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Konferenz der Ev. Kirchenleitungen der DDR (5)

22. September 1986
Information Nr. 440/86 über die 107. Tagung der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen (KKL) vom 5. bis 6. September 1986 in Berlin

Die 107. ordentliche Tagung der KKL1 fand vom 5. bis 6. September 1986 im Gebäude des Sekretariats des Bundes der Evangelischen Kirchenleitungen (BEK) in der DDR in Berlin als geschlossene Sitzung statt.

Tagungsteilnehmer waren alle Bischöfe, die Leiter der kirchlichen Verwaltungseinrichtungen und alle synodalen Mitglieder der KKL.

Bischof Forck/Berlin2 war nur am 6. September 1986 anwesend, und Bischof Hempel/Dresden3 sowie Konsistorialrat Stolpe/Berlin4 fehlten wegen anderer terminlicher Verpflichtungen.

Am 5. September 1986 nahm der Vorsitzende des Rates der »Evangelischen Kirche in Deutschland« (EKD), Bischof Kruse/Westberlin,5 in Erwiderung eines durch Bischof Leich/Eisenach6 auf gleicher Ebene in der BRD abgestatteten Besuchs an der Tagung der KKL teil.

Im Mittelpunkt der KKL-Tagung standen folgende inhaltliche Schwerpunkte:

  • Berichte aus den evangelischen Landeskirchen in der DDR und dem Diakonischen Werk;

  • Vortrag von Bischof Kruse/Westberlin zum Briefwechsel Kruse-Forck anlässlich des 25. Jahrestages der Sicherung der Staatsgrenze der DDR am 13. August 1986;7

  • Stellungnahme der KKL zur Teilnahme kirchlicher Vertreter an der Übergabe des »Friedensreports« am 1. September 1986;8

  • Beratung des Berichtes der KKL an die 2. ordentliche Tagung der V. Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR (19. bis 23. September 1986 in Erfurt);9

  • innerkirchliche und theologische Fragen.

Im Rahmen der kurz gehaltenen Berichte aus den Landeskirchen sprach Kirchenpräsident Natho/Dessau10 Genugtuung aus, dass es im Bereich seiner Landeskirche staatlicherseits unkompliziert ermöglicht wurde, einen Christen nach dessen Hochschulabschluss auf eigenen »Gewissenswunsch« aus dem Kaderbestand Offizier der Reserve der NVA zu entlassen.

Auf das großzügige Entgegenkommen staatlicher Organe bei der Durchführung regionaler Kirchentage im Juni/Juli 1986 verwiesen Kirchenpräsident Natho sowie die Bischöfe Demke/Magdeburg,11 Leich/Eisenach und Forck/Berlin.

Der Vorsitzende des Rates der EKD, Bischof Kruse/Westberlin, sprach auf eigenen Wunsch und entsprechend vorheriger Vereinbarung mit kirchenleitenden Amtsträgern der KKL zum Briefwechsel Kruse-Forck und zur Problematik 13. August.

Kruse führte aus, er habe sich in seiner Funktion als Vorsitzender des Rates der EKD und infolge Drängens aus seinen Gemeinden veranlasst gesehen, öffentlich zur Begehung des 25. Jahrestages des 13. August Stellung zu beziehen. In Bischof Forck/Berlin habe er einen Partner gesucht und gefunden zur öffentlichen Äußerung »im Sinne des seelsorgerlich-verkündenden Auftrages« und darüber, »was die Kirche zum 13. August zu sagen hat«.

Kruse erläuterte, seine im Briefwechsel zum Ausdruck gebrachte Haltung, die den Realitäten Rechnung trage, habe ihm in Westberlin und in der BRD eine Reihe Ungelegenheiten und Vorwürfe eingebracht. Er vertrete jedoch nach wie vor die Auffassung, dass der »Mauerbau« 1961 unter den damaligen historischen Bedingungen eine unausweichliche Notwendigkeit gewesen sei. Ungeachtet der massiven Angriffe seitens bestimmter Kreise in der BRD nach Veröffentlichung seines Briefes habe er seine Auffassung nicht widerrufen.

Kruse führte weiter aus, Aufgabe der Kirche sei es aber heute auch, sich »den menschlichen Erschwernissen, die sich aus dieser Grenze ergaben und täglich ergeben«, zuzuwenden und dafür zu wirken, »dass sich viele Wege öffnen für eine vernünftige Nachbarschaft«; die gemeinsame Zukunftsorientierung sei darauf gerichtet, »dass eine Mauer nicht mehr sein wird«. Dies sei nur möglich durch geduldige und beharrliche Verhandlungen beider Seiten; andere Vorstellungen und Wege seien unrealistisch.

In seinem Vortrag sprach Kruse weiter über aktuelle Erkenntnisse aus kirchlicher Sicht zur Situation in Südafrika und forderte die evangelischen Kirchen in der DDR auf, sich gemeinsam mit der EKD für Sanktionen gegenüber dem Apartheid-Staat einzusetzen.12 Jede andere Position würde zu einem Verlust der Glaubwürdigkeit der evangelischen Kirchen führen und die ökumenische Einheit mit den Christen in Afrika beeinträchtigen.

Streng internen Hinweisen zufolge fand am Rande der KKL-Sitzung ein Zusammentreffen aller Bischöfe aus der DDR (mit Ausnahme von Bischof Hempel) mit Bischof Kruse statt. Kruse habe dort unter Hinweis auf die Vertraulichkeit seiner Ausführungen über Schwierigkeiten, die ihm in der BRD und Westberlin in zunehmendem Maße erwachsen würden, berichtet. Sie bestünden in Missdeutungen bis Angriffe gegen ihn persönlich und gegen von ihm vertretene gesellschaftlich bezogene Positionen. Sie gingen verstärkt auch von Amtsbrüdern aus, »die auf CDU-Linie liegen« und würden öffentlichkeitswirksam Autorität und Geschlossenheit der Leitung der EKD belasten. Probleme und Stillstand gebe es außerdem im Zusammenhang mit Bestrebungen kirchenleitender Kräfte der BRD und Westberlins, eine Vereinigte Evangelische Kirche in der BRD ins Leben zu rufen (analog den Aktivitäten in den evangelischen Kirchen in der DDR zur Bildung einer Vereinigten Evangelischen Kirche)13, da die über 15 bestehenden Landeskirchen in der BRD infolge breitgefächerter Meinungsverschiedenheiten »nicht unter einen Hut zu bringen« seien.

Weitere streng interne Hinweise beinhalteten, dass dieses Zusammentreffen Bischof Kruses mit den Bischöfen aus der DDR dazu benutzt worden sei, auf bevorstehenden zentralen Veranstaltungen der evangelischen Kirchen in der DDR und der BRD beabsichtigte Aussagen zu gesellschaftspolitischen Fragen abzustimmen. In diesem Sinne seien Bischof Kruse auch wesentliche Passagen aus dem Bericht der KKL an die V. Synode des BEK in der DDR erläutert worden.

Im Mittelpunkt der 107. Tagung der KKL stand eine mehr als vierstündige Debatte über den am 1. September 1986 stattgefundenen Empfang des Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Genossen Erich Honecker,14 für die Delegation der Friedensbewegung der DDR – der Vertreter des BEK in der DDR angehörten – und über die dort erfolgte Übergabe des »Friedensreports« im UNO-Jahr des Friedens.15 Dieser Tagesordnungspunkt war »aus aktuellem Anlass« aufgenommen worden. Ohne einleitende grundsätzliche Bemerkungen wurde dazu die Diskussion eröffnet, deren Inhalt maßgeblich von den Ausführungen des Superintendenten Große/Saalfeld16 zu Beginn der Debatte bestimmt wurde. Mehrheitlich wurde die Haltung des Große unterstützt, wonach auf dieser Veranstaltung durch eine undifferenzierte Behandlung der Teilnehmer die Eigenständigkeit kirchlichen Friedensengagements nicht sichtbar geworden sei. Durch die Massenmedien der DDR seien die Rolle und Aktivitäten der evangelischen Kirchen in der DDR im Friedensengagement nicht objektiv dargestellt. Nicht einverstanden wäre die Kirche damit, dass in der Berichterstattung im »Neuen Deutschland« und in den elektronischen Medien der DDR auf die »wichtigste Passage« in den Ausführungen des Präses der Synode des BEK in der DDR, Dr. Gaebler/Leipzig,17 verzichtet worden sei, die beinhaltete, dass kirchlicherseits die Verweigerung des Wehrdienstes mit der Waffe als ein deutliches Zeichen für Frieden gewertet werde.18

Durch diese Gewichtsverlagerung in der Berichterstattung der elektronischen Medien sei die Integrierung des BEK in der DDR in die Friedensbewegung der DDR »verabsolutiert« worden.

Auch der kirchlichen Nachrichtenagentur ena sei es staatlicherseits nicht gestattet worden, diese Passage zu veröffentlichen.

In der Diskussion wurde hervorgehoben, dass aufgrund dieser Sachlage und einer Vielzahl diesbezüglicher Anfragen an den BEK in der DDR das Sekretariat des BEK in der DDR eine Pressemeldung über Inhalt und Verlauf dieser Veranstaltung gefertigt und als Anlage die »authentischen« Ausführungen von Präses Dr. Gaebler beigefügt hat. Dieses als Pressemeldung bezeichnete Material wurde mit Datum 1. September 1986 an alle Landeskirchen versandt.19 Dem Antrag von Superintendent Große, dieses Problem auf der 2. Tagung der V. Synode des BEK in der DDR weiter zu diskutieren und darüber zu entscheiden, ob zukünftig an derartigen Veranstaltungen überhaupt noch Delegationen der Kirche teilnehmen könnten, wurde zugestimmt.

In Vorbereitung auf die 2. Tagung der V. Synode des BEK in der DDR20 wurde im weiteren Verlauf der 107. Tagung der KKL über den Entwurf des KKL-Berichtes diskutiert.

Die Information ist wegen Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.

  1. Zum nächsten Dokument Blues-Messen in der Erlöserkirche in Berlin-Lichtenberg (2)

    23. September 1986
    Information Nr. 442/86 über die erneute Durchführung einer sogenannten Blues-Messe am 20. September 1986 in der Erlöserkirche in Berlin-Lichtenberg

  2. Zum vorherigen Dokument Bevorstehende 2. Tagung der V. Synode des BEK

    18. September 1986
    Information Nr. 430/86 über die bevorstehende 2. ordentliche Tagung der V. Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen (BEK) in der DDR vom 19. bis 23. September 1986 in Erfurt