonferenz« (BBK) am 3./4. März 1986

Dem MfS wurden streng intern Meinungsäußerungen katholischer kirchenleitender Kräfte aus dem Bereich des Bischöflichen Amtes Erfurt/Meiningen zur turnusmäßigen Beratung der »Berliner Bischofskonferenz«,1 die am 3./4. März 1986 in der Residenz von Kardinal Meisner2 stattfand, bekannt.

An der Sitzung nahmen alle katholischen Bischöfe aus der DDR teil. Wegen der Abwesenheit von Kardinal Meisner (Kuraufenthalt in Österreich) hatte dessen Stellvertreter, Bischof Wanke/Erfurt,3 den Vorsitz.

In der Sitzung sei eine Reihe bemerkenswerter Probleme mit gesellschaftspolitischen Bezügen behandelt worden, auf die im Folgenden eingegangen wird:

In der Sitzung habe den Bischöfen der Entwurf eines Schreibens der BBK an alle Priester vorgelegen, in dem u. a. Stellung genommen wurde zum Verhältnis der katholischen Kirche zum Staat, zum Auftrag der Kirche und dessen Erfüllung unter sozialistischen Verhältnissen, zum Inhalt von Hirtenbriefen und weiteren Positionen der katholischen Kirche auf den verschiedensten Gebieten, wobei generell auf ihre Eigenständigkeit und Identität verwiesen wurde.4

Dieser Brief sollte eine Hilfe für die Priester darstellen, Antworten auf Fragen seitens gläubiger Katholiken geben (u. a. auf Anfragen zu Gesprächen der katholischen Kirche mit Vertretern des Staates, zur Einschätzung der Position der »Berliner Konferenz Europäischer Katholiken«, zur Jugendweihe).5

Trotz der Bedeutung dieses Briefes für weitere Vorhaben der BBK – er stelle z. B. die Voraussetzung für einen geplanten Hirtenbrief zu Fragen der sozialistischen Lebensweise dar, in dem auch erneut zur Jugendweihe aus katholischer Sicht Stellung bezogen werden solle – sei dieser von den Bischöfen in der Konferenz nur zur Kenntnis genommen, aber nicht diskutiert worden. Es sei festgelegt worden, die Verabschiedung des Briefes auf der nächsten turnusmäßigen Sitzung (2./3. Juni 1986)6 in Anwesenheit von Kardinal Meisner vorzunehmen, der auch der Initiator des Briefes sei.

(Maßnahmen zur Beschaffung des Briefes wurden eingeleitet.)

Auf der Sitzung der BBK sei nach weiter vorliegenden Hinweisen festgelegt worden, am Sonntag, dem 16. März 1986 in allen Gottesdiensten eine gleichlautende Einladung zur Teilnahme am Katholikentreffen in Dresden (10. bis 12. Juli 1987)7 zu verlesen (ist nach vorliegenden Informationen erfolgt).

In der Einladung wird auf das Leitwort des Treffens »Gottes Macht – Unsere Hoffnung« verwiesen und darauf orientiert, es u. a. durch Predigten und Gespräche in den verschiedensten Gruppen gut vorzubereiten. Ausdrücklich sei darauf aufmerksam gemacht worden, dass staatliche Stellen ihre Unterstützung, bezogen auf das Katholikentreffen, zugesagt hätten.

Während der Sitzung der BBK wurde Bischof Schaffran8 zum Vorwurf gemacht, gegen innerkirchliche Festlegungen verstoßen zu haben, da er ohne Befugnis dem Wunsch des Staatssekretärs für Kirchenfragen zu einem Gespräch bezüglich des Katholikentreffens nachgekommen sei. Richtiger wäre es gewesen, wenn mindestens ein weiterer Vertreter der BBK an dem Gespräch teilgenommen hätte.

Ferner wurde Bischof Schaffran vorgehalten, der BBK sei bekannt geworden, dass er der geplanten Veröffentlichung eines Kommuniqués über das Gespräch Gysi9– Schaffran zugestimmt habe, ohne dazu befugt gewesen zu sein.10 (Dieses Kommuniqué gelangte nicht zur Veröffentlichung.)

Es sei betont worden, die BBK werde auch künftig nicht zulassen, dass einzelne Bischöfe ohne Einbeziehung zentraler kirchlicher Stellen tätig werden und von den staatlichen Behörden als »Spielball gegen ihre eigenen Interessen ausgenutzt werden« könnten.

Bischof Schaffran habe sich zu rechtfertigen versucht, indem er betonte, im Mittelpunkt des Gespräches mit dem Staatssekretär für Kirchenfragen habe die Bezeichnung für das Treffen gestanden. Er habe sich hinsichtlich der Bezeichnung »Katholikentreffen 1987« gegenüber dem Staatssekretär, der für die Bezeichnung »Katholikentreffen 87« plädiert hätte, durchsetzen können. Bischof Schaffran wurde auch zu diesem Problem erklärt, dass dieser Einsatz nicht gerechtfertigt sei.

Bischof Wanke äußerte hierzu, dass diese »Rechtfertigung« Bischof Schaffrans dessen »desolaten Zustand« zeige, denn in einem bereits vor längerer Zeit gefassten Beschluss der BBK wäre die Bezeichnung »Katholikentreffen 87« bestätigt worden, und die BBK wäre nun gezwungen, diesen Beschluss aufzuheben und die Staatssekretär Gysi »angeblich abgetrotzte Bezeichnung« zu beschließen.

Bischof Wanke informierte im streng internen Kreis darüber, dass ihm in Vorbereitung der BBK-Tagung Kardinal Meisner mitgeteilt habe, keine Diskussion über die Frage einer möglichen Teilnahme des Papstes11 am Katholikentreffen in Dresden zuzulassen. »Unter dem Siegel der Verschwiegenheit« (hiervon hätten nur der Kardinal und er Kenntnis, und kein Bischof sei hierüber zu informieren) habe der Kardinal ihn wissen lassen, dass seitens des Papstes gegenwärtig geprüft werde, ob er die Möglichkeit habe, am Anfang oder nach Beendigung seiner Polen-Reise12 zu einem kurzen Zwischenaufenthalt nach Dresden zu kommen. Sollte die Möglichkeit der Teilnahme des Papstes an einer Großveranstaltung bestehen, wolle Kardinal Meisner persönlich die nächsten Schritte der Vorbereitung abwägen.

Nur bei eventuellen Anfragen der Bischöfe, die es jedoch nicht gegeben hätte, sollte er in der Konferenz darauf verweisen, dass eine solche Frage in die Kompetenzen des BBK-Vorsitzenden gehöre und in dessen Abwesenheit nicht zur Debatte stünde.

Im weiteren Verlauf der BBK habe Bischof Theissing13 darüber informiert, dass er anstrebe, zum Abschlussgottesdienst der 1986 laufenden Niels-Stensen-Feierlichkeiten (300. Todestag eines nordischen Bischofs)14 auch die Bischöfe Wittler/Osnabrück15 und Hohmeyer/Hildesheim16 einzuladen. Er wisse zwar, dass beide Bischöfe zu den BRD-Bischöfen gehören, die nach vatikanischem Recht für katholische Amtsbereiche in der DDR zuständig seien und denen deshalb seitens der DDR-Behörden die Einreise verweigert werden könne, er wolle es aber trotzdem versuchen.

Von den anderen Bischöfen wären dazu keine Einwände erhoben worden. Sie hielten es für angebracht, wenn »auch in dieser Frage getestet wird«, ob die DDR-Behörden noch immer an der Entscheidung festhalten, diese Bischöfe bis zur vollständigen Verselbstständigung der katholischen Amtsbereiche durch den Vatikan nicht in die Bereiche einreisen zu lassen, für die sie de jure noch zuständig sind.17

In der Sitzung der BBK sei weiter darüber informiert worden, dass die Studentenpfarrerkonferenz ein Arbeitspapier zur Frage der Reserveoffiziersausbildung bei Studenten erarbeitet habe, das allen katholischen Amtsbereichen zur Übergabe an die Pfarrer oder zur Einsichtnahme – je nach eigenem Ermessen – vorliege.

Inhaltlich werde darin eingegangen auf: Stellung und Aufgabe des Reserveoffiziers, Entwicklungsweg des Studenten zum Reserveoffizier, Ablehnungen der Reserveoffiziersbereitschaft, Argumentationshilfen für katholische Studenten und ihre Stellung zur Reserveoffiziersbereitschaft.

Die BBK habe zu diesem Material Bedenken geäußert, da sich daraus die Tendenz ableiten lasse, als Christ müsse man grundsätzlich die Reserveoffiziersausbildung ablehnen. Das Material »weiche von der bisherigen Praxis ab« und könne »zu Komplikationen« mit dem Staat führen.

(Es wurden Maßnahmen zur Beschaffung des Materials eingeleitet.)

Nach weiter vorliegenden Hinweisen sei in der Sitzung der BBK nachdrücklich darauf hingewiesen worden, innerkirchliches Material nur nach Freigabe durch zentrale katholische kirchliche Institutionen an außenstehende Personen, einschließlich Vertreter von Medien, auszuhändigen.

Ausgangspunkt dieser Problemdiskussion sei gewesen – und in diesem Zusammenhang erfolgte eine Zurückweisung dieses »Alleingangs« –, dass durch Caritasdirektor Grande/Dresden18 ein durch ihn zusammengestelltes »Material über Menschenrechte« (über den Inhalt liegen bisher keine Erkenntnisse vor) an die evangelische Kirche in der DDR (anlässlich einer ökumenischen Begegnung im Oktober 1985 in Chorin, [Bezirk] Frankfurt/Oder) übergeben worden sei. Dieses Material wäre inzwischen in einer kirchlichen Zeitschrift in der BRD ohne Zustimmung der katholischen Kirche in der DDR publiziert worden. (Es wurden Maßnahmen zur Beschaffung des Materials eingeleitet.)

Im weiteren Verlauf der BBK sei geprüft worden, ob das von der »Deutschen Bischofskonferenz« herausgegebene Buch zur Glaubensunterweisung »Katholischer Erwachsenen-Katechismus«, an dem u. a. Theologen aus der DDR mitgearbeitet hätten, für den Raum der DDR geeignet sei.19

Einige Bischöfe hätten sich in der Aussprache für einen Druck in gleicher Fassung ausgesprochen, obwohl das Buch von BRD-Verhältnissen ausgehe; andere hätten dafür plädiert, eine »Überarbeitung entsprechend den Verhältnissen in der DDR« vorzunehmen und zugleich 1 000 Stück aus der BRD in der vorliegenden Fassung für einen bestimmten Personenkreis einzuführen. Schließlich hätte sich die BBK geeinigt, zunächst eine Überarbeitung zu veranlassen und danach nochmals über dieses Vorhaben zu entscheiden.

Der BBK hätte in der Beratung am 3./4. März 1986 ein Vorschlag vorgelegen, der von Akademiker-Seelsorger Bartel20 in der Absicht initiiert worden sei, sogenannte Problemdiskussionen mit einem einzuladenden oder »offenen« Personenkreis durchzuführen.

Nach vorgebrachten Bedenken, ein solches Vorhaben sei schwer unter Kontrolle zu halten, wäre dieser Vorschlag nicht in der vorliegenden Form von der BBK akzeptiert worden.

Die BBK hätte demgegenüber Vorstellungen entwickelt zur Einrichtung einer »Studienstelle der BBK«. Diese Studienstelle solle im Auftrage der BBK »Fragen, die für die BBK von Bedeutung sind«, aufarbeiten, analysieren, werten usw.

Die Diskussionen liefen darauf hinaus, als Leiter der Studienstelle den jetzigen Leiter des Priesterseminars Erfurt, Karl-Heinz Ducke,21 einzusetzen, der bereits seine Zustimmung gegeben habe. Ducke wäre beauftragt worden, eine Arbeitsrichtlinie auszuarbeiten und in der nächsten Sitzung der BBK vorzulegen.

Es wird vorgeschlagen, in Abstimmung mit dem Leiter der Arbeitsgruppe für Kirchenfragen beim ZK der SED über den Staatssekretär für Kirchenfragen, Genossen Gysi, darauf Einfluss zu nehmen, in einem Gespräch mit Kardinal Meisner die Ausarbeitungen zur Frage der Reserveoffiziersausbildung bei Studenten (sie wurde allen katholischen Amtsbereichen zugestellt) zurückzuweisen.

Die bisherige Praxis, katholischen Bischöfen der BRD, die nach Vatikanischem Recht für katholische Amtsbereiche in der DDR zuständig sind, die Einreise in diese nicht zu gestatten, sollte beibehalten werden.

Die Information ist wegen äußerster Quellengefährdung ausschließlich zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.

  1. Zum nächsten Dokument Konferenz der Ev. Kirchenleitungen der DDR (2)

    21. März 1986
    Information Nr. 128/86 über die 104. Tagung der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen (KKL) vom 7. bis 9. März 1986 in Bad Saarow

  2. Zum vorherigen Dokument Aktivitäten von Grünen gegen die DDR

    20. März 1986
    Information Nr. 125/86 über Aktivitäten antikommunistischer Führungskräfte der Partei »Die Grünen« in der BRD gegen die DDR