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Konferenz der Ev. Kirchenleitungen der DDR (6)

24. November 1986
Information Nr. 526/86 über die in der Zeit vom 7. November bis 8. November 1986 in Berlin stattgefundene 108. Tagung der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen (KKL)

Die 108. Tagung der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitung (KKL)1 fand im Gebäude des Sekretariats des Bundes der Evangelischen Kirchen (BEK) in der DDR in Berlin als geschlossene Sitzung statt.

Teilnehmer waren alle Bischöfe, die Leiter der kirchlichen Verwaltungseinrichtungen der evangelischen Landeskirchen und alle synodalen Mitglieder der KKL.

Im Mittelpunkt der KKL-Tagung standen folgende inhaltliche Schwerpunkte:

  • Berichte aus den evangelischen Landeskirchen in der DDR,

  • Auswertung der Synode des BEK (19. bis 23.9.1986 in Erfurt),2

  • Bericht der Oberkirchenrätin Lewek3 über ihre Teilnahme am Weltfriedenskongress im Oktober 1986 in Kopenhagen,4

  • innerkirchliche und theologische Fragen.

Im Rahmen der Berichte aus den Landeskirchen informierte Bischof Forck/Berlin5 über ein durch die Untersuchungsorgane eingeleitetes Ermittlungsverfahren gegen den Theologie-Studenten des Sprachenkonviktes der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, Lampe, Reinhard (31),6 der laut Bischof Forck »in unakzeptabler Art und Weise« am 13. August 19867 an der Staatsgrenze nach Westberlin in Erscheinung getreten sei. (Öffentlichkeitswirksames Zeigen eines inhaltlich gegen die Grenzsicherungsmaßnahmen am 13. August 1961 gerichteten Plakats aus einer leerstehenden Wohnung in der Oderberger Straße in Richtung Staatsgrenze, wo sich Lampe, das Plakat tragend, an einem Fensterkreuz angekettet hatte.)

Nachdem Bischof Forck kurz und sachlich den Tathergang, wie er ihn vom Verteidiger des Lampe, Rechtsanwalt Gysi/Berlin,8 erfahren habe, geschildert hatte, betonte er, seiner Meinung nach würden die staatlichen Organe diese Angelegenheit objektiv betrachten und korrekt behandeln. Er fügte weiter an, dieser Fall hätte sich auch dazu geeignet, ihn seitens der staatlichen Organe zum Nachteil der Kirche »provokativ aufzubauschen«.

Konsistorialpräsident Stolpe/Berlin9 teilte mit, dass es im Zusammenhang mit dem geplanten Kirchentag 1987 der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg in Berlin10 nach wie vor eine ablehnende Haltung des Staates zu einer öffentlichen Abschlussveranstaltung gebe. Stolpe betonte die Position der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, der Staat brauche »keine Bedenken oder Sorgen« in diesem Zusammenhang zu haben. Die Kirchenleitung werde an der Haltung, eine öffentliche Abschlussveranstaltung durchzuführen, festhalten und »weiter darum kämpfen«. Die kirchlicherseits dazu getroffenen Vorbereitungen seien abgeschlossen. Es komme nur noch darauf an, eine Bestätigung des Vorhabens durch den Staat zu erhalten und zu erfahren, wo die Abschlussveranstaltung stattfinden könne.

Konsistorialpräsident Stolpe informierte weiter darüber, dass auf Beschluss der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg 1987 keine »Friedenswerkstatt«11 stattfindet.

Er begründete diese Entscheidung unter Hinweis auf die im Juni 1986 durchgeführte »Friedenswerkstatt« mit »mangelndem theologischem Gehalt, schwindender Qualität und massiven Kommunikations- und Verständigungsproblemen zwischen der Kirchenleitung und den Organisatoren der Friedenswerkstatt«. Da derzeit »keine Vertrauensbasis gegeben« wäre, sei eine Denkpause erforderlich. (Inhalt und Verlauf der »Friedenswerkstatt 1986« wurden weitgehend von hinlänglich bekannten Exponenten politischer Untergrundtätigkeit sowie weiteren Vertretern feindlich-negativer Gruppierungen aus der Hauptstadt der DDR bestimmt.)12

Oberkirchenratspräsident Müller/Schwerin13 berichtete, dass sich die Redaktion der Zeitung »Junge Welt« bei Bischof Stier14 im Zusammenhang mit einer in dieser Zeitung veröffentlichten Karikatur entschuldigt habe. Diese Entschuldigung sei von Bischof Stier akzeptiert worden. (Die »Junge Welt« hatte in einer Augustausgabe 1986 in einer Rückbetrachtung auf die Fußballweltmeisterschaft 1986 in Mexiko eine Zeichnung – Darstellung eines Stiers im Talar – veröffentlicht, die Bischof Stier zum Anlass einer Beschwerde genommen hatte.15)

Konsistorialpräsident Kramer/Magdeburg16 teilte der KKL mit, im Zusammenhang mit den im Herbst 1986 erfolgten Einberufungen zum Wehrdienst in der NVA habe es im Bereich der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen einige Probleme dahingehend gegeben, dass einzelne Totalverweigerer, darunter kirchliche Angestellte und Mitarbeiter, Einberufungsbefehle erhalten hätten. Diese Fälle seien »in aller Stille« mit den zuständigen staatlichen Organen geklärt worden.

Bischof Demke/Magdeburg17 setzte die KKL davon in Kenntnis, dass Mitarbeiter der Aktuellen Kamera des Fernsehens der DDR an ihn mit der Bitte herangetreten seien, mit ihm ein Interview zur »Friedensdekade« 198618 zu führen. Demke habe diese Bitte jedoch mit der Begründung abgelehnt, hierzu nicht autorisiert zu sein, da die »Friedensdekade« nicht Angelegenheit des Magdeburger Bischofs, sondern die des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR sei.

Deshalb habe er die betreffenden Mitarbeiter des Fernsehens der DDR an den BEK verwiesen. In der Diskussion wurde die Haltung von Bischof Demke durch die anderen KKL-Mitglieder unterstützt. Dieser Versuch, im kirchlichen Bereich aktiv zu werden, werde als Reaktion des Staates auf die bisherige Haltung der evangelischen Kirchen in der DDR zur Berichterstattung westlicher Massenmedien über kirchliche Veranstaltungen gewertet. Den in diesem Zusammenhang von staatlichen Organen gegenüber den Kirchen erhobenen Vorwürfen sei durch kirchliche Amtsträger mit dem Hinweis auf die bisher fehlende Präsenz der DDR-Massenmedien bei Veranstaltungen der Kirchen begegnet worden.

Durch den Präses der BEK-Synode, Gaebler/Leipzig,19 erfolgte vor der KKL eine kurze realistisch angelegte Einschätzung der 2. Tagung der V. Synode des BEK (19. bis 23.9.1986 in Erfurt). In der Diskussion wurde durch die KKL das Bedauern darüber zum Ausdruck gebracht, dass der Staat im Ergebnis dieser Synodaltagung den Eindruck gewonnen habe, der BEK in der DDR wolle nicht am Weg des 6.3.1978 festhalten.20 Dies sei eine falsche Schlussfolgerung. Vielmehr sollte staatlicherseits Einsicht dahingehend bestehen, dass die Synode jedem Synodalen die Möglichkeit einräumen müsse, seine Meinung zu äußern.

Durch die Westpresse sei allerdings entstellt über den Verlauf der Synode berichtet worden, was man bedaure. Nach der Synode seien durch den Staat Gespräche mit der Kirche bis zur Ebene der Superintendenten und mit »einheitlicher Sprachregelung« geführt worden. Darin sei übereinstimmend zum Ausdruck gebracht worden, man beobachte mit Sorge, dass die Kirche vom Weg des 6.3.1978 abzurücken versuche, und dass die Formel der »kirchlichen Eigenständigkeit« mit »Andersartigkeit« im Sinne von gegen Staat und Gesellschaft gerichtet interpretiert werde.

Für KKL-Mitglieder wäre das staatlicherseits vorgetragene Argument, in der Bundessynode habe sich niedergeschlagen, dass die Kirche ihren Mitgliederschwund nicht verkrafte und deshalb nach neuen Wegen suche, »eine Überraschung« gewesen.

Zwar sei tatsächlich eine Reduzierung der Mitgliederzahlen in Kirchengemeinden, Jugendgruppen und -kreisen zu verzeichnen, aber es treffe nicht zu, dass man diese Tendenz durch ein Abrücken vom Weg des 6.3.1978 stoppen wolle.

Weiter wurde in der Diskussion zum Bericht des Präses der Synode, Gaebler, hervorgehoben, auf Bedenken und Ablehnung seitens des Staates seien die Ausführungen von Konsistorialpräsident Stolpe vor der Bundessynode – die Verantwortlichkeit der Kirchen im Zusammenhang mit Wehrdienstfragen21 betreffend – gestoßen. In den staatlicherseits geführten Gesprächen sei den KKL-Mitgliedern eindeutig gesagt worden, dass sie die Toleranzgrenze überschritten hätten. Durch die KKL wurde dazu die Auffassung vertreten, dieses Problem gehöre in den Kompetenzbereich der Kirche und sie wolle dieser »Drohung mit Gelassenheit entgegensehen«.

Im Ergebnis der Diskussion zur Auswertung der BEK-Synode wurde durch die KKL der Beschluss gefasst, durch das Sekretariat des BEK unter Leitung von Oberkirchenrat Ziegler/Berlin22 eine Argumentation zu erarbeiten. In diese Argumentation sollen neben den Ergebnissen der BEK-Synode von Erfurt die Frühjahrssynoden der evangelischen Landeskirchen sowie die Synoden der Evangelischen Kirche der Union (EKU) vom 23. bis 25.5.198623 und der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche (VELK) in der DDR vom 12. bis 15.6.198624 einbezogen werden. Diese Argumentation soll für ein noch in diesem Jahr anzustrebendes Gespräch des Vorstandes der KKL mit dem Staatssekretär für Kirchenfragen, Genossen Gysi,25 genutzt werden, um die Position der evangelischen Kirchen in der DDR und ihre Haltung zum Weg des 6.3.1978 zu erläutern.

Oberkirchenrätin Lewek/Berlin berichtete vor der KKL über ihre Teilnahme am »Weltkongress der Friedenskräfte« in Kopenhagen/Dänemark, an dem sie im offiziellen Auftrag des BEK in der DDR teilnahm.

Oberkirchenrätin Lewek teilte mit, nachdem sie vor dem Forum in Kopenhagen die Stellungnahme des BEK in der DDR übergeben hatte, sei dort ein an den Kongress gerichtet gewesener Brief von Pfarrer Eppelmann/Berlin26 vorgetragen und als offizielles DDR-Kirchenmandat behandelt worden. Oberkirchenrätin Lewek zitierte aus diesem Brief die Passage, dass »kein einziger Vertreter der DDR-Delegation ein Mandat dafür« habe, »im Namen der vielen kirchlichen Basisgruppen in der DDR ihre eigenständigen Vorstellungen zu vertreten«.

Im Zusammenhang mit dieser Aussage wurde der KKL ein durch Oberkirchenrat Ziegler/Berlin vorbereiteter Beschlussentwurf vorgelegt, in welchem Oberkirchenrätin Lewek ausdrücklich für ihre Tätigkeit der Dank ausgesprochen wurde. Ausdrücklich wird darin hervorgehoben, dass sie ihre Delegierung in Kopenhagen im Auftrag des BEK wahrgenommen habe. Darüber hinaus wurde das Missfallen der KKL gegenüber der »Verfahrensweise« von Eppelmann zum Ausdruck gebracht.

In der sich daran anschließenden Diskussion innerhalb der KKL fand der Beschlussentwurf jedoch keine Mehrheit.

Internen Hinweisen zufolge sei dies maßgeblich auf die Einflussnahme von Bischof Hempel/Dresden27 zurückzuführen, der eine persönliche Abneigung gegenüber Oberkirchenrätin Lewek hege.

Die Tagung fasste einen Beschluss zur Verbesserung der Leitungstätigkeit der KKL. Darin wurde u. a. festgelegt, den Zeitfonds für die Tagungen dieses kirchenleitenden Gremiums zu erhöhen.

Außerdem wurde dem Vorstand der KKL die alleinige Entscheidungsbefugnis bei der Behandlung von Fragen des Verhältnisses Staat-Kirche in der DDR übertragen.

Streng internen Hinweisen zufolge soll damit der sich in letzter Zeit verstärkende Einfluss kirchlicher Laien in leitenden Gremien der evangelischen Kirchen in der DDR, wie z. B. KKL und Präsidium der Bundessynode, neutralisiert werden.

Die KKL beschloss eine »Gemeinsame Erklärung zu den theologischen Grundlagen der Kirche und ihrem Auftrag in Zeugnis und Dienst«, die von Gliedkirchen (Evangelische Kirche der Union/EKU und Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche/VELK) erarbeitet worden war.28 Mit diesem Beschluss erfolgte ein weiterer Schritt in Richtung der möglichen Bildung einer einheitlichen evangelischen Kirche in der DDR.29 Die Erklärung enthält vorwiegend Festlegungen zur einheitlichen Ausübung des theologischen Dienstes (u. a. Durchführung des Abendmahls, der Taufe). Bemerkenswert ist, dass erstmalig eindeutige Formulierungen von der »Evangelischen Kirche in der DDR« – und damit einer »gemeinsamen« Kirche – enthalten sind. Außerdem wird in der Erklärung davon ausgegangen, dass Entscheidungen mit gesellschaftspolitischen Bezügen den zentralen kirchenleitenden Gremien vorbehalten seien.

(Die »Gemeinsame Erklärung« liegt dem MfS vor und kann bei Bedarf angefordert werden.)

Die Tagung verabschiedete Oberkirchenrat Mitzenheim/Eisenach30 als Mitglied der KKL, der ab 1. Januar 1987 in den Ruhestand tritt.

Die Nachfolge tritt der designierte Oberkirchenrat Kirchner/Eisenach31 an, der die Funktion von Oberkirchenrat Mitzenheim als Leiter der kirchlichen Verwaltungseinrichtung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen übernimmt und damit »geborenes« Mitglied der KKL wird.

Die Information ist wegen Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.

  1. Zum nächsten Dokument Havarie in der Emulgator-Fabrik des VEB Chemische Werke Buna

    24. November 1986
    Information Nr. 527/86 über bisher vorliegende Ergebnisse der Untersuchung der Havarie in der Emulgator-Fabrik des VEB Chemische Werke Buna Schkopau, [Kreis] Merseburg, [Bezirk] Halle, am 11. November 1986

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    24. November 1986
    Information Nr. 524/86 über die Herbstsynoden der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen, der Evangelischen Landeskirche Greifswald und der Evangelischen Kirche des Görlitzer Kirchengebietes