Probleme mit Dampferzeugern im VEB Chemische Werke Buna
11. November 1986
Information Nr. 502/86 über einige Probleme bei der Gewährleistung der Bereitstellung der erforderlichen Mengen Prozessdampf im Stammbetrieb des Kombinates VEB Chemische Werke Buna-Schkopau, [Kreis] Merseburg, [Bezirk] Halle
Nach dem MfS vorliegenden Hinweisen entwickeln sich in der chemischen Industrie die Dampferzeuger in verstärktem Maße zu einem wesentlichen Störfaktor. Ein hoher Anteil der in der chemischen Industrie besonders seit dem Jahre 1985 eingetretenen Havarien entfällt auf diese Anlagen. Besondere Probleme treten insbesondere in den letzten Wochen im Stammbetrieb des VEB Chemische Werke Buna Schkopau, [Kreis] Merseburg, [Bezirk] Halle, auf, wo es zunehmend zu zeitweiligen Stilllegungen bzw. Ausfällen mehrerer Dampferzeuger kam, was wiederum zu erheblichen Schwierigkeiten bei der Bereitstellung der erforderlichen Mengen Prozessdampf und damit der vollen Aufrechterhaltung der Produktion führte.
Die Dampferzeugung im Stammbetrieb des Kombinates VEB Chemische Werke Buna erfolgt in zwei Industriekraftwerken (IKW) und einem Heizkraftwerk (HKW) auf der Basis von Rohbraunkohle und Erdgas bzw. Heizöl.
Im Einzelnen stehen diesem Kombinat damit folgende Dampferzeuger (DE) mit einer installierten Gesamtleistung von 1904 t/h zur Verfügung:
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IKW I: 6 DE, Baujahre 1938/39, installierte Leistung 600 t/h, Rohbraunkohlebefeuerung;
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IKW II: 8 DE, Baujahre 1942 bis 1944, installierte Leistung 704 t/h, Rohbraunkohlebefeuerung;
2 DE, Baujahre 1968/69, installierte Leistung 300 t/h, Eigenerdgasfeuerung und
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HKW: 5 DE, Baujahre 1978/79, installierte Leistung 300 t/h, Feuerung wahlweise mit Eigenerdgas, Importgas oder Heizöl.
Aufgrund des hohen Verschleißgrades der kohlegefeuerten DE betrug die maximal verfügbare Dampferzeugung 1985/86 1 600 t/h, und die Anlagenverfügbarkeit im Winterhalbjahr 1985/86 lag bei ca. 80 %.
Nach dem MfS weiter vorliegenden Hinweisen sowie den in diesem Zusammenhang vom Staatlichen Amt für Technische Überwachung geführten Untersuchungen zufolge hat sich aufgrund nicht ausreichender Kapazitäten für planmäßige Generalreparaturen und die laufende Instandhaltung der DE ihre Störanfälligkeit seit 1985 besonders erhöht. Diese Situation steht im engen Zusammenhang mit der Nichtdurchführung (Unterlassung) von für die Gewährleistung der technischen Sicherheit gesetzlich vorgeschriebenen technischen Revisionen im Zyklus von drei Jahren.
Infolgedessen sind im VEB Chemische Werke Buna bei zwölf DE die normativen Betriebsstunden weit überschritten.
Für die Lage ist weiterhin charakteristisch, dass die entsprechend dem Beschluss des Präsidiums des Ministerrates der DDR vom 3.7.1986 zur Stabilisierung der Dampfversorgung im VEB Chemische Werke Buna (Stammbetrieb) festgelegten Maßnahmen für das Jahr 1986 bisher nicht termingerecht realisiert wurden.1
Durch das Staatliche Amt für Technische Überwachung (SATÜ) wurden im Ergebnis entsprechender Untersuchungen bei havarierten Dampferzeugern der Kombinatsleitung wiederholt Auflagen erteilt und Hinweise gegeben, die auf eine nachhaltige Beseitigung erkannter Mängel und Missstände zielten. Ihre ungenügende Realisierung wurde seitens des Kombinates damit begründet, dass Außerbetriebnahmen zwecks Instandsetzung und Revision wegen der angespannten Dampfsituation im Interesse der Produktion nicht wie erforderlich durchführbar seien.
Weitere Gefährdungen entstanden außerdem dadurch, dass bei aufgetretenen Rohrreißern an Kesselrohren zwar Reparaturen erfolgten, aber bis zur Wiederinbetriebnahme von DE nicht alle vorher festgestellten Mängel behoben wurden, d. h., eine schnelle Wiederinbetriebnahme auf Kosten der Sicherheit praktiziert wurde.
Aufgrund der Gesamtproblematik, der Erkenntnisse des Staatlichen Amtes für Technische Überwachung der DDR über die bestehenden Gefährdungen an den einzelnen DE und in Auswertung der schweren Havarie an einem DE im Industriekraftwerk des VEB Braunkohlenwerk »Erich Weinert« Deuben, [Kreis] Hohenmölsen, [Bezirk] Halle, am 23.9.1986 forderte das SAT am 6.11.1986 die sofortige Außerbetriebnahme der DE 15, 17 und 19 in beiden Industriekraftwerken. Da bereits die DE 3, 5, 11, 12 und 14 aus technischen Gründen außer Betrieb genommen werden mussten, würde die Realisierung der Auflagen zur Außerbetriebnahme vorgenannter drei DE (Nr. 15, 17 und 19) die bereits bestehenden erheblichen Einschränkungen der Produktion weiter vergrößern; bei einem Teil der Anlagen wäre nur noch ein Warmhaltebetrieb möglich.
Der Ausfall wesentlicher Produktionsanlagen im VEB Chemische Werke Buna führt ständig zu erheblichen Kooperationsstörungen in den weiterverarbeitenden Bereichen der Chemischen Industrie und beeinflusst die Leistungsentwicklung anderer Zweige. Auswirkungen entstehen insbesondere in der Kabelindustrie, in den Bereichen Lacke und Farben sowie Chemiefasern, für das Wohnungsbauprogramm und den Bevölkerungsbedarf (Plasteerzeugnisse, Fußbodenbeläge).
Der Minister für Chemische Industrie wurde durch den Generaldirektor des Kombinates am 6.11.1986 über die Situation und Konsequenzen unterrichtet.
Zwischenzeitlich wurden die DE 15 und 17 außer Betrieb genommen. Der DE 19 wird vorerst noch bis zum 16.11.1986 weiterbetrieben. Seine Abschaltung wird in Abhängigkeit von der Wiederinbetriebnahme anderer Dampferzeuger entschieden.
Damit erhöht sich die Dampffehlmenge von ca. 300 t/h auf 420 t/h.
Notwendige zentrale Entscheidungsvorschläge werden dem Vorsitzenden des Ministerrates der DDR, Genossen Stoph,2 zur weiteren Veranlassung vorgelegt.
Der Leiter der Abteilung Grundstoffindustrie im ZK der SED, Genosse Wambutt,3 ist über die Lage informiert.