Konstituierung der V. Synode des BEK
11. Februar 1986
Information Nr. 70/86 über die 1. (konstituierende) Tagung der V. Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen (BEK) in der DDR vom 31. Januar bis 2. Februar 1986 in der Hauptstadt der DDR, Berlin
Die 1. (konstituierende) Tagung der V. Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen (BEK) in der DDR fand vom 31.1. bis 2.2.1986 in der Stephanus-Stiftung Berlin-Weißensee statt.
An der Synodaltagung nahmen alle 60 der gewählten und berufenen Synodalen sowie alle acht leitenden Amtsträger der Gliedkirchen des BEK teil.
(Von den 60 Synodalen fungierten 38 gewählte und berufene Synodalen erstmals als Mitglieder der Bundessynode.)
Auf der Synodaltagung waren als ausländische ökumenische Gäste anwesend:
Bischof Dr. Kruse, Martin/Westberlin,1 Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg (Westberlin) Vorsitzender des Rates der »Evangelischen Kirchen in Deutschland« (»EKD«)/BRD; Superintendent Radatz, Werner/Westberlin,2 Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg (Westberlin), Mitglied des Präsidiums der Synode der »EKD«/BRD; Erzbischof Feodosi/Berlin,3 Exarch der Russisch-Orthodoxen Kirche (ROK) in Mitteleuropa.
Bischof Dr. Kruse/Westberlin und Erzbischof Feodosi/Berlin überbrachten Grußworte an die Synode.
In dem vom Vorsitzenden der »EKD«, Bischof Kruse/Westberlin, gehaltenen Grußwort brachte dieser zum Ausdruck, dass der BEK in der DDR und die »EKD« ihre Entwicklung in Eigenständigkeit bewahren und gestalten müssten. Zwischen dem BEK und der »EKD« hätten sich Begegnungsformen herausgebildet, die unbedingt beibehalten werden sollten. Zur Wahrnehmung der Friedensverantwortung und der guten Nachbarschaft zwischen den beiden deutschen Staaten sowie der Verantwortung für die gemeinsame Zukunft der Welt sei es gut, in »besonderer Gemeinschaft« zwischen den beiden Kirchen zu leben.
Erzbischof Feodosi/Berlin nahm in seinem theologisch geprägten Grußwort Bezug auf das UNO-Jahr des Friedens.4
An der Tagung nahmen elf Pressevertreter aus der DDR (überwiegend kirchliche Zeitschriften) sowie 14 in der DDR akkreditierte Korrespondenten aus nichtsozialistischen Staaten, darunter Korrespondenten aller elektronischen Medien der BRD teil.
Des Weiteren weilte zeitweilig der Kulturreferent der Ständigen Vertretung der BRD in der DDR, Kolitzus, Henner,5 auf der Synodaltagung.
Im Mittelpunkt der 1. (konstituierenden) Tagung der V. Synode des BEK in der DDR standen folgende Schwerpunkte:
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Konstituierung der V. Synode des BEK in der DDR (Wahl der synodalen Mitglieder der Leitungs- und Arbeitsgremien der Synode, wie
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des fünfköpfigen Präsidiums der Synode mit dem Präses als Vorsitzenden;
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der Mitglieder der ständigen Arbeitsausschüsse der Synode;
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der sieben synodalen Mitglieder der KKL,6 nebst zwei Vertretern;
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der sechs synodalen Vertreter der V. Synode des BEK in der Hauptversammlung des Diakonischen Werkes der evangelischen Kirchen in der DDR).
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Konstituierung der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen (KKL) in der DDR durch die Wahl des Vorsitzenden der KKL; der weiteren Mitglieder des Vorstandes der KKL (zwei Stellvertreter, ein synodales Mitglied, Präses der Synode).
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Sachstandsbericht zu den Aufträgen der IV. Synode des BEK in der DDR7 (Referent: Oberkirchenrat Ziegler, Martin/Berlin,8 Leiter des Sekretariats des BEK in der DDR).
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Vorlage und Erläuterungen zum Entwurf »Mit der Kirche leben. Ordnung des kirchlichen Lebens in den Gliedkirchen des BEK in der DDR.«9/Kirchliche Lebensordnung (Referenten: Superintendent Bergmann/Dresden,10 Dr. Genest/Naumburg,11 Kirchenamtsrat Knoth/Karl-Marx-Stadt)12.13
Die Synode ist besonders durch die erfolgte Wahl der neuen Leitungsgremien des BEK, die maßgeblichen Einfluss auf die kirchenpolitische Entwicklung und die Gestaltung der Beziehungen Kirche – Staat ausüben, als außerordentlich bedeutsam einzuschätzen.
Die Ergebnisse der Wahlen widerspiegeln den fortschreitenden Differenzierungsprozess in den evangelischen Kirchen der DDR. Zahlreiche in Leitungsfunktionen gewählte kirchenleitende Kräfte waren in der zurückliegenden Legislaturperiode um ein sachliches und konstruktives Verhältnis Staat – Kirche bemüht und versuchten – wenn auch graduell unterschiedlich – einen politischen Missbrauch der evangelischen Kirchen zu verhindern.
Hervorzuheben ist der gewachsene Anteil von Laienchristen in den gewählten Gremien. Einige von ihnen lassen durch eine qualifizierte Arbeit in ihrer beruflichen Tätigkeit in staatlichen wissenschaftlichen Einrichtungen und Betrieben sowie in Wahrnehmung gesellschaftlicher Verpflichtungen bewusstes gesellschaftspolitisches Engagement erkennen (Dr. Ing. Gaebler/Leipzig,14 Dr. Nollau/Dresden,15 Architekt Hirsch/Stralsund,16 Dr. Domke/Potsdam).17
Demgegenüber gelang es solchen politisch-negativen Kräften wie Präsident Domsch/Dresden,18 Pfarrer Passauer/Berlin,19 Diplom-Mathematiker Frenzel/Dresden,20 Diplom-Mathematiker Jagusch/Jena21 nicht, ihre Positionen auszubauen.
Mit den Ergebnissen der Wahlen auf der Synodaltagung sind objektive Voraussetzungen für eine weitere politisch positive Profilierung der kirchenleitenden Gremien des BEK in der DDR gegeben, die jedoch durch entsprechende kontinuierliche Einflussnahme aller zuständigen staatlichen Organe und gesellschaftlichen Gremien weiter zielgerichtet unterstützt werden muss.
(Über die personelle Zusammensetzung der im Ergebnis langwieriger Wahlhandlungen gebildeten neuen Leitungsgremien wird in der Anlage informiert.)
Die Stellungnahmen und Meinungsäußerungen der Synodalen zur Friedenspolitik der sozialistischen Staaten, insbesondere zu den Abrüstungsvorschlägen der UdSSR,22 teilweise verbunden mit der Würdigung des persönlichen Anteils des Generalsekretärs des ZK der KPdSU, Genossen Michail Gorbatschow,23 nahmen einen verhältnismäßig breiten Raum ein. Diesbezügliche Haltungen von Synodalen wurden dabei auch maßgeblich beeinflusst durch die konstruktive, auf die Erhaltung und Festigung des Friedens gerichtete Politik der DDR.
Nicht erreicht wurde die Zielstellung progressiver Kräfte, ein offenes, eindeutiges Bekenntnis der Synode zu dem vom Genossen Gorbatschow unterbreiteten umfassenden Abrüstungsprogramm abzulegen. Diese Inkonsequenz resultiert aus dem nach wie vor vorhandenen Einfluss der »EKD« gegenüber den evangelischen Kirchen in der DDR auf den verschiedensten Ebenen. (Nach vorliegenden Hinweisen ist die Leitung der »EKD« nicht bereit, sich ablehnend zum SDI-Programm der USA24 auszusprechen bzw. den Vorschlägen des Genossen Gorbatschow zuzustimmen. Das hat Auswirkungen auf die Haltung der Leitung des BEK in der DDR zu diesen Problemen.)
Auf der 1. (konstituierenden) Tagung der V. Synode kam es im Gegensatz zur vorangegangenen 5. Tagung der IV. Synode (September 1985)25 zu keinem provokatorischen Auftreten von Synodalen und leitenden kirchlichen Amtsträgern.
Zurückzuführen ist das besonders auf die im Vorfeld der Synode erfolgte intensive Einflussnahme auf kirchenleitende Amtsträger und Synodalen.
Zum Verlauf der Tagung sind folgende Gesichtspunkte bemerkenswert:
In dem von Oberkirchenrat Ziegler/Berlin vorgetragenen elfseitigen »Sachstandsbericht zu den Aufträgen der IV. Bundessynode« (Zeitraum September 1985 bis Januar 1986) wird u. a. zu solchen gesellschaftspolitischen Problemen, wie »Frieden, Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung«, kirchlicherseits angestrebtes Gespräch des Vorstandes der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen (KKL) mit dem Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Genossen Erich Honecker,26 Erhaltung kirchlicher Gebäude in der DDR Stellung bezogen.
Im Zusammenhang mit Problemen des kirchlichen Friedensengagements wies Oberkirchenrat Ziegler darauf hin, dass der von der KKL eingesetzte Ad-hoc-Ausschuss »Friedensfragen« für die Herbstsynode (19. bis 23.9.1986 in Erfurt)27 einen Abschlussbericht »Zum Problem des Bekennens in der Friedensfrage« vorbereite.28
Die vor Beginn der Synode gegenüber staatlichen Vertretern gegebene Zusage, zur Inhaftierung von Wehrdienstverweigerern29 keine Aussagen zu treffen, wurde nicht eingehalten. Analog zu diesbezüglichen Feststellungen auf der 102. Tagung der KKL am 10. und 11. Januar 1986 in Berlin (siehe Information des MfS Nr. 40/86 vom 24.1.1986) wurde diese Problematik im Sachstandsbericht in einer Form dargestellt, die bei den Anwesenden den Eindruck erwecken musste, die Entscheidung der Partei- und Staatsführung der DDR über die Freilassung inhaftierter Wehrdienstverweigerer sei auf Drängen der KKL zustande gekommen.30
Zugleich wurde darauf verwiesen, dass es kirchlicherseits bei der Aufrechterhaltung der Forderung nach der Einrichtung eines zivilen Wehrersatzdienstes und der Schaffung der Möglichkeit des waffenlosen Dienstes für vereidigte Reservisten bleibe.31
Im Sachstandsbericht wird weiter betont, der Vorsitzende der KKL, Bischof Hempel,32 habe am 11.2.1985 die Bitte nach einem Gespräch des Vorstandes der KKL mit dem Vorsitzenden des Staatsrates der DDR an den Genossen Erich Honecker herangetragen, bisher aber keine Antwort erhalten.
Des Weiteren enthält der Bericht in tendenziöser Form den Hinweis auf »den drohenden Verfall kirchlicher Gebäude«, verbunden mit der Forderung an den Staat nach Bereitstellung zusätzlicher Baukapazitäten in Höhe von jährlich ca. 6 Millionen Mark.
Verwiesen wird auf eine dem Vorsitzenden des Ministerrates der DDR übersandte Liste, in der 123 kirchliche Objekte bezeichnet seien, für deren Werterhaltung und Rekonstruierung im Zeitraum von 1986 bis 1990 finanzielle Mittel in Höhe von rund 46 780 000 Mark benötigt würden.33
Nach einer 15-jährigen Vorbereitungszeit wurde der Synode ein 23-seitiger Entwurf zur kirchlichen Lebensordnung »Mit der Kirche leben. Ordnung des kirchlichen Lebens in den Gliedkirchen des BEK in der DDR« vorgelegt.
Das Dokument enthält überwiegend theologisch geprägte Richtlinien zum religiösen Leben und innerkirchlichen Verhalten bis hin in den persönlichen Lebensbereich. In einem kürzeren Abschnitt werden zum Verhalten der Christen zur gesellschaftlichen Umwelt Aussagen getroffen.
So wird im Abschnitt »Mitarbeit in der Gesellschaft« festgestellt, dass viele Christen verantwortungsbewusst Aufgaben im gesellschaftlichen Leben wahrnehmen.
In diesem Zusammenhang wird hervorgehoben, dass die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung aber nicht darin bestehen könne, vorgegebene gesellschaftliche Aufträge gegen die eigene Überzeugung und ohne Prüfung der Zusammenhänge zu erfüllen.
Wörtlich heißt es: »Gegebenenfalls wird diese Verantwortung auch als Klage, Kritik und Verweigerung praktiziert werden müssen.«
(Der Entwurf soll auf den unterschiedlichen kirchlichen Ebenen bis 1987 erörtert und redigiert werden, um ihn daraufhin zum allgemeingültigen Kirchengesetz zu erheben.)
Die im Plenum bzw. in Arbeitsgruppen geführten Diskussionen zum Sachstandsbericht und zum Entwurf zur kirchlichen Lebensordnung trugen überwiegend theologischen und innerkirchlichen Charakter. Nur einzelne Synodalen nahmen zu gesellschaftspolitischen Fragen Stellung. In den Diskussionen kamen sowohl realistische als auch ausgeprägte pazifistische Positionen und Standpunkte zum Ausdruck.
So forderte der Synodale Pfuhl/Hirschluch34 die Würdigung der Friedensvorschläge der KPdSU und schlug vor, der UdSSR Dank für des Teststopp-Moratorium35 auszusprechen.
Synodale Kiesow/Rostock36 verwies auf die Notwendigkeit der Erwähnung der Ergebnisse des Genfer Gipfels.37
Synodale Lättig/Aschersleben38 erklärte, die gegenwärtige politische Situation in Südafrika sei nur mit dem Nationalsozialismus vergleichbar und beantragte, als Zeichen der Solidarität an Winnie Mandela39 einen Brief zu verabschieden.40
Synodale Wessel/Berlin41 betonte zur Frage militärischer Friedenssicherung, für Christen ergebe sich auf der Grundlage individueller Gewissensentscheidungen eine Gleichstellung des Waffendienstes, des Bausoldatendienstes und der Wehrdienstverweigerung.
Pfarrer Passauer/Berlin führte unter Bezugnahme auf die Wehrdienstproblematik an, für die vor dieser Gewissensentscheidung stehenden Jungerwachsenen würden Berater in Kirche und Staat benötigt. Beispielhaft wirke hierbei Rechtsanwalt Schnur/Binz,42 dem dafür Dank gebühre. Pfarrer Passauer unterbreitete den Vorschlag, die Kompetenzen Rechtsanwalt Schnurs über den Rahmen der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg hinaus auf den gesamten Bereich des BEK in der DDR auszudehnen.
Internen Hinweisen zufolge hatte Pfarrer Passauer diesen Diskussionsbeitrag vor Beginn der Synode mit Konsistorialpräsident Stolpe/Berlin43 und Rechtsanwalt Schnur abgestimmt.
Synodale Semper/Oranienburg44 unterstützte die jüngsten Friedens- und Abrüstungsvorschläge des Genossen Gorbatschow. Er verglich sie mit dem Friedensengagement von Jugendlichen in den Jahren 1982/83, für die »diese Jugendlichen damals beinahe Schläge bekommen hätten«.
In den Stellungnahmen der Leitung der Synodaltagung zur Diskussion waren insbesondere Bischof Hempel und Konsistorialrat Stolpe um sachliche und realistische Antworten bemüht.
So führte Bischof Hempel zum Problem »Spitzengespräch« aus, die Zusicherung dafür sei erfolgt. Die Kirche wie auch der Staat wüssten jedoch, dass für ein solches Gespräch nicht nur die Zeit, sondern auch die inneren Bedingungen klar sein müssten. Das Ziel, ein solches Gespräch zu führen, sei nicht abgesetzt, es würde lediglich noch Zeit gebraucht.45
Der neugewählte Vorsitzende der KKL Bischof Leich46 bekräftigte u. a. die kontinuierliche Fortsetzung des kirchenpolitischen Weges vom 6.3.1978, der sich durch Gesprächsbereitschaft, Offenheit und gegenseitige Achtung sowie sachliche »Austragung der Widersprüche« auszeichnen müsse.47 Dabei stehe vor der Kirche besonders die Aufgabe sich für die »Schwachen« einzusetzen.
Leich begrüßte das Genfer Gipfelgespräch und die Abrüstungsvorschläge des Generalsekretärs des ZK der KPdSU, Genossen Gorbatschow, und betonte, dass die Kirche durch diese Vorschläge »herausgefordert sei«.
Des Weiteren verwies Leich auf die »zu pflegende besondere Gemeinschaft« der evangelischen Landeskirchen in der DDR und der BRD, die aus einer 450-jährigen gemeinsamen Kirchengeschichte erwachse.
Im Ergebnis der 1. (konstituierenden) Tagung der V. Synode des BEK in der DDR wurden folgende Beschlüsse durch die Synode verabschiedet:
- 1.
Beschluss zur Friedensproblematik
In diesem Beschluss werden die Ergebnisse des Genfer Gipfeltreffens und die Abrüstungsvorschläge des Generalsekretärs des ZK der KPdSU, Genossen Gorbatschow, begrüßt und als »hoffnungsvolles Zeichen« charakterisiert.
Die KKL wird beauftragt, eine diesbezügliche Stellungnahme zu erarbeiten, die »diese Entwicklung anspricht und die Gemeinden ermutigt, diese durch ihr Gebet und ihre Friedensarbeit zu unterstützen«.
- 2.
Beschluss zur Formulierung eines Briefes an Winnie Mandela
Die Synode beauftragte das Präsidium, einen Brief an Winnie Mandela zu formulieren und zu übersenden.48
- 3.
Beschluss zur Erörterung der Problematik »Friedensdekaden«49
Die Synode verabschiedete den Beschluss, auf ihrer 2. ordentlichen Tagung (19. bis 23.9.1986 in Erfurt)50 die Thematik sowie inhaltliche Vorgaben zur »Friedensdekade« 1986 vorzulegen und zur Diskussion zu stellen.51
Nach Abschluss der Synodaltagung gab der neugewählte Vorstand der KKL ein halbstündiges Pressegespräch, an dem alle auf der Synodaltagung anwesenden in- und ausländischen Medienvertreter teilnahmen.
Im Rahmen dieses Pressegesprächs wurden alle gestellten Fragen durch Bischof Leich, Präses Gaebler, Konsistorialpräsident Stolpe und Oberkirchenrat Ziegler sachlich beantwortet.
Alle innerkirchlichen Materialien der Tagung liegen vor und können bei Bedarf angefordert werden.
Die Information ist nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.
Anlage zur Information Nr. 70/86
Im Rahmen der Konstituierung der V. Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen (BEK) in der DDR wurden im Ergebnis langwieriger Wahlhandlungen gewählt:
1. Präsidium der V. Synode des BEK in der DDR
als Präses (im 2. Wahlgang mit 36 Stimmen):
Dr. Ing. Gaebler, Rainer/Leipzig (48), wissenschaftlicher Mitarbeiter im Brennstoffinstitut Freiberg, Forschungsbereich Leipzig.
Dr. Ing. Gaebler ist als politisch realistischer Synodale einzuschätzen.
Er ist seit 1978 Synodale der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens und als solcher synodales Mitglied der Kirchenleitung. 1985 erfolgte die Wahl des Gaebler zum Vize-Präses der Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens. Gaebler ist erstmalig Synodale des BEK in der DDR.
In seiner Arbeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter gilt Gaebler als Spezialist und zuverlässiges Mitglied seines Arbeitskollektivs.
Seine aufgeschlossene Haltung gegenüber der Politik von Partei und Regierung in der DDR drückt sich nicht zuletzt in seiner umfangreichen gesellschaftlichen Arbeit im Arbeitskollektiv aus (Mitglied der Kommission »Arbeit – Löhne – Wettbewerb« der BGL; Mitglied der Betriebssektion der KdT; Mitglied des Reservistenkollektivs und anderes).
1968 und 1977 wurde Gaebler als »Aktivist der sozialistischen Arbeit« ausgezeichnet.
als 1. Vize-Präses (im 1.Wahlgang mit 48 Stimmen):
Konsistorialrätin Cynkiewicz, Rosemarie/Berlin (50), Evangelisches Konsistorium Berlin-Brandenburg.
Bei der Konsistorialrätin Cynkiewicz handelt es sich um eine im Wesentlichen politisch loyale Positionen vertretende kirchliche Amtsträgerin. Sie ist als engagierte Theologin einzuschätzen.
Die Cynkiewicz wurde 1975 nach einjähriger Tätigkeit als Gemeindepastorin in Berlin zur Konsistorialrätin im Konsistorium der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg berufen.
1982 erfolgte die Wahl der Cynkiewicz zum Mitglied der IV. Synode des BEK in der DDR, und seit 1983 nahm sie das Amt des Vize-Präses der IV. Bundessynode ein.
Durch äußere Einflussnahme neigt die Cynkiewicz zu spontanen und unbedachten Meinungsäußerungen und Handlungen, die teilweise politisch negativen Charakter tragen.
als 2. Vize-Präses (im 1.Wahlgang mit 41 Stimmen):
Rechtsanwalt de Maizière, Lothar/Berlin (46).
Rechtsanwalt de Maizière, Mitglied des Vorstandes des Berliner Rechtsanwaltskollegiums, ist bisher als langjähriges Mitglied der CDU politisch loyal aufgetreten und hat zu vielen gesellschaftspolitischen Problemen positive Standpunkte erkennen lassen.
Aufgrund der traditionellen kirchlichen Bindungen von Rechtsanwalt de Maizière (Sohn des verstorbenen Rechtsanwalts Clemens de Maizière, der über viele Jahre Synodale der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg war) ist er mit relativ vielen Verfahren, an denen insbesondere die evangelischen Kirchen in der DDR interessiert sind, beauftragt (u. a. Wehrdienstverweigerungen), ohne sich dabei mit den politisch-negativen bzw. feindlichen Zielstellungen einiger der juristisch betreuten Personen zu identifizieren.
De Maizière ist als berufener Synodale erstmals Mitglied einer Bundessynode.
als Beisitzer:
Architekt Hirsch, Siegfried/Stralsund (51), VEB BMK Industrie- und Hafenbau, Kombinatsbetrieb Forschung, Projektierung und Technologie (im 1.Wahlgang mit 35 Stimmen).
Bei dem Architekten Hirsch handelt es sich um einen politisch realistischen kirchlichen Amtsträger.
Hirsch war bereits in der I. Legislaturperiode der Synode des BEK in der DDR (1969 bis 1973) gewähltes Mitglied der Bundessynode.
Im Rahmen seines Wirkens als langjähriger ehemaliger Synodale der Evangelischen Landeskirche Greifswald (derzeit Nachfolgekandidat) engagierte sich Hirsch wiederholt bei der Zurückdrängung von Versuchen reaktionärer kirchlicher Kräfte, konfrontative Situationen im Verhältnis zwischen Staat und Kirche zu forcieren (z. B. im Zusammenhang mit Fragen der Volksbildung). Hirsch trat seit seiner Zugehörigkeit zur I. Synode des BEK in der DDR überregional kirchenpolitisch nicht in Erscheinung.
Im Rahmen seines Arbeitskollektivs, in dem Hirsch nicht als kirchlich engagierte Person in Erscheinung tritt, ist er als qualifizierter Fachmann anerkannt und als Abteilungsleiter geschätzt, der seine politisch positive Haltung zur Politik von Partei und Regierung der DDR zum Ausdruck bringt und in seiner fachlichen Arbeit unter Beweis stellt. Hirsch ist GVS-verpflichtet. Er ist als Gewerkschaftsvertrauensmann tätig.
Oberin Dietrich, Anneliese/Dresden (52), Evangelische Diakonissenanstalt Dresden (im 1. Wahlgang mit 33 Stimmen).
Die Oberin Dietrich ist bisher als eine noch wenig politisch profilierte, jedoch zum Teil politisch realistische Positionen vertretende kirchliche Amtsträgerin einzuschätzen.
So bekundete sie unter Bezugnahme auf die getroffenen Vereinbarungen zwischen Staat – Kirche zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Diakonissen52 öffentlich ihre Dankbarkeit und ihre Zustimmung zur Politik von Partei und Regierung im »Neuen Deutschland« und in der »Sächsischen Zeitung« (Bezirksorgan der SED).53
Die Dietrich fungiert als berufene Synodale der V. Synode des BEK in der DDR erstmals als Mitglied einer Synode auf landeskirchlicher oder zentraler Ebene.
2. sieben synodale Mitglieder der KKL
- 1.
Dr. Domke, Helmut/Potsdam (42), Zentralinstitut für Astrophysik in Potsdam (im 1. Wahlgang mit 32 Stimmen).
In seiner kirchenpolitischen Haltung kann Dr. Domke als politisch loyal eingeschätzt werden. Aus einer traditionellen Pfarrersfamilie stammend vertritt Domke pazifistische Grundpositionen und gesellschaftsindifferente Haltungen in der Friedensfrage.
In seiner gesellschaftlichen Tätigkeit kann Dr. Domke als aufgeschlossen beurteilt werden (Mitglied FDGB, Konfliktkommission, Wahlfunktion in der DSF). Er war bereits während der Legislaturperioden der III. und IV. Synode des BEK in der DDR synodales Mitglied der KKL.
- 2.
Dr. Nollau, Volker/Dresden (45), TU Dresden (im 2. Wahlgang mit 32 Stimmen).
Dr. Nollau ist als politisch realistischer kirchlicher Amtsträger einzuschätzen. Er bekleidet seit 1985 das Amt des Präsidenten der Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens. Des Weiteren ist er Mitglied der IV. Generalsynode der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche (VELK) in der DDR (1985 bis 1990).
Als außerordentlicher Hochschuldozent für Wahrscheinlichkeitstheorie und Mathematische Statistik ist Dr. Nollau als profilierter Wissenschaftler geachtet. Er wurde 1971ausgezeichnet als »Aktivist der sozialistischen Arbeit«. Dr. Nollau ist Mitglied des FDGB und der DSF und fungiert seit 1979 als stellvertretender BGL-Vorsitzender.
Er ist erstmals gewähltes Mitglied der Bundessynode.
- 3.
Pastorin Salinger, Renate/Zittau (52) (im 3.Wahlgang mit 39 Stimmen).
Bei der Pastorin Salinger handelt es sich um eine politisch loyale kirchliche Amtsträgerin, die noch nicht politisch profiliert ist. Sie ist synodales Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche des Görlitzer Kirchengebietes.
Pastorin Salinger fungiert erstmals als Synodale des BEK in der DDR.
- 4.
Superintendent Große, Ludwig/Saalfeld (53) (im 3.Wahlgang mit 35 Stimmen).
Superintendent Große ist zu den politisch negativen kirchlichen Amtsträgern zu rechnen. Er trat bereits wiederholt mit massiven Angriffen gegen die Politik von Partei und Regierung in der DDR in Erscheinung. Er ist Mitglied der Synode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen und Synodale der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche (VELK) in der DDR.
Er war bereits in den Legislaturperioden der III. und IV. Synode des BEK in der DDR synodales Mitglied der KKL.
- 5.
Pfarrer Adolph, Roland/Struppen (39) (im 4.Wahlgang mit 32 Stimmen).
Pfarrer Adolph vertritt politisch negative Grundpositionen zur Politik von Partei und Regierung in der DDR. Er trat wiederholt in der Vergangenheit insbesondere gegen die Friedens- und Verteidigungspolitik der DDR auf und wirkte als aktiver Verfechter des sogenannten sozialen Friedensdienstes.
Er war bereits Synodale der IV. Legislaturperiode der Synode des BEK in der DDR.
- 6.
Dr. Seichter, Eberhard/Bleicherode (57)
Bezirksfachkrankenhaus Nordhausen, Einrichtung Wülfingerode
(im 4. Wahlgang mit 31 Stimmen)
Bei dem Stationsarzt für Kinderpsychiatrie Dr. Seichter handelt es sich um einen streng gläubigen kirchlichen Amtsträger, der politisch labile Positionen vertritt, ohne in der Vergangenheit öffentlichkeitswirksam mit politischen Haltungen in Erscheinung getreten zu sein.
Dr. Seichter siedelte 1953 aus der BRD kommend in die DDR über.
In seinem Tätigkeitsbereich besitzt er Autorität und wird fachlich anerkannt und geachtet. Er ist Mitglied des FDGB, der DSF und des DRK.
Er ist seit 1986 erstmals Mitglied der Synode des BEK in der DDR.
- 7.
Schmidt, Johanna/Rostock (50)
Wilhelm-Pieck-Universität Rostock, Radiologische Klinik
(im 7. Wahlgang mit 45 Stimmen)
Die Arztsekretärin Schmidt ist als politisch loyale kirchliche Amtsträgerin einzuschätzen, die bisher wenig in Erscheinung trat. Sie ist Mitglied der Kirchenleitung und der Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs.
Sie wird als einsatzbereite und qualifizierte Sekretärin beurteilt. Organisiert ist die Schmidt im FDGB.
Sie ist erstmals Mitglied der Bundessynode.
Als Stellvertreter dieser sieben synodalen Mitglieder der KKL wurden gewählt.
1. Stellvertreter (im 1. Wahlgang mit 41 Stimmen)
Pfarrer Passauer, Michael/Berlin (43)
Passauer ist als Amtsträger mit politisch negativer Grundhaltung hinlänglich bekannt. Als ehemaliger Stadtjugendpfarrer (bis 1985) in der Hauptstadt der DDR, Berlin, war er Mitorganisator der »Blues Messen«,54 forderte die Einführung eines »Sozialen Friedensdienstes« und nahm wiederholt Stellung gegen die Friedens-, Verteidigungs- und Sicherheitspolitik der DDR.
Passauer ist jetzt als Gemeindepfarrer tätig.
2. Stellvertreter (im 2. Wahlgang mit 36 Stimmen)
Pfarrer Noack, Axel/Wolfen (36).
Noack war bis 1984/85 als Jugendpfarrer in Merseburg tätig und in dieser Zeit Mitorganisator des »Umweltkreises Merseburg«55, der sich mit der Erarbeitung von Informationsmaterialien zu Ökologiefragen beschäftigte. Er war Mitinitiator einer Wanderausstellung zur Umweltbelastung, u. a. inhaltlich ausgerichtet auf angeblich unzureichende Maßnahmen staatlicher Organe.
Seit 1985 ist er Pfarrer in Wolfen und hat sich seitdem politisch loyal verhalten.
Des Weiteren erfolgte im Rahmen der Wahlhandlungen für die Arbeitsgremien der V. Synode des BEK in der DDR die Wahl der Mitglieder der sechs Ständigen Arbeitsausschüsse der Synode (Berichtsausschuss, Rechtsausschuss, Legitimationsprüfungsausschuss, Haushaltsausschuss, Wahlvorbereitungsausschuss, Ausschuss für die Arbeit der Kommissionen) sowie die Wahl der sechs Vertreter der V. Synode des BEK in der DDR in der Hauptversammlung des Diakonischen Werkes der evangelischen Kirchen in der DDR.
(Die Aufstellung der gewählten Mitglieder der sechs synodalen Arbeitsausschüsse sowie die Liste der synodalen Vertreter in der Hauptversammlung des Diakonischen Werkes der evangelischen Kirchen in der DDR liegen vor und können bei Bedarf angefordert werden.)
Nach erfolgter Wahl der sieben synodalen Mitglieder der KKL konstituierte sich im Zeitraum der Synodaltagung die insgesamt 24 kirchenleitende Amtsträger umfassende neuformierte KKL (neben den gewählten sieben synodalen Mitgliedern gehören 17 »geborene«, d. h. aufgrund ihres Amtes zugehörige Mitglieder – jeweils Bischof und Leiter der kirchlichen Verwaltungseinrichtung der acht evangelischen Landeskirchen sowie der Präses der Synode – zur KKL) in einer außerordentlichen Sitzung durch die Wahl des Vorsitzenden und der weiteren Mitglieder des Vorstandes der KKL.
Im Ergebnis der Wahlhandlungen wurden gewählt zum
- –
Vorsitzenden der KKL: Landesbischof Leich, Werner/Eisenach (59), Evangelisch-Lutherische Kirche in Thüringen,
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Stellvertreter des Vorsitzenden: Konsistorialpräsident Stolpe, Manfred/Berlin (49), evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg,
- –
Stellvertreter des Vorsitzenden: Bischof Demke, Christoph/Magdeburg (50), Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen,
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synodalen Mitglied der KKL: Pastorin Salinger, Renate/Zittau (52), Evangelische Kirche des Görlitzer Kirchengebietes
Des Weiteren gehören dem sechsköpfigen Vorstand der KKL der neugewählte Präses der Bundessynode, Dr. Ing. Gaebler, Rainer/Leipzig, (48), als »geborenes« Mitglied (von Amts wegen) mit beschließender Stimme und der Leiter des Sekretariats des BEK in der DDR, Oberkirchenrat Ziegler, Martin/Berlin (54), als »geborenes« Mitglied (von Amts wegen) mit beratender Stimme an.
(Ausführliche Auskunftsberichte zum Vorsitzenden der KKL, Landesbischof Leich/Eisenach, sowie zu dessen Stellvertretern, Konsistorialpräsident Stolpe/Berlin und Bischof Demke/Magdeburg, liegen vor.)
Die Angaben zu den gewählten kirchlichen Amtsträgern sind nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.