Messungen von Radioaktivität im Grenzverkehr zur BRD (1)
3. Mai 1986
Information Nr. 213/86 über die Durchführung von Messungen der Radioaktivität im grenzüberschreitenden Verkehr an Grenzkontrollstellen der BRD
Am 3. Mai 1986 wurden in der Zeit von 2.30 bis 3.00 Uhr durch Grenzkontrollorgane der BRD an der Grenzkontrollstelle Herleshausen insgesamt 31 Kraftfahrzeuge (20 Lkw aus der Ungarischen Volksrepublik, zehn Lkw aus der VR Polen, ein Pkw aus der VR Polen) zur Grenzübergangsstelle Wartha zurückgeschickt. Die Fahrzeugführer wurden aufgefordert, die Fahrzeuge in einen ordnungsgemäßen Zustand zu bringen; danach wäre eine Einreise in die BRD möglich. Diese Kraftfahrzeuge waren am 1. und 2. Mai 1986 nach der BRD ausgereist. Sie wurden dort mehrmals mittels Geigerzähler auf Radioaktivität überprüft.1 Die Personale durften die Fahrzeuge nicht verlassen und erhielten auch keine Verpflegung.
Es wurde entschieden, die Kfz auf radioaktive Strahlung zu vermessen (bisherige Messungen ergaben Werte von 0,10 bis 0,15 Rem), entsprechende Protokolle zu fertigen und die Fahrzeuge in Kraftverkehrsbetrieben des Bezirkes Erfurt zu waschen. Danach ist ihre erneute Ausreise in die BRD vorgesehen.
Diesen Handlungen ging Folgendes voraus:
Am 1. Mai 1986, 10.52 Uhr, wurde dem Diensthabenden Offizier des Kommandanten der Grenztruppen der DDR auf der Grenzübergangsstelle Wartha über den Grenzinformationspunkt durch die BRD-Seite folgender Text übermittelt: »An der Grenzkontrollstelle Herleshausen werden Dekontaminierungsmaßnahmen* durchgeführt, und in diesem Zusammenhang können Staus auftreten.«
* [Fußnote im Original: Maßnahmen zur Entgiftung bzw. Beseitigung oder Verringerung einer radioaktiven Verseuchung durch chemische oder physikalische Verfahren.]
Nach vorliegenden Hinweisen war bereits vor der Übermittlung der Information im Bereich der Lkw-Abfertigung der Grenzkontrollstelle Herleshausen damit begonnen worden, Geigerzählermessungen auf Radioaktivität an allen in die BRD einreisenden Lkw vorzunehmen.
Seit dem 1. Mai 1986, 11.00 Uhr, sind alle in die BRD einreisenden Kraftfahrzeuge (Pkw, Lkw, KOM – einschließlich die im vom Transitabkommen erfassten Transitverkehr)2 in die Messungen auf Radioaktivität einbezogen.
Im Verlauf des 1. Mai 1986 wurden auch an den Grenzkontrollstellen Gudow und Helmstedt/Autobahn und Eisenbahn Messungen an in die BRD einreisenden Kraftfahrzeugen und Reisezugwagen durchgeführt.
Bereits am 1. Mai, 8.00 Uhr, wurde an der Grenzkontrollstelle Gudow ein Sattelschlepper des VEB Kraftverkehr Schwerin mit der »Begründung« zurückgewiesen, dass am Luftfiltereinsatz (wurde von BRD-Organen beschlagnahmt) eine Strahlungsintensivität von 3,0 Rem festgestellt worden sei. Auf DDR-Seite nach Rückkehr des Kfz unverzüglich durchgeführte Messungen im Luftfilterbereich – allerdings ohne Filtereinsatz – ergaben lediglich einen Wert von 0,04 Rem.
Weiter wurde am 1. Mai in Hannover ein mit Aufklebern »radioaktiv« versehener und verschlossener Schlafwagen der Polnischen Staatsbahn an den Internationalen Reisezug Paris-Moskau angekoppelt. Als Begründung wurde angegeben, dass der Wagen »aus der näheren Umgebung des Reaktorunglücks« käme und deshalb als Leerwagen nach Warschau zurückgeführt werde.
Auf dem BRD-Grenzbahnhof Büchen werden seit dem 2. Mai alle aus der DDR ankommenden Güterzüge auf radioaktive Abstrahlung untersucht.
Nach weiteren Hinweisen werden seit dem 2. Mai sowjetische und polnische Schiffe auf dem Nord-Ostsee-Kanal angehalten. Die Fortsetzung der Fahrt wird nach einer »besonderen Waschung« gestattet.
Es wird vorgeschlagen, in geeigneter Form gegen die den objektiven Bedingungen nicht angemessenen und auf die Behinderung des grenzüberschreitenden Verkehrs von der DDR nach der BRD zielenden willkürlichen Maßnahmen der Organe der BRD zu protestieren.