Konferenz der Ev. Kirchenleitungen der DDR (1)
24. Januar 1986
Information Nr. 40/86 über die 102. Tagung der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR (KKL) am 10. und 11. Januar 1986 in der Hauptstadt der DDR, Berlin
Die 102. ordentliche Tagung der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR (KKL)1 fand im Gebäude des Sekretariats des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR (BEK) unter Teilnahme aller Bischöfe, der Leiter der kirchlichen Verwaltungseinrichtungen der Evangelischen Landeskirchen sowie der synodalen Mitglieder der KKL statt. Es war die letzte Zusammenkunft der KKL in ihrer derzeitigen personellen Zusammensetzung unmittelbar vor der konstituierenden Tagung der V. Synode des BEK (31. Januar bis 2. Februar 1986).2
Die Tagung befasste sich insbesondere mit Berichterstattungen aus den Evangelischen Landeskirchen in der DDR, gab Orientierungen für die konstituierende Tagung der V. Synode des BEK und nahm eine Auswertung der »Friedensdekade 1985«3 vor, verbunden mit entsprechenden Hinweisen für die »Friedensdekade 1986«.4
Streng internen Angaben zufolge war diese Tagung von dem Bemühen kirchenleitender Kräfte gekennzeichnet, gesellschaftspolitische Fragen relativ sachlich zu behandeln. Das widerspiegelte sich unter anderem auch in den vom Vorsitzenden der KKL, Bischof Dr. Hempel,5 gegebenen Orientierungen in Vorbereitung auf die bevorstehende Synode des BEK.
Wie bereits auf der vorausgegangenen Tagung der KKL (November 1985) bildete die Wehrdienstproblematik6 erneut einen gewissen Schwerunkt in der Berichterstattung der Evangelischen Landeskirchen.7
Nach Auffassung von Bischof Gienke/Greifswald8 und Kirchenpräsident Domsch/Dresden9 wäre es günstig für den Staat, wenn er durchsetzen könnte, dass Bausoldaten ausschließlich an zivilen Objekten eingesetzt würden. Erfolge dazu durch die staatlichen Organe eine weitgehende Popularisierung, wäre ein Rückgang von Totalverweigerern zu erwarten.
Oberkirchenrat Ziegler/Berlin10 wurde beauftragt, diesen Vorschlag an das Staatssekretariat für Kirchenfragen in einem der nächsten Gespräche heranzutragen.
In diesem Zusammenhang nahm die KKL nochmals zur Inhaftierung von Wehrdienstverweigerern im November 1985 Stellung und bewertete ihr Vorgehen zu dieser Problematik als richtig. Es sei zweckmäßig gewesen, zunächst innerkirchlich zu prüfen, ob es sich bei den betroffenen Personen um Glieder der evangelischen Kirchen gehandelt habe, bevor man aktiv geworden sei. Als richtig habe sich auch das Schreiben des Vorsitzenden der KKL, Bischof Dr. Hempel, an den Vorsitzenden des Staatsrats der DDR, Genossen Honecker,11 in dieser Angelegenheit erwiesen.12
Erneut habe sich gezeigt, dass Entscheidungen, die nicht im kirchlichen Interesse lägen, nur auf diesem Wege korrigiert werden könnten. Deshalb – so wurde daraus geschlussfolgert – müsse bei ähnlichen Fällen künftig ebenso vorgegangen werden.
Im Rahmen der Berichte aus den Landeskirchen informierte Präsident Kramer/Magdeburg13 über die Vorbereitung des Friedensseminars »Konkret für den Frieden – IV.« vom 28. Februar bis 2. März 1986 in Stendal, [Bezirk] Magdeburg,14 (es handelt sich um das 4. Folgetreffen von führenden Vertretern sogenannter Friedenskreise) und teilte mit, dass sich die Kirchenleitung der Kirchenprovinz Sachsen für die Vorbereitung und Durchführung des Seminars mit verantwortlich fühle. Oberkirchenratspräsident Müller/Schwerin15 und Oberkirchenrat Mitzenheim/Eisenach16 empfahlen unter Hinweis auf »eigene Erfahrungen«, eine strenge Kontrolle über die Teilnehmer auszuüben, keine Annahme von Papieren und Beschlüssen zu dulden, die die Kirche nicht mittragen könne, und insgesamt Einfluss zu nehmen auf einen wirklich theologischen Gehalt des Seminars.
Darüber hinaus betonte Oberkirchenrat Müller, es habe sich bewährt, bei dieser Veranstaltung ständig vor Ort zu sein, um disziplinierend und ausgleichend wirken zu können.
Die Bischöfe Hempel, Leich17 und Rogge18 (designierter Bischof der Evangelischen Kirche des Görlitzer Kirchengebietes) sowie Konsistorialpräsident Stolpe19 äußerten sich positiv über die Haltung des Generalsekretärs des ZK der KPdSU, Genossen Gorbatschow,20 auf dem Genfer Treffen.21 Gleichzeitig brachten sie ihre Enttäuschung über die Positionen der USA- und der BRD-Regierung nach dem Gipfeltreffen zum Ausdruck. Bischof Leich unterbreitete den Vorschlag, seitens der KKL eine offizielle Stellungnahme zum Genfer Treffen abzugeben, verbunden mit der Aufforderung zur Fortsetzung des Dialogs und der Verhandlungen zwischen der UdSSR und den USA.
Dieser Vorschlag fand jedoch keine Zustimmung. Internen Äußerungen zufolge habe sich die KKL nicht in Widerspruch zur »Evangelischen Kirche in Deutschland« (»EKD«) begeben wollen. Die »EKD« hätte sich in ihrer im November 1985 herausgegebenen Denkschrift »Evangelische Kirche und freiheitliche Demokratie. Der Staat des Grundgesetzes als Angebot und Aufgabe«22 eindeutig zur BRD-Regierung bekannt und die BRD-Regierung habe ihrerseits die Zustimmung zur Beteiligung am SDI-Programm der USA23 gegeben.
Hinsichtlich der Vorbereitung der konstituierenden Tagung der V. Synode des BEK beschloss die KKL, sie als öffentliche Tagung in Anwesenheit ökumenischer Gäste, Vertretern des Staatsapparates und Journalisten in der Stephanus-Stiftung/Berlin-Weißensee durchzuführen.
Am Ende der Synodaltagung wird das neugewählte Präsidium der KKL eine Pressekonferenz veranstalten.
Bischof Hempel empfahl den Anwesenden unter Hinweis auf die 5. Tagung der IV. Synode des BEK (September 1985)24 und die Herbstsynode der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens25 in den jeweiligen Landeskirchen »Einfluss auf Hitzköpfe« unter den Synodalen zu nehmen. Diese Einflussnahme sollte nach Auffassung Bischof Hempels mit dem Ziel erfolgen, ein nichtabgestimmtes Auftreten und Vorgehen einzelner Synodalen auf bevorstehenden Synoden und anderen öffentlichkeitswirksamen Tagungen zu verhindern, damit nicht Gesamtanliegen der Kirchen »diskreditiert oder kaputt gemacht« würden und der Staatsapparat nicht den Gesamtverlauf der Synoden am Auftreten einzelner Synodalen bewerten könne.
Fragen der personellen Besetzung der neuen Leitungsgremien für die V. Legislaturperiode der Synode des BEK wurden offiziell nicht behandelt. Streng internen Hinweisen zufolge wurde darüber jedoch in Pausengesprächen spekuliert, wobei vor allem eine Wiederwahl von Konsistorialpräsident Stolpe in den Vorstand der KKL erwartet wird. Hintergrund derartiger Diskussionen ist die mögliche Wahl der Kirchenrätin Cynkiewicz26 (tätig am Konsistorium der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg) zum neuen Präses der Synode, die damit zugleich Mitglied des Vorstandes der KKL würde. Da entsprechend der »Ordnung« des BEK nur ein Vertreter der jeweiligen Landeskirche dem KKL-Vorstand angehören darf, sei nach Auffassung von KKL-Mitgliedern eine Änderung der »Ordnung« des BEK erforderlich, um die erneute Mitgliedschaft von Konsistorialpräsident Stolpe im Vorstand der KKL zu sichern.
Die Diskussion zu den Ergebnissen der »Friedensdekade 1985« offenbarte unterschiedliche Standpunkte. Während Oberkirchenrat Mitzenheim für den Bereich der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen einen erheblichen Rückgang der Aktivitäten im Vergleich zu den Vorjahren konstatierte, verwies Bischof Forck27 auf die vielfältigen Veranstaltungen in diesem Zeitraum im Bereich der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg.
Als Leitmotiv für die »Friedensdekade 1986« unterbreitete die ständige Vorbereitungsgruppe für die Friedensdekaden die Themen »Der Friede sei mit euch« und »Das Band des Friedens knüpfen«. Die Mehrheit der KKL-Mitglieder empfahl das stärker theologisch orientierte Thema »Der Friede sei mit euch«. (Eine endgültige Bestätigung des Themas erfolgt durch die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen bis zum 31. Januar 1986.)
Die KKL entschied, den Vorstellungen einiger Tagungsteilnehmer, die Umweltproblematik in die Thematik der »Friedensdekade 1986« einzubeziehen, nicht zu folgen.
Darüber hinaus beschloss die KKL, seitens der evangelischen Kirchen in der DDR einen eigenständigen Beitrag im UNO-Jahr des Friedens 198628 zu leisten. Es wurde eine sogenannte kirchliche Steuerungsgruppe unter Leitung von Oberkirchenrätin Lewek/Berlin29 beauftragt, entsprechende Vorschläge unter dem Motto »Zeit des Friedens« für die Arbeit der kirchlichen Basis zu unterbreiten.
In einer Bilanz der KKL über den Stand der Realisierung der im Zeitraum der IV. Legislaturperiode von der Synode des BEK erteilten Aufträge wurde festgestellt, dass der Auftrag über die Abgabe einer Stellungnahme zu Nicaragua30 nicht erfüllt wurde.
Als Begründung hierfür nannte die KKL die angebliche Verletzung von Menschenrechten in Form der Unterdrückung von an der Ostküste Nicaraguas ansässigen Indianern, die es der KKL unmöglich machten, eine kirchenoffizielle Erklärung abzugeben.
Der Leiter des Sekretariats des BEK, Oberkirchenrat Ziegler, informierte die KKL über die geplanten zehn Neubauvorhaben kirchlicher Gemeindezentren in den Bezirken Erfurt, Gera, Suhl, Dresden, Neubrandenburg, Rostock und in der Hauptstadt der DDR. Die KKL bestätigte die »Sammlungsaktion zum Neubauprogramm Kirchen für neue Städte in den Gliedkirchen des BEK« im Zeitraum Januar bis März 1986.
Zur Unterstützung dieser Sammlung hat das Sekretariat des BEK Plakate, Aufkleber und Informationshefte herstellen lassen, die durch die Konsistorien und Landeskirchenämter verteilt werden.
In einem Pressegespräch am 14. Januar 1985 informierte der Leiter des Sekretariats des BEK die anwesenden zwölf Vertreter der Kirchenpresse der DDR und den Westberliner epd-Korrespondenten Henkys31 über wesentliche Inhalte der KKL-Tagung.
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