Messungen von Radioaktivität im Grenzverkehr zur BRD (2)
6. Mai 1986
Information Nr. 214/86 über Maßnahmen der Grenzkontrollorgane der BRD im Zusammenhang mit Messungen der Radioaktivität im grenzüberschreitenden Verkehr und daraufhin durchgeführte Maßnahmen der Organe der DDR
Im Zusammenhang mit der westlichen Kampagne über die Havarie im Kernkraftwerk Tschernobyl1 und mit der Begründung, Schäden von der BRD fernzuhalten, wurde in den Morgenstunden des 1. Mai 1986 – zunächst an der Grenzkontrollstelle Herleshausen – damit begonnen, an nach der BRD ausreisenden Kraftfahrzeugen aus den sozialistischen Ländern – in Einzelfällen auch der DDR – Messungen der Radioaktivität durchzuführen. Von diesen Maßnahmen der BRD-Seite war die DDR am 1. Mai 1986, 10.52 Uhr, über den Grenzinformationspunkt Wartha in Kenntnis gesetzt worden.
Noch am gleichen Tag wurden auch an den Grenzkontrollstellen Gudow, Helmstedt/Autobahn und Eisenbahn sowie seit dem 4. Mai 1986 an der Grenzkontrollstelle Dreilinden (Westberlin) entsprechende Messungen im grenzüberschreitenden Verkehr durchgeführt.
Zu den Grenzkontrollstellen Lauenburg, Rudolphstein, Lübeck-Schlutup, Heerstraße (Westberlin) – alle Straßenverkehr –, Walkenried, Hof, Lübeck, Vorsfelde, Ludwigstadt – alle Eisenbahnverkehr – liegen noch keine Erkenntnisse zu entsprechenden Aktivitäten der BRD vor.
Im Ergebnis der Maßnahmen der BRD erfolgten im Zeitraum vom 1. bis 5. Mai 1986 insgesamt Zurückweisungen von 159 Kraftfahrzeugen, davon 124 Lkw und 35 Pkw, die über die Grenzübergangsstellen der DDR nach der BRD ausgereist waren. Die Zurückweisungen gliedern sich auf die einzelnen Tage wie folgt auf:
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1. Mai 1986 keine Zurückweisungen;
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2. Mai 1986 ein Lkw (DDR);
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3. Mai 1986 38 Lkw (25 der Ungarischen VR, 13 der VR Polen), 5 Pkw (VR Polen);
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4. Mai 1986 34 Lkw (zwölf der ČSSR, acht der Ungarischen VR, sechs der VR Polen, sechs der VR Bulgarien, einer der DDR, einer der UdSSR), 17 Pkw (16 der VR Polen, einer der Ungarischen VR);
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5. Mai 1986 52 Lkw (28 der ČSSR, acht der UdSSR, je fünf der DDR und VR Polen, je drei der Ungarischen VR und VR Bulgarien), 13 Pkw (elf der VR Polen, je einer der Ungarischen VR und DDR).
Hinsichtlich der Zurückweisungen von Kraftfahrzeugen im grenzüberschreitenden Verkehr wurden zum Vorgehen der BRD-Seite bisher folgende Feststellungen getroffen:
Die nach der BRD ausgereisten Kraftfahrzeuge wurden – nachdem durch Kräfte des BGS, der Feuerwehr und des Katastrophenschutzes der BRD mit entsprechenden Geräten Messungen an Reifen, Achsen, Motorräumen und Luftfiltereinsätzen vorgenommen worden waren – mit der Begründung in die DDR zurückgewiesen, dass die Strahlungsintensität zu hoch sei. Dies wurde mit der Forderung verbunden, durch Waschung bzw. Entaktivierung diesen Zustand zu verändern. Danach könnte einer Einreise in die BRD stattgegeben werden.
In einem Fall wurde bisher bei einem Lkw der DDR an der Grenzkontrollstelle Gudow der Luftfiltereinsatz wegen angeblich zu hoher Strahlungsintensität beschlagnahmt (siehe Information Nr. 213/86 vom 3. Mai 1986).
Die Willkürlichkeit im Vorgehen der BRD-Behörden bei Zurückweisungen unterstreicht die Tatsache, dass gewaschene und entaktivierte Fahrzeuge mit wesentlich höherer Restdosis in der radioaktiven Abstrahlung in die BRD einreisen durften und Kfz mit entschieden niedrigeren Werten bis zu vier Mal zurückgewiesen wurden.
Während der an den Grenzkontrollstellen der BRD und Westberlins vorgenommenen Messungen und bis zur Entscheidung über die Gestattung der Einreise oder Zurückweisung durften die Abstellplätze der Fahrzeuge durch die Personale nicht verlassen werden. Sie erhielten weder Verpflegung noch durften sie vorhandene Serviceeinrichtungen nutzen.
Durch die Sicherheitsorgane der DDR wurden nach Rückkehr der zurückgewiesenen Kraftfahrzeuge unverzüglich Messungen jeweils der Stärke des durch die Strahlungsquelle erzeugten Strahlungsfeldes mit militärischen Messgeräten durchgeführt, wobei sich die durch die BRD-Seite an die Kraftfahrer übermittelten Werte in der Regel nicht bestätigten. Trotzdem wurden die Kraftfahrzeuge, die eine Stärke des Strahlungsfeldes ab 0,075 Milliröntgen/h (mR/h) aufwiesen, unter Einsatz von Seifenlauge entaktiviert (Sicherheitsgrenze in der DDR beträgt 0,2 mR/h). Zu diesem Zweck wurden auf Weisung des Ministers für Verkehrswesen von den Kraftverkehrskombinaten Gera, Erfurt, Magdeburg und Schwerin Stützpunkte zur Waschung der Fahrzeuge eingerichtet.
In allen Fällen erfolgten nach diesen Waschungen – vor der neuerlichen Ausreise nach der BRD – erneute Messungen durch die Organe der DDR.
Im grenzüberschreitenden Binnenschiffsverkehr und im Eisenbahnverkehr erfolgten – bis auf ein Beispiel der Rückführung eines angeblich radioaktiven Schlafwagens der Polnischen Staatsbahn (siehe dazu Information Nr. 213/86 vom 3. Mai 1986) – keine Einschränkungen.
Vorliegenden Hinweisen zufolge wird sowjetischen und polnischen Schiffen auf dem Nord-Ostsee-Kanal die Fortsetzung der Fahrt nach einer »besonderen Waschung« gestattet.
Mit Wirkung vom 3. bzw. 5. Mai wurden an den Grenzübergangsstellen der DDR zur VR Polen und zur ČSSR Maßnahmen zur Messung der Radioaktivität bezogen auf den Einreiseverkehr von Kraftfahrzeugen festgelegt. Bei einer Stärke des Strahlungsfeldes über 0,2 mR/h erfolgten auf dem Territorium der DDR Entaktivierungs-Maßnahmen.
Am 5. Mai 1986 wurden beispielsweise 18 Lkw aus der UdSSR und drei aus der DDR entaktiviert, da eine Strahlendosis von 0,2 bis 2,0 mR/h gemessen wurde. Zur Entaktivierung von Kraftfahrzeugen aus der UdSSR wurde durch die GSSD ein Stützpunkt eingerichtet. Auf der Grundlage der am 5. Mai 1986 getroffenen Festlegung, Kfz der VR Polen, der ČSSR, Ungarischen VR, SR Rumänien, VR Bulgarien mit einem Strahlungswert von über 0,2 mR/h an den Grenzübergangsstellen der DDR zur Entaktivierung zurückzuschicken, wurden bisher zwei Lkw und drei Pkw aus der VR Polen und ein Lkw aus der ČSSR zurückgewiesen. Dabei traten keine Vorkommnisse auf. Kraftfahrzeuge aus der UdSSR werden wie bisher in der DDR entaktiviert.