Konferenz der Evangelisch-methodistischen Kirche in der DDR
9. Juni 1986
Information Nr. 273/86 über die Jährliche Konferenz der Evangelisch-methodistischen Kirche in der DDR vom 21. bis 25. Mai 1986 in Aue, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt
In der Zeit vom 21. bis 25. Mai 1986 fand in der Christuskirche in Aue, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt,1 die turnusmäßige Jährliche Konferenz (JK) der Evangelisch-methodistischen Kirche in der DDR (EmK) statt.
An der unter dem Thema »Ich bin der Herr, dein Gott – Zusage und Herausforderung in den Spannungen unserer Zeit« stehenden Konferenz nahmen 250 Delegierte – Pastoren und kirchliche Laien – aus allen Bezirken der DDR sowie Gäste aus der BRD, den USA, Österreich, der Schweiz, Finnland, Großbritannien, Schweden, der Ungarischen Volksrepublik und der UdSSR teil, darunter die Bischöfe Dr. Schäfer/Schweiz2 und Sticher/BRD.3
Nach dem MfS vorliegenden Einschätzungen war die Jährliche Konferenz 1986 geprägt durch ein gewachsenes eigenständiges Engagement der Evangelisch-methodistischen Kirche in der DDR im Kampf um die Erhaltung und Sicherung des Friedens in der Welt sowie durch Bestrebungen der zunehmenden Theologisierung.
Die Tendenz des leichten Rückganges hinsichtlich der Mitgliederzahl setzt sich fort.
Während der Jährlichen Konferenz machte sich die Einberufung einer außerordentlichen Zentralkonferenz zur Wahl des neuen Bischofs der Evangelisch-methodistischen Kirche in der DDR notwendig (Bischof Härtel/Dresden4 stellte wegen einer schwerwiegenden Erkrankung seiner Ehefrau sein Amt zur Verfügung). Zum Bischof der Evangelisch-methodistischen Kirche in der DDR wurde am 22. Mai 1986 der bisherige Direktor des Theologischen Seminars der EmK, Bad Klosterlausnitz, [Bezirk] Gera, Dr. theol. habil. Rüdiger Minor (47),5 gewählt; er wurde am 24. Mai 1986 anlässlich des Gottesdienstes durch den offiziellen Vertreter des Bischofsrates der Vereinigten Methodistischen Kirche, Bischof Dr. Franz Schäfer/Schweiz in sein Amt eingeführt (Angaben zur Person von Bischof Minor und zu seiner erkennbaren kirchenpolitischen Linie als Anlage 1).
Zum Verlauf der Jährlichen Konferenz wurde dem MfS bekannt:
Das traditionelle Konferenzreferat hielt Pastor Siegfried Barth/Zwickau,6 zum Thema: »Ich bin der Herr, dein Gott – Zusage und Herausforderung in den Spannungen unserer Zeit«.
Er führte u. a. aus, dass eine Kirche, die ihren Glauben nicht in der ständigen Begegnung mit Christus erneuere und in der Auseinandersetzung mit den Nöten und Problemen der Menschen erweise, in ein sektiererisches Abseits gedrängt werde, in dem sie zwar noch lange weitermachen, jedoch nicht weiterkommen würde.
Am Schluss seiner stark religiös angelegten Ausführungen versuchte er die Bereitschaft zur persönlichen Verantwortung zu erklären, indem er zum Ausdruck brachte. dass es darauf ankomme, Entscheidungen – gleich ob politische oder kirchliche – verständlich zu machen. Nach seiner Auffassung sei »dafür das Verhältnis der Menschen untereinander und zu Gott entscheidend«.
In der Diskussion zum Referat wurden Fragen der Frömmigkeitshaltung, Heilserwartung und Weltverantwortung angesprochen. Unter anderem wurde dargelegt, dass in den kirchlichen Gemeinden ein Denkumschwung eingetreten sei und ein großer Teil der Gemeindemitglieder die Welt in ihrem Glauben nicht mehr ausklammern würde. Verantwortung für Frieden, Gerechtigkeit und Schöpfung seien darin eingeschlossen.
Des Weiteren wurden Atombombenversuche als Sünde gegen Gott und die Menschen charakterisiert und verurteilt.
Der Jährlichen Konferenz wurde ferner der Arbeitsbericht über die theologischen Gespräche zwischen dem Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR (BEK) und der Evangelisch-methodistischen Kirche in der DDR vorgelegt.7
Als wichtigstes Ergebnis der geführten Gespräche wird darin die »Erklärung und Praktizierung von Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft« bezeichnet, weil damit Auffassungen widerlegt würden, durch die Praktizierung von Kanzel- und Abendmahlgemeinschaft werde die Eigenständigkeit der Kirchen aufgehoben.
Im weiteren Verlauf der Konferenz berichteten die Ausschüsse über die im Berichtszeitraum geleistete Arbeit. Die Berichte beinhalteten überwiegend innerkirchliche Probleme und stellten keine Bezüge zu tagespolitischen Fragen her. Auch in der Diskussion dazu wurden keine politisch-negativen Auffassungen vertreten.
Der Ausschuss »Christliche Erziehung« stellte fest, dass der Trend vergangener Jahre, durch übergemeindliche Veranstaltungen auch kirchenfremde Jugendliche für die Mitarbeit in den Jugendgruppen zu gewinnen, nicht mehr in dem Maße feststellbar sei. Der Nachwuchs bliebe auf heranwachsende »Kirchenkinder« beschränkt.
Vom Ausschuss »Christliche Friedensarbeit« wurde das »Friedenswort 1986« vorgelegt und von der Konferenz bestätigt. (Anlage 2)
Die Evangelisch-methodistische Kirche in der DDR begrüßt darin die sowjetischen Vorschläge für vollständige atomare Abrüstung und Verminderung der konventionellen Rüstung und bedauert, dass bisher keine substantiellen Vereinbarungen zustande gekommen seien und das einseitig vorgenommene und verlängerte Atomtestmoratorium der Sowjetunion bisher nicht entsprechend beantwortet wurde.8 Das Verlangen aller Menschen und Völker nach Leben und Wohlergehen wird als der gemeinsame Ausgangspunkt des Friedenshandelns bei unterschiedlichen politischen und wirtschaftlichen Interessen und Oberzeugungen erklärt.
Es wird weiter dargelegt, dass der gemeinsame Ausgangspunkt des Friedenshandelns bei unterschiedlichen politischen und wirtschaftlichen Interessen und Überzeugungen das Verlangen aller Menschen und Völker nach Leben und Wohlergehen als Alternative zur Konfrontation ist.
Das »Friedenswort 1986« orientiert auf die Mitarbeit aller Regierungen und gesellschaftlichen Kräfte an der Friedensarbeit der UNO und fordert alle international strukturierten Kirchen, kirchlichen Weltbünde und ökumenischen Gremien dazu auf, Friedensinitiativen zu unterstützen.
In diesem Zusammenhang wurde der bekannte »Hirtenbrief« (Anlage 3) des Bischofsrates der Vereinigten Methodistischen Kirche »Verteidigung der Schöpfung: Die atomare Krise und ein gerechter Friede« verlesen.
(Die Teilnehmer der Jährlichen Konferenz bekundeten ihre Zustimmung zu diesem Hirtenbrief.)
In den Berichten der drei Superintendenten – sie beinhalteten vorrangig innerkirchliche Probleme – wurden eine rückläufige Tendenz bzw. Stagnation in der Mitgliederbewegung bei gleichzeitigem Ansteigen der »Opfer- und Spendenbereitschaft« festgestellt.
Superintendent Gerischer/Aue9 brachte seine Dankbarkeit gegenüber der sozialistischen Gesellschaft zum Ausdruck für die »vielen Möglichkeiten, die der Kirche geboten werden, ihre Tätigkeit zu organisieren und durchzuführen«.
Superintendent Walther/Zwickau10 betonte, dass »wir in einer Gesellschaft leben, die nicht von Erwartungen geprägt ist, sondern in der Gleichgültigkeit vorherrscht«.
(Alle Konferenzmaterialien liegen dem MfS im Wortlaut vor und können bei Bedarf angefordert werden.)
An dem ausschließlich religiös geprägten traditionellen Konferenzgottesdienst der Jugend unter dem Motto »Ehre sei Gott und den Menschen Frieden« nahmen ca. 800 Jugendliche aus den umliegenden Kirchengemeinden teil.
Die Jährliche Konferenz der EmK, sie verlief insgesamt ohne Vorkommnisse, wurde mit dem Ordinations- und Sendegottesdienst sowie dem Konferenzgottesdienst beendet.
Die Folgekonferenz ist für die Zeit vom 20. bis 24. Mai 1987 in Zwickau, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt,11 vorgesehen.
Die Information ist wegen Quellengefährdung nur zu persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.
Anlage 1 zur Information Nr. 273/86
Angaben zur Person von Bischof Minor
Dr. Rüdiger Minor studierte Theologie an der Karl-Marx-Universität Leipzig, provomierte dort und habilitierte 1968 zu kirchengeschichtlichen Themen.
Seit dem Jahre 1976 war er als Dozent am Theologischen Seminar der Evangelisch-methodistischen Kirche in der DDR tätig und wurde im Jahre 1984 zu dessen Direktor berufen.
Innerhalb der Evangelisch-methodistischen Kirche in der DDR fungierte er acht Jahre als Vorsitzender des Ausschusses für Friedensfragen und als Vorsitzender des Rechtsrates.
1980 war Dr. Minor Delegierter der Generalkonferenz der Vereinigten Methodistischen Kirche.
Er ist Mitglied im Exekutivausschuss der »Weltgesellschaft für Geschichte des Methodismus« sowie im »Allgemeinen Rat für kirchlichen Dienst« der Vereinigten Methodistischen Kirche. Dr. Minor vertrat in seiner bisherigen Tätigkeit politisch-realistische Positionen; im Bereich seiner Kirche wird er akzeptiert und verfügt über entsprechenden Einfluss.
Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Härtel vertritt er konventionelle methodistische Auffassungen, die sich auch in seiner Predigt auf der Jährlichen Konferenz am 24. Mai 1986 widerspiegelten, indem er u. a. äußerte: »Christen sollten sich nicht ängstlich fragen, was sie tun könnten, um die Kirche attraktiver werden zu lassen, sondern sollten darauf vertrauen, dass aus dem Wort Gottes an die Welt neues geistliches Leben wachse«.
Aus seiner Haltung und dem entsprechenden Einfluss von Bischof Minor erwächst die reale Möglichkeit, dass sich die Evangelisch-methodistische Kirche in der DDR wesentlich selbstständiger und weniger beeinflussbar durch die evangelischen Kirchen in der DDR weiterentwickelt. Deshalb sollte in Erwägung gezogen werden, den Prozess des eigenständigen Friedensengagements sowie der weiteren Profilierung der Evangelisch-methodistischen Kirche in der DDR durch eine verstärkte kirchenpolitische Arbeit der zuständigen staatlichen Organe zu unterstützen.
(Zum neuen Direktor des Theologischen Seminars der Evangelisch-methodistischen Kirche in der DDR wurde der bisher dort als Dozent tätig gewesene Pastor Johannes Schnabel (58) gewählt.)
Anlage 2 zur Information Nr. 273/86
Entwurf eines Friedenswortes 1986
In den Monaten des vergangenen Konferenzjahres wurde der Abrüstungsdialog zwischen den Großmächten durch das Treffen von Generalsekretär Gorbatschow und Präsident Reagan12 und die von Generalsekretär Gorbatschow in der Erklärung vom 15. Januar 1986 unterbreiteten Vorschläge für eine vollständige atomare Abrüstung und eine Verminderung der konventionellen Rüstungen neu belebt. Zu substantiellen Fortschritten in Form von Vereinbarungen ist es aber nicht gekommen, obwohl die Zeit infolge, der ungeheuren Kosten und ständig gefährlicher werdenden Waffentechnik drängt. Aus diesem Grunde begrüßen wir die von der Sowjetunion gemachten Vorschläge. Durch die Bereitschaft beider Seiten, sich auf klar umrissene Abrüstungsprogramme festzulegen, entsprechende Kontrollmaßnahmen zu vereinbaren und Wege für »die Herstellung von Vertrauen als einer unabdingbaren Komponente der zwischenstaatlichen Beziehungen zu ebnen«, könnte tatsächlich die Tendenz durchbrochen werden, »dass das Wettrüsten schneller vorangeht, als die Verhandlungen Ergebnisse bringen«.
(Erklärung von M. Gorbatschow). Die deutliche Absage an die »Logik des Wettrüstens« und die Unterstützung einer neuen, auf Zusammenarbeit gerichteten Denkweise in dem Dokument entsprechen den seit langer Zeit erhobenen Forderungen der eigenständigen kirchlichen Friedensarbeit. Wir bedauern in diesem Zusammenhang, dass das von der Sowjetunion einseitig vorgenommene und verlängerte Atomtestmoratorium nicht entsprechend beantwortet wurde und geben der Hoffnung Ausdruck, dass alle diese positiven Ansätze fortgeführt werden und in konkrete Vereinbarungen einmünden.
Einen wichtigen Beitrag dazu sehen wir im vierzigsten Jahr des Bestehens der UNO und UNO-Jahr des Friedens13 in der uneingeschränkten Verwirklichung ihrer Grundsätze überall auf der Welt. Die Organisation der Vereinten Nationen ist nach dem Zweiter Weltkrieg geschaffen worden, um den Weltfrieden und die internationale Sicherheit der Völker aufrecht zu erhalten. Die Tatsache, dass sie im Zusammenhang mit dieser Aufgabe als ein Hauptziel die Achtung der Menschenrechte nennt (siehe Präambel und Artikel 1 Ziffer 3), macht deutlich, wie unmittelbar ihre Verwirklichung und die Sicherung des Friedens miteinander verbunden sind. In Artikel 55 der Charta der Vereinten Nationen heißt es: »Um Verhältnisse der Stabilität und Wohlfahrt herbeizuführen, die für friedliche und freundschaftliche, auf der Achtung des Prinzips der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker beruhende Beziehungen zwischen den Nationen notwendig sind, fordern die Vereinten Nationen: a) bessere Lebensbedingungen … auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet; … b) … die allgemeine Achtung und Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle ohne Unterschied von Rasse, Geschlecht, Sprache und Religion.« In Artikel 56 haben sich alle Mitgliedsstaaten – also fast alle Staaten der Erde – verpflichtet, diese Ziele zu erreichen. Es erfüllt uns mit Schmerz und Entsetzen, wenn wir erfahren, in welchem Ausmaß in Ländern, die die UNO-Charta unterschrieben haben, diese Prinzipien verletzt und mit Füßen getreten werden. Noch tiefer trifft es uns, dass in Südafrika diese Prinzipien offiziell abgelehnt und eine auf Rassendiskriminierung beruhende Gesellschaftsordnung vertreten wird.14 Wir treten dafür ein, dass die Prinzipien der UNO-Charta bei uns und auf der ganzen Erde in der gesellschaftlichen Praxis konsequent angewendet werden und alle Regierungen und gesellschaftlichen Kräfte die Vereinten Nationen mit ihren Gliederungen tatkräftig unterstützen.
Der gemeinsame Ausgangspunkt des Friedenshandelns ist die Fähigkeit, bei unterschiedlichen politischen und wirtschaftlichen Interessen und Überzeugungen das Verlangen aller Menschen und Völker nach Leben und Wohlergehen als Alternative zur Konfrontation anzunehmen. International strukturierte Kirchen, kirchliche Weltbünde und ökumenische Gremien können diesen Vorgang wesentlich unterstützen. Darum begrüßen wir es, dass sich der Europäische Rat der Evangelisch-methodistischen Kirche im Sommer 1985 mit einer »Stellungnahme und Empfehlungen für unsere kirchliche Friedensarbeit« an die Gemeinden unserer Kirche und die Öffentlichkeit gewendet hat.15 Dabei sind wir uns bewusst, dass die Feststellung, jede Form von Krieg, ob mit konventionellen Waffen oder mit Massenvernichtungsmitteln geführt, sei mit dem Glauben an Jesus Christus unvereinbar, im Blick auf die sich daraus ergebenden Konsequenzen noch einer konkreteren Ausformung bedarf. Weiter begrüßen wir ebenso das Zustandekommen der Friedenskonferenz des Methodistischen Weltrates im Sommer 1985 in London und eines internationalen Friedensseminars des Europäischen Rates über Fragen der Friedenserziehung im Frühjahr 1986 in Österreich. Wir stellen uns erneut hinter die von der Generalkonferenz unserer Kirche von 198416 verfasste Friedensdeklaration17 und heben angesichts aller auf die Einbeziehung des Weltraumes18 bestehenden Planungen die Feststellung hervor: »Wenn die Menschheit aus diesem gegenwärtigen Zeitraum der Wirkungslosigkeit und ständigen Gefahr herausgeführt werden soll, muss die Suche nach neuen Waffensystemen durch umfassende internationale Vereinbarungen zum Halten gebracht werden.« Den Hirtenbrief des Bischofsrates unserer Kirche machen wir uns vollinhaltlich zu eigen und rufen die Gemeinden der Jährlichen Konferenz und alle Glieder auf, ihn eingehend zu studieren. Gemeinsam mit anderen Kirchen unseres Landes und der Welt treten wir für eine weltweite »Konferenz für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung« ein.19 In der Vorbereitung einer solchen Konferenz durch regionale Konsultationen sollten auf theologischer Grundlage auch verbindlichere Aussagen über die Stellung der Christen zu den Fragen von Wehrdienst, Krieg und Friedenssicherung erarbeitet werden. Schließlich rufen wir alle Gemeinden und ihre Glieder auf, sich auch in diesem Jahr aktiv an der Friedensdekade der evangelischen Kirchen in der DDR vom 9. bis 19.November zu beteiligen,20 den 9. November als Sonntag der Friedensmahnung zu gestalten und in anhaltendem Gebet und Friedenszeugnis nicht nachzulassen.
gezeichnet Siegfried Barth
Anlage 3 zur Information Nr. 273/86
Hirtenbrief des Bischofsrates der Vereinigten Methodistischen Kirche
Jährliche Konferenz der Evangelisch-methodistischen Kirche in der DDR vom 21. bis 25. Mai 1986 in Aue
Verteidigung der Schöpfung:
Die atomare Krise und ein gerechter Friede
Von euren Brüdern und Schwestern in Christus Jesus, dem Bischofsrat, allen Methodisten in jedem Land: Gnade sei mit euch und Friede in dem Namen unseres Herrn Jesus Christus.
Mit offenem Herz und Sinn für Christus, der unser Friede ist, und im Gehorsam gegenüber seinem Ruf, Friedensstifter zu sein, und im Eingehen auf die biblische Vision eines umfassenden Friedens, Shalom, wie er in der heiligen Schrift als Gottes Wille und Ziel für die ganze Schöpfung geoffenbart ist, sind wir, die Bischöfe der Vereinigten Methodistischen Kirche, durch den Geist Jesu gedrängt worden, euch eine Botschaft zu senden, der wir den Titel gegeben haben: »Verteidigung der Schöpfung: die atomare Krise und ein gerechter Friede.« Wir glauben, dass diese Botschaft in unserer Gegenwart von höchster Dringlichkeit ist.
Wir schreiben, um die Schöpfung zu verteidigen. Wir tun es, weil die Schöpfung selbst angegriffen ist. Luft und Wasser, Bäume, Früchte und Blumen, Vögel, Fische und Vieh, Groß und Klein, Männer und Frauen leben unter den finsteren Schatten einer drohenden atomaren Eiszeit. Wir rufen unsere weltweite Kirche zu glaubensvollerem Zeugnis und Handeln angesichts der furchtbaren atomaren Krise. Sie ist nicht nur ein bedrohlicher Angriff auf die gesamte Menschheitsfamilie, sondern auf den ganzen Planeten Erde, obwohl schon der Rüstungswettlauf selbst auf grausame Weise Millionen Menschen leben in konventionellen Kriegen, durch unterdrückende Gewalt und Massenarmut zerstört.
Diese Botschaft ist in einem Zeitraum von zwei Jahren vorbereitet worden, in dem wir ernsthaft bemüht waren, das Wort Gottes in der Heiligen Schrift zu hören. Gleichzeitig haben wir betend und bußfertig über den fortwährenden Ausbau des atomaren Arsenals durch einige Nationen nachgedacht. Es ist uns in wachsendem Maße bewusst geworden, welche Verwüstungen diese Waffen auf unserem Planeten Erde anrichten können. Wir haben mit Schmerz das Anwachsen feindlicher Rhetorik und des Hasses zwischen den Nationen beobachtet. Wir haben gesehen, dass die Bedrohung durch eine nukleare Konfrontation in unserer Welt zugenommen hat. Uns motiviert unser eigenes Verständnis von christlicher Verantwortung und Haushalterschaft für die Welt, die Gott geschaffen hat.
Dieser kurze Hirtenbrief ist eine Einführung in ein wesentliches Grundsatzdokument, das wir als Hauptteil unserer Botschaft an die Kirche angefertigt haben. In diesem grundlegenden Dokument haben wir versucht, in großer Klarheit die biblische Basis für unsere Gedanken und Entschließungen festzustellen, die die Sache betreffen, die wir hier ansprechen. Wir haben eine Theologie für Frieden in Gerechtigkeit für unsere Zeit dargelegt, die unser Verständnis des Geistes und Willens Jesu Christi widerspiegelt. Diese Theologie eines gerechten Friedens bedenkt auch unser Verständnis der Einsichten des Pazifismus und der Lehre vom gerechten Krieg, die mit Angemessenheit über den Sachverhalt der gegenwärtigen atomaren Krise sprechen.
Wir sprechen ein klares und bedingungsloses Nein zum Atomkrieg und zu jedem Gebrauch von Atomwaffen. Wir bringen entschlossen zum Ausdruck, dass die Haltung der atomaren Abschreckung niemals den Segen der Kirche erhalten kann. Wir erklären, dass wir keinerlei Vertrauen in eine geplante »Verteidigung« gegen einen Atomangriff setzen und sind überzeugt, dass die enormen Kosten einer solchen Verteidigung ein Beweis mehr für die unverkennbare Tatsache ist, dass der Rüstungswettlauf eine Sache sozialer Gerechtigkeit ist und nicht nur eine Sache von Krieg und Frieden.
Unser Grundsatzdokument zeigt eine Anzahl von Wegen für einen gerechten Frieden auf, einschließlich solcher Abrüstungsvorschläge wie: umfassenden Teststopp, multilaterales und beiderseitig nachprüfbares Einfrieren der Atomwaffen und Verbot aller Weltraumwaffen bis zur schließlichen Vernichtung aller derartigen Waffen.
Die atomare Krise ist jedoch vorrangig nicht eine Frage der Technologie, sie ist eine Krise der menschlichen Gemeinschaft. Wir begrüßen unabhängige amerikanische und sowjetische Initiativen, ein politisches Klima zu fördern, das zu Verhandlungen führt.
Wir fordern eine erneute Verpflichtung, vertragsmäßige Grundlagen für gemeinsame Sicherheit, ökonomische Gerechtigkeit, die Menschenrechte und die Bewahrung der Umwelt zu erarbeiten. Und wir fordern dringend Friedensforschung, Friedensstudium und Friedenseinübung auf allen Ebenen der Erziehung.
Diese Botschaft, die wir einstimmig allen Methodisten senden, ist nicht als übereinstimmende Meinung unserer Kirche oder als politische Erklärung unserer Denomination zur Atomkrise und dem Streben nach Frieden zu verstehen. Sie ist ein seelsorgerliches und ein prophetisches Wort der Bischöfe der Kirche. Ein seelsorgerliches, indem wir als Bischöfe die Kirche anleiten möchten, in Studium, Gebet und Handeln sich diesem Thema und Anliegen zu widmen und dieses Dokument als grundsätzliches Hilfsmittel und als Wegweisung zum Frieden zu benutzen. Ein prophetisches Wort ist es insofern, als dieses Dokument unsere Antwort auf das Wort Gottes ist. Es legt genau unser Verständnis dieses Wortes an die Welt in diesem Augenblick der Geschichte dar.
Unsere Botschaft ist das Ergebnis vieler Monate betenden Studiums, Forschens und Nachdenkens. Sie wird der Kirche nicht in dem Gefühl gegeben, als sei sie das letzte Wort in dieser Sache, oder in der Hoffnung, sie werde gegensätzliche Stimmen zum Schweigen bringen; vielmehr geben wir diese Botschaft an die Kirche mit der Absicht weiter, so fair wie möglich eine breite Diskussion unseres Verständnisses und unserer Überzeugung zu entfachen, gepaart mit redlichem Bedenken abweichender und kritischer Meinungen.
Friedenstiften ist letztlich eine geistliche Angelegenheit. Es ist ein heiliges Rufen Jesu. Alle Bereiche kirchlichen Lebens eröffnen Möglichkeiten des Friedenstiftens: das Familienleben, die christliche Unterweisung, der Dienst der Laien, das pastorale Amt in jeder Hinsicht, das politische Zeugnis und die große Tatsache der Kirche als einer weltweiten Gemeinschaft der Jünger, welche alle Nationen, Herrschaften, Rassen und Ideologien überschreitet.
Darum, liebe Schwestern und Brüder, fordern wir euch auf, mit uns in einen neuen Bund des Friedenstiftens einzutreten, die Bibel gemeinsam mit unserem Friedensdokument als Quellen für ernsthaftes und beständiges Studium der Sache von Gerechtigkeit und Frieden zu benutzen. Wir rufen euch auf, eure Herzen zu öffnen, wie wir unsere Herzen öffnen, um Gottes gnädige Gabe des Friedens zu empfangen, mit uns Evangelisten des Shalom zu werden, die Wege des Friedens zu einem Modell für Jüngerschaft zu machen, die Nachbarn nah und fern einschließend, alle Freunde und Feinde.
Lasst uns Verteidiger der guten Schöpfung Gottes werden und anhalten am Gebet für Frieden in unserer Zeit.
Wir schließen diesen Hirtenbrief mit Gebeten für euch alle und für alle Nationen und Völker der Erde.
Wir beten demütig, Gott möge unser Leben und unsere Erfindungskräfte annehmen und gebrauchen, die wir ihm zum Dienst des Friedens hingeben.
Die Liebe Gottes, der Friede Christi und die Kraft des Heiligen Geistes sei unter euch, überall und immer, dass ihr ein Segen seid für die ganze Schöpfung und alle Kinder Gottes, dass ihr Frieden stiftet und der Armen gedenkt, das Leben wählt und ewiges Leben erlangt zurzeit, die Gott wohlgefällt.
Amen.
Hinweis
Der Bischofsrat der Vereinigten Methodistischen Kirche übergab während seiner Frühjahrssitzung Ende April/Anfang Mai in Morristown/USA den Hirtenbrief und das Grundsatzdokument der Öffentlichkeit.
Die Evangelisch-methodistische Kirche in der DDR ist Teil der weltweiten Vereinigten Methodistischen Kirche.
Der Hirtenbrief fand auch in Presse, Funk und Fernsehen der DDR große Aufmerksamkeit.
Die vorliegende deutsche Übersetzung wurde durch die Pressestelle erstellt.