Interne Meinungsäußerungen zur Berliner Bischofskonferenz (3)
5. Januar 1987
Information Nr. 574/86 über interne Meinungsäußerungen zum Verlauf der katholischen »Berliner Bischofskonferenz« (BBK) am 1./2. Dezember 1986
Dem MfS wurden streng intern Meinungsäußerungen katholischer kirchenleitender Kräfte zur turnusmäßigen Beratung der »Berliner Bischofskonferenz«, die am 1./2. Dezember 1986 in der Residenz von Kardinal Meisner1 stattfand, bekannt.
Kardinal Meisner habe auf dieser Beratung erstmalig die Bischöfe davon unterrichtet, dass es zwischen ihm und dem Staatssekretär für Kirchenfragen, Genossen Gysi,2 mehrere vertrauliche Gespräche über einen möglichen Besuch der DDR durch den Papst3 anlässlich des Katholikentreffens in Dresden (10. bis 12. Juli 1987)4 gegeben habe.5 Er sei wiederholt vom Papst gedrängt worden, Regierungsstellen der DDR über dessen Interesse an einem DDR-Besuch zu informieren und entsprechende vorbereitende Gespräche zu führen. Außerdem wäre ihm vom Vatikan versprochen worden, dass Erzbischof Silvestrini6 bei einem Zusammentreffen mit dem DDR-Außenminister am Rande des 3. KSZE-Folgetreffens in Wien7 die Möglichkeit eines Papstbesuches in der DDR zur Sprache bringen werde.
Kardinal Meisner habe betont, diesen Auftrag des Papstes ernst genommen zu haben. Er hätte in dem zuletzt mit Staatssekretär Gysi geführten Gespräch eine offizielle Anfrage bezüglich eines solchen Besuches gestellt, habe sie jedoch zurücknehmen müssen, da ihm vom Genossen Gysi mitgeteilt worden sei, dass Erzbischof Silvestrini dieses Problem im Gespräch mit dem DDR-Außenminister nicht erwähnt habe.
Er – Meisner – soll auf der Beratung der BBK betont haben, er fühle sich in dieser Sache vom Vatikan im Stich gelassen und werde sich deshalb bei seinen nächsten Reisen nach Rom sachkundig machen.
Unter Bezugnahme auf die Gespräche mit dem Staatssekretär für Kirchenfragen habe er erklärt, man könne jetzt davon ausgehen, dass ein solcher Besuch zum Zeitpunkt des Katholikentreffens nicht erfolgen werde. Die Vorbereitungen auf das Treffen in Dresden sollten deshalb wie bisher weitergeführt werden. Die entsprechenden Unterlagen seien den zuständigen staatlichen Stellen übergeben worden.
Mehrere Bischöfe sollen Kritik an Kardinal Meisner wegen dessen später Informierung der BBK über das Vorhaben eines Papstbesuches geübt und unter Hinweis auf kursierende Gerüchte gefordert haben, die Gläubigen über die Nichtrealisierung des Papstbesuches anlässlich des Katholikentreffens in Form einer Mitteilung zu informieren. Um das Verhältnis Staat-Katholische Kirche im Vorfeld des Katholikentreffens nicht zu belasten, habe die BBK nach ausführlicher Diskussion entschieden, von einer derartigen Mitteilung an alle Gläubigen Abstand zu nehmen. Stattdessen hätte man sich auf eine dienstinterne schriftliche Information – nur bestimmt für die Bischöfe als Grundlage für eine einheitliche Argumentation bei Anfragen – mit folgendem Wortlaut geeinigt: »Die BBK lässt wissen, dass das von ihr bestätigte Programm des Katholikentreffens in Dresden von Anfang an die Anwesenheit des Papstes nicht vorgesehen hat. Ein Papstbesuch bedarf einer sehr langfristigen Vorbereitung, sodass man davon ausgehen kann, dass zu einem späteren Zeitpunkt ein Besuch des Heiligen Vaters in der DDR nicht auszuschließen ist.«
Die Beratung der BBK habe sich des Weiteren mit dem offiziell an sie durch den Stadtökumene-Kreis Dresden herangetragenen Vorschlag zur Teilnahme an einer ökumenischen Friedensversammlung der Christen und Kirchen in der DDR befasst und festgestellt, dass sich die katholische Kirche in der DDR diesem Ansinnen nicht verschließen könne.
Es sei jedoch zu sichern, dass sie nicht durch Zielstellungen, die den Grundhaltungen der BBK widersprechen, »vereinnahmt« werde. Als Bedingung für ein Mitwirken sei die Übernahme der Trägerschaft für diese Friedensversammlung durch die kirchliche Arbeitsgruppe Christliche Kirchen genannt worden: Außerdem sei festgelegt worden, noch abzuwarten, ob »ein Friedensprozess in der DDR in Bewegung« komme.
Dann sei die BBK bereit, sich an der genannten Versammlung mit Beobachterstatus mit nachfolgend genannten kirchlichen Amtsträgern zu beteiligen:
- –
Pfarrer Grande,8 Dresden, Leiter der Arbeitsgruppe der BBK »Justitia et Pax«,
- –
Pfarrer Dr. Ducke,9 Erfurt, Leiter der Studienstelle der BBK,
- –
Prälat Walter,10 Berlin, Beauftragter der BBK für die Ökumene.
Eine Mitwirkung an der Arbeit entsprechender Vorbereitungsgremien bzw. Kommissionen wäre abgelehnt worden.
Kardinal Meisner habe darüber hinaus mitgeteilt, dass seitens der evangelischen Kirchen in der DDR mit einer Anfrage zwecks offizieller Teilnahme der katholischen Kirche in der DDR an der »Friedensdekade«11 im Jahre 1987 zu rechnen sei. Da dies noch nicht erfolgte, wäre dazu keine Diskussion geführt, sondern festgelegt worden, diese Anfrage vorerst abzuwarten.
Die Information ist wegen äußerster Quellengefährdung ausschließlich zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt!