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Probleme und Erfordernisse bei der Reichsbahn

15. August 1986
Information Nr. 381/86 über einige Probleme und weitere Erfordernisse zur Stabilisierung der Lage im Verkehrszweig Deutsche Reichsbahn, insbesondere zur leitungsmäßigen Beherrschung der den Organen des Ministeriums für Verkehrswesen übertragenen Aufgaben

Die Eisenbahner der Deutschen Demokratischen Republik leisteten im Fünfjahrplanzeitraum 1981 bis 1985 einen bedeutenden Beitrag zur zuverlässigen Erfüllung der gestellten Aufgaben auf dem Gebiet des Verkehrswesens. So wurde zum Beispiel in diesem Zeitraum ein Leistungszuwachs von 45 Millionen Tonnen transportierter Güter realisiert, wodurch die Transportanforderungen der Volkswirtschaft im Wesentlichen abgedeckt werden konnten.

Darüber hinaus gelang es, den spezifischen Transportaufwand über die geplante Zielstellung hinaus zu senken.

Mit der Verlagerung von Transporten von der Straße auf die Schiene in Höhe von etwa 33 Millionen Tonnen sowie mit den erzielten Ergebnissen der Streckenelektrifizierung wurde insbesondere die Zielstellung der Energieeinsparung unterstützt.

Nach übereinstimmenden Einschätzungen von Fachexperten erforderte die Realisierung dieser Aufgaben die bisher höchsten Anstrengungen aller Bereiche der Deutschen Reichsbahn. Zugleich seien in diesem Prozess jedoch zunehmend die für einen zuverlässigen Transport notwendigen Reserven in der materiell-technischen Vorhaltung, in der Streckendurchlassfähigkeit und Leistungsfähigkeit der Rangierbahnhöfe sowie in der Instandhaltung und Reparatur von Anlagen und Fahrzeugen angegriffen und eingesetzt worden. Vor allem stieg die Belastung des Gleisnetzes, besonders der Hauptstrecken und der Eisenbahnfahrzeuge enorm an.

Wie in den Meinungen der Fachexperten in diesem Zusammenhang weiter zum Ausdruck kommt, könne trotz der Durchführung kapazitätserweiternder Maßnahmen, wie z. B. Gleiserneuerung, Einsatz von Signal- und Sicherungstechnik, Zuführung neuer Güterwagen und Triebfahrzeuge, den Erfordernissen der einfachen Reproduktion insgesamt nicht mehr entsprochen werden.

Diese angespannte Situation führte nicht zuletzt dazu, dass das zunehmende technische und technologische Störgeschehen mit den gegenwärtig praktizierten Leitungsmethoden nicht mehr voll beherrscht werden kann, was sich wiederum in immer stärkerem Maße leistungshemmend auf die Erfüllung der hohen Transportaufgaben der Deutschen Reichsbahn auswirkte. Sichtbarer Ausdruck dessen ist, dass die Deutsche Reichsbahn – im Gegensatz zu den Vorjahren – die sich aus dem Volkswirtschaftsplan 1986 ergebenden hohen Anforderungen trotz weiter gewachsener Voraussetzungen im Zeitraum vom 1.1. bis 31.7. 1986 nicht mehr erfüllte.

Die Beschlüsse und Entscheidungen der Partei- und Staatsführung zur materiell-technischen Sicherstellung und über Maßnahmen zur Stabilisierung der Leistungsfähigkeit der Deutschen Reichsbahn1 finden nach dem MfS vorliegenden Informationen bei den Leitungskadern und den Eisenbahnern der Berufsgruppen, die von den beschleunigten lohnpolitischen und anderen sozialökonomisch stimulierenden Maßnahmen erfasst werden, eindeutige Zustimmung.

Aus den dem MfS vorliegenden Meinungen von langjährig in der Praxis des Eisenbahnbetriebes tätigen Angehörigen der Deutschen Reichsbahn und berufserfahrenen Leitern wird jedoch auch ersichtlich, dass mit diesen Beschlüssen allein eine grundlegende Stabilisierung der Leistungsfähigkeit der Deutschen Reichsbahn noch nicht erreicht werden könne, weil die gegenwärtige Leitungsstruktur im Ministerium für Verkehrswesen nicht die Gewähr biete, eine echte Wende zur Stabilisierung in der Betriebsführung der Deutschen Reichsbahn herbeizuführen

Wie die gemeinsam mit Fachexperten geführten Untersuchungen weiter ergaben, bleibt die gegenwärtige und absehbare Lage bei der Transportplanerfüllung der Eisenbahn nicht zuletzt deshalb trotz vielfältiger Maßnahmen weiterhin außerordentlich angespannt.

So sind z. B. in den ersten Tagen des August 1986 die Transportplanrückstände weiter angestiegen. Die in den letzten Tagen erkennbar steigende Tendenz der Anzahl gefahrener Kohletransporte verändert diese Situation noch nicht spürbar. Nach übereinstimmender Meinung von Fachexperten ist eine auf Dauer angelegte grundlegende Stabilisierung der Transportplanerfüllung noch nicht gesichert, weil weiterhin eine Reihe von Voraussetzungen fehlt, um entsprechend den Zielstellungen der zentralen Beschlüsse eine grundsätzliche Wende in der Leistungsfähigkeit herbeizuführen. Die Meinungen zu den diese Situation beeinflussenden Faktoren machen deutlich, dass neben Mängeln und Versäumnissen in der staatlichen Leitungstätigkeit des Ministeriums für Verkehrswesen und der Leitung der Deutschen Reichsbahn, die nicht ausreichenden materiell-technischen Bedingungen sowie das ungenügende Aufdecken und Nutzen innerer Reserven des Verkehrswesens der DDR zugunsten der Deutschen Reichsbahn entscheidend zu diesem Leistungsrückgang beigetragen haben. Besonders das Fehlen eindeutiger Leitungslinien in den betriebsleitenden und -vorbereitenden Prozessen, verbunden mit fehlender exakter Abgrenzung der Verantwortung zur Gewährleistung einer einheitlichen und zentralisierten Befehlsgewalt auf allen Leitungsebenen, behindert nicht unerheblich Leistung und Effektivität der Deutschen Reichsbahn. Der zur Überwindung dieser Situation eingeleitete Prozess der Herausbildung einer zentralen Leitung der Deutschen Reichsbahn, der Anfang der 1980er-Jahre in Erkenntnis der wachsenden Anforderungen begonnen wurde, ist nicht zu Ende geführt worden.

So sei nach Auffassung von Fachexperten – ungeachtet objektiver Erfordernisse und entsprechender Vorschläge – die gegenwärtige Leitungsstruktur und Organisation der Deutschen Reichsbahn überholt und unzweckmäßig. Das unveränderte Bestehen von fünf Hauptverwaltungen bei der zentralen Leitung der Deutschen Reichsbahn

  • Betrieb und Verkehr,

  • Bahnanlagen,

  • Sicherungs- und Fernmeldetechnik,

  • Maschinenwirtschaft,

  • Wagenwirtschaft

und neben den in der zentralen Leitung der Deutschen Reichsbahn zwischenzeitlich geschaffenen Stabsorganen wie Wissenschaft und Technik, Kader und Bildung, Arbeit und Soziales, Rechts- und weitere Dienststellen, einschließlich des Hauptstabes der Deutschen Reichsbahn behindere maßgeblich die komplexe Lösung solcher Probleme, die wesentlichen Einfluss auf die Stabilität und Leistungsfähigkeit haben.

Diese Leitungsstruktur und Organisationsform habe vielmehr zu einer immer stärkeren ressortmäßigen Behandlung solcher Probleme wie Reiseverkehr, Pünktlichkeit, technische Politik, Ausrüstungs- und Baufragen, Aufgaben von Forschung und Entwicklung und anderem mehr geführt.

Sie werden losgelöst von den generellen Erfordernissen zum Teil engstirnig und vielfach unabgestimmt mit anderen davon mit betroffenen Hauptverwaltungen betrachtet.

Insbesondere erhöhte sich die Zersplitterung der technischen Kapazitäten der Deutschen Reichsbahn vor allem für den Neubau, für Unterhaltung, Reparatur und Forschung/Entwicklung.

(Zum Beispiel verfügen die Hauptverwaltung Bahnanlagen und die Reichsbahnbaudirektion jeweils über eigene Kapazitäten von zwischenzeitlich verschlissener, ehemals hochleistungsfähiger Gleisbautechnik. Deren leitungsmäßig unterschiedliche Unterstellung verhindert den komplexen Maschineneinsatz für die notwendigen Maßnahmen des Neubaus von Gleisen bzw. für deren planmäßige Instandhaltung.)

Weitere Auswirkungen mangelhafter Leitungstätigkeit bestehen in nicht eindeutiger Festlegung der Verantwortlichkeiten, ungenügender komplexer Lageeinschätzung, Analysetätigkeit und Ableitung schwerpunktbezogener Schlussfolgerungen, nicht vereinheitlichtem Auftreten gegenüber den Bereichen der Volkswirtschaft und im Durchbrechen einer einheitlichen und straffen Kommandogewalt. Eine Aufschlüsselung des Planes bis zur Dienststelle im Territorium wird nicht durchgängig gesichert.

Vorliegenden Meinungen aus dem Ministerium für Verkehrswesen und anderen zentralen Organen des Verkehrswesens einschließlich der territorialen Leitungsorgane zufolge herrsche die operative Form als Leitungsstil zu Ungunsten der strategischen Arbeit vor und Entscheidungen würden dort getroffen, wo nicht die entsprechende Verantwortung dafür getragen werden muss.

Auch in den Reichsbahndirektionen äußern sich verantwortliche Kader kritisch zu diesem Arbeitsstil. Besondere symptomatische Erscheinungen seien Doppelgleisigkeit und eine Vielzahl nicht mehr überschaubarer zentraler Festlegungen zu Einzelaufgaben, eine Unzahl von Berichterstattungen und vielseitigen Einwirkungen durch die unterschiedlichsten Einrichtungen aus der zentralen Leitung. Damit werde die Autorität der mittleren leitenden Kader untergraben und die eigenverantwortliche schöpferische Arbeit und das Engagement für ihre Aufgaben eingeschränkt.

Sichtbarer Ausdruck dessen sei zum Beispiel, dass im Jahre 1986 von der zentralen Leitung der Deutschen Reichsbahn für die Hauptverwaltungen eine Vielzahl von Maßnahme-Plänen zur Stabilisierung der Betriebslage mit den unterschiedlichsten Festlegungen erarbeitet und bestätigt wurde.

Die auf zentraler Ebene der Leitung des Verkehrswesens einschließlich der Leitung der Deutschen Reichsbahn anstehenden ungelösten Leitungs- und Strukturprobleme haben u. a. auch zur Folge, dass die Zusammenarbeit mit den örtlichen Staatsorganen über eine Vielzahl eigenständiger Dienststellen abgewickelt werden muss.

Dieser Umstand macht sich besonders bei den Bestrebungen zur Überwindung ungelöster Arbeitskräftefragen, von Wohnungsfragen und bei der Bereitstellung von Kapazitäten aus dem örtlichen Territorium nachteilig bemerkbar.

Die ungenügende Beherrschung der Betriebslage bei der Deutschen Reichsbahn ist des Weiteren auch auf mangelnde Qualität in der Arbeitsweise und Standhaftigkeit des Dispatcherapparates auf allen Leitungsebenen zurückzuführen.

Mangelnde Qualifikation (nur 18 % Hoch- und Fachschulkader) und Berufserfahrung, personelle Unterbesetzung sowie unzureichende Ausstattung mit Nachrichtentechnik und anderen Hilfsmitteln erschweren die Arbeitsfähigkeit der Dispatcherleitungen.

Das führte dazu, dass die den Dispatcherzentralen obliegende wichtigste Aufgabe, eine der Lage angepasste Durchsetzung der Regeltechnologie und damit der zentralen Aufgabenstellungen (u. a. Einhalten des Fahrplanes, der Triebfahrzeug- und Waggonumläufe) zu organisieren, das dazu erforderliche Zusammenwirken mit den anderen Dienststellen der Deutschen Reichsbahn und das notwendige Reagieren auf Unregelmäßigkeiten zu sichern, nicht mehr gewährleistet ist. An die Stelle der disponierenden Tätigkeit sei vielmehr eine registrierende Form der Überwachung des Betriebsablaufes getreten.

Als weitere wesentliche Faktoren für den gegenwärtigen Leistungsrückgang erweisen sich der völlig unzureichende technische Zustand (Oberbau sowie Signal- und Sicherungstechnik) der Strecken, besonders des Hauptnetzes, sowie die Instabilität der leistungsbestimmenden Rangierbahnhöfe.

Ausdruck dessen sind u. a. die im Gleisnetz insgesamt vorhandenen rund 1 000 Mängelstellen, vorwiegend Langsam-Fahrstellen. Von diesen sind 134 nicht fahrplanmäßig berücksichtigt, sodass zusätzliche Gefahren für die planmäßige Abwicklung des Eisenbahnbetriebes bestehen. Eine weitere objektive Folge ist ein ständiges Durchbrechen der Regeltechnologie. Das hat u. a. weitreichende negative Auswirkungen auf die Pünktlichkeit sowie den Lok- und Güterwagenumlauf zur Folge. Zugleich wächst dadurch die Belastung vor allem der Betriebseisenbahner stetig weiter an (z. B. Überstunden/schleppende Urlaubsabwicklung).

Des Weiteren sind nach derzeitigem Stand auf 1 500 km Gleisnetz Alkalischäden an Betonschwellen vorhanden. Wovon 800 km im laufenden Fünfjahrplan unbedingt zu beseitigen sind.

Die Durchlassfähigkeit der elektrifizierten Magistralen wird – darüber wurde bereits in der Information des MfS Nr. 249/86 vom 27.5.1986 informiert – durch zunehmende Störungen an Fahrleitungen und Anlagen empfindlich beeinträchtigt.

Etwa zwei Drittel der Geschwindigkeitsbeschränkungen konzentrieren sich auf das elektrifizierte Streckennetz.

Durch die verstärkte Konzentration der Güterströme und des Reiseverkehrs auf diese Strecken und durch das weitere Fortschreiten dieses Prozesses führen solche Störungen zu besonders großen netzweiten und leistungsmindernden Auswirkungen.

Das Störgeschehen im Verantwortungsbereich der DR (insbesondere Schienenbrüche, Signal- und Weichenstörungen, Blockstörungen) mit durchschnittlich 80 Störungen täglich und ca. 500 davon betroffenen Zügen entspricht in keiner Weise dem Niveau eines hochleistungsfähigen Eisenbahnbetriebs.

Darin nicht berücksichtigt sind zum Teil schwerwiegende Fehlhandlungen, die zu Bahnbetriebsunfällen führten, bzw. subjektiv verursachte Gefahrensituationen, bei denen nur durch günstige Umstände und besonders verantwortungsbewusste Arbeit von Eisenbahnern personelle bzw. große materielle volkswirtschaftliche Schäden vermieden wurden.

Außer den ernsten Mängeln im Zustand des Streckennetzes, einschließlich der Eisenbahnbrücken, von denen 34 % Schäden aufweisen, ist die Verfügbarkeit der Transportmittel – Triebfahrzeuge und Wagen – eingeschränkt.

Etwa 160 Triebfahrzeuge sind nicht bzw. nicht voll einsetzbar, weil Ersatzteile fehlen und somit Reparaturen nicht im erforderlichen Umfang ausgeführt werden können.

Im erheblichen Maße wirkt sich leistungsmindernd der mangelnde technische und überalterte Zustand des im Einsatz befindlichen Güterwagenparks auf die bedarfsgerechte Abdeckung der volkswirtschaftlichen Transportanforderungen aus.

Der Schadwagenbestand ist durch gewaltsame Beschädigungen im Transport- und Umschlagprozess sowie eingetretene Rückstände in der planmäßig vorbeugenden Instandhaltung wesentlich über die vorgesehene Norm angestiegen (Anfang August 1986 lag der Schadwagenbestand um etwa 7 300 Güterwaggons – insgesamt ca. 12 200 – über dem Normativ).

Aufgrund der Eigenproduktion neuer Güterwagen und Container durch die Deutsche Reichsbahn sowie Übernahme weiterer Aufgaben (Export in die VR China) entsprechen die vorhandenen Instandhaltungskapazitäten nicht mehr den Erfordernissen.

Die verfügbare Beladekapazität des Güterwagenparks wird durch die im Jahre 1986 bisher ständig überschrittene geplante Umlaufzeit (Norm 3,8 Tage/Wagen) erheblich beeinträchtigt.

Sie betrug z. B. bis Juli 1986 durchschnittlich 4,17 Tage/Wagen.

Neben den vorgenannten innerbetrieblichen technischen und technologischen Problemen bei der Deutschen Reichsbahn wirken die gestiegenen Ladefristüberschreitungen durch die Betriebe der Volkswirtschaft negativ auf die geplante Verfügbarkeit des Wagenparks ein. Charakteristisch dafür sind die infolge der Ladefristenüberschreitung berechneten Wagenstandgelder:

  • 1. Halbjahr 1985 191,3 Mio. Mark, gleichbedeutend 2,71 Mio. Wagenstillstandstunden,

  • 2. Halbjahr 1985 192,5 Mio. Mark, gleichbedeutend 2.83 Mio. Wagenstillstandstunden,

  • 1. Halbjahr 1986 253,1 Mio. Mark, gleichbedeutend 3,44 Mio. Wagenstillstandstunden.

Dieses Ergebnis zeigt, dass die Vorbereitung und Realisierung der Transportprozesse durch die Betriebe der Volkswirtschaft leitungsmäßig völlig unzureichend in den Reproduktionsprozess einbezogen sind. Auch die örtlichen Staatsorgane, insbesondere in deren Auftrag handelnde Transportausschüsse, nehmen bisher noch zu wenig Einfluss auf die Durchsetzung der Staatsdisziplin zur Einhaltung der Transportkennziffern und Qualifizierung der Transportarbeiten im Territorium (z. B. Bildung von Nutzergemeinschaften für Umschlagstechnik).

Nach wie vor beeinträchtigt auch der nicht mit dem Arbeitskräfteplan übereinstimmende Bestand an Arbeitskräften die Leistungsfähigkeit der Deutschen Reichsbahn (Fehlen von Arbeitskräften insbesondere in den Schwerpunktberufsgruppen Triebfahrzeugführer – 3 690, Rangierer – 2 560, Stellwerkspersonal – 1 870 und Dispatcher – 200). Das hat sehr hohe Überstundenleistungen und Sonderschichten zur Folge.

Die Arbeitsfähigkeit einer Vielzahl von Betriebsstellen der Deutschen Reichsbahn kann deshalb nur durch den Einsatz von mittleren und leitenden Kadern aufrechterhalten werden, wodurch diese Kader wiederum ihrer eigentlichen Verantwortung in der Leitungstätigkeit nicht nachkommen können.

Beträchtliche Versäumnisse sind in der ökonomischen und sozialen Wirksamkeit von Wissenschaft und Technik festzustellen.

So ist es der Deutschen Reichsbahn nicht im ausreichenden Maße gelungen, die wissenschaftlich-technische Arbeit, die technologischen Prozesse einschließlich der Rationalisierung und Mechanisierung, anforderungsgerecht zu entwickeln und auf die Schwerpunkte der Leistungs-, Effektivitäts- und Qualitätsentwicklung in der Transportvorbereitung und -durchführung zu konzentrieren. Dieses unzureichende Niveau basiert offensichtlich auf einer Unterschätzung der Rolle von Wissenschaft und Technik in der zentralen Leitung der Deutschen Reichsbahn und in den Leitungen der Hauptdienstzweige.

Der zielgerichtete Einsatz der vorhandenen wissenschaftlich-technischen Kapazitäten zur Anwendung von Schlüsseltechnologien, insbesondere zur Prozessautomatisierung solcher entscheidender betriebsleitender Bereiche, wie die netzweite rechnergestützte Führung des Dispatchersystems, die Rationalisierung der der Betriebsdurchführung unmittelbar vorgelagerten und nachfolgenden Prozesse wie Triebfahrzeug- und Waggondisposition, Fahrdienstleiterarbeitsplätze, Zugmeldeverfahren, ist gegenwärtig nicht den Erfordernissen entsprechend gewährleistet.

Das betrifft auch wissenschaftlich-technische Maßnahmen zur Gewährleistung der Betriebssicherheit bei erforderlichen Abweichungen von der Regeltechnologie. Es fehlten bisher auch entsprechende Ergebnisse insbesondere zum konsequenten Ausbau von CAD/CAM-Arbeitsplätzen2 für Projektierungsarbeiten (Elektrifizierung, Oberbauerneuerung, Einsatz neuer Sicherungs- und Fernmeldetechnik im Hauptnetz) sowie für die effektivere Bauplanung unter Beachtung der Leistungsanforderungen an das Verkehrswesen, bei Minimierung des Aufwandes und der nachteiligen Auswirkungen auf die leitungsmäßige Beherrschung der allgemeinen Betriebslage.

Insbesondere werden die Überleitungsprozesse für Forschungs- und Entwicklungsthemen nicht beherrscht. Nach wie vor sind Insel- bzw. Pilotlösungen dominierend. Tatsächlich erreichte wissenschaftlich-technische Ergebnisse gelangen andererseits oftmals nicht durchgängig in der Deutschen Reichsbahn zur Anwendung, da sowohl die materiell-technischen Möglichkeiten der Deutschen Reichsbahn selbst als auch die Zulieferungen aus den Verantwortungsbereichen der Industrie nicht ausreichen.

Die Forschungsstrategie der Deutschen Reichsbahn selbst wird noch zu wenig leitungsmäßig beeinflusst.

Der noch unzureichende leitungsmäßige Einfluss kommt z. B. in Handlungsweisen der Spontaneität, in einer überzogenen Breite bei der Themenbestimmung, in der Durchführung von Forschungsarbeiten über längere Zeiträume ausschließlich zur Befriedigung individueller Interessen (z. B. Laufzielbremsung) zum Ausdruck. Die Leitung der Deutschen Reichsbahn bestätigte in der Vergangenheit lediglich – ohne entsprechende kritische Auseinandersetzungen – die von den Bereichen der Forschung vorgeschlagenen Schwerpunkte.

Durch eine solche Praxis wurde z. B. nicht die angestrebte plan- bzw. bilanzwirksame Senkung des technologischen Bedarfs an Arbeitskräften erreicht. Die ausgewiesene Einsparung von 85 Mio. Stunden Arbeitszeit im Zeitraum 1981 bis 1985 aus abgeschlossenen Forschungsthemen steht deshalb auch im krassen Widerspruch zum Anstieg der Überstunden und des technologischen Bedarfs an Arbeitskräften im gleichen Zeitraum.

In Anbetracht der Notwendigkeit des Erreichens einer schnellen Wende in der Betriebs- und Verkehrslage der Deutschen Reichsbahn sollten mit der Zielsetzung der optimalen Erfüllung der Beschlüsse der Partei- und Staatsführung vor allem der in der Direktive des XI. Parteitages3 festgelegten Steigerungsraten, nachfolgend genannte Vorschläge geprüft und über deren kurz- bzw. längerfristige Realisierungsmöglichkeiten entschieden werden:

  • 1.

    Einsatz einer Arbeitsgruppe von erfahrenen Kadern aller Leitungsebenen der Deutschen Reichsbahn sowie Einbeziehung von in der Organisation, der Planung und Leitung in den Kombinaten der Volkswirtschaft profilierten Kadern zur Analysierung der gegenwärtigen Leitungsprozesse mit dem Ziel der Erarbeitung von Entscheidungsvorschlägen für die Umgestaltung und Schaffung eines zweckmäßigen Systems der Leitung und Organisation dieses Verkehrszweiges unter schöpferischer Zugrundelegung des Kombinatsprinzips.

  • 2.

    Beschleunigte Realisierung von Maßnahmen zur Qualifizierung und Stabilisierung der betriebsleitenden Prozesse und Führung des Betriebsgeschehens bei der Deutschen Reichsbahn, insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt der hohen Transportanforderungen zur Wintervorbereitung, der Erntetransporte und der Planerfüllung in der Volkswirtschaft 1986 insgesamt.

  • 3.

    Erarbeitung einer langfristigen strategischen Entwicklungskonzeption für das Eisenbahnwesen und Vorlage zur Beschlussfassung unter Beachtung der gesellschaftlichen Erfordernisse und Möglichkeiten.

  • 4.

    Bestimmung und Durchsetzung der Schwerpunkte von Wissenschaft und Technik in den Hauptrichtungen (vor allem Prozessautomatisierung, Rationalisierungsmittelproduktion) und konsequenter Einsatz von Rechentechnik zur Vorbereitung und Realisierung optimaler Technologien einschließlich Baubetriebstechnologien.

  • 5.

    Durchsetzung des Qualitätssystems auf der Grundlage entsprechender Kennziffern für die im operativen Dienst Beschäftigten der Deutschen Reichsbahn als Hauptform der Leitung und Planung des sozialistischen Wettbewerbs4 und des Leistungsvergleichs sowie der materiellen Stimulierung.

  • 6.

    Konsequente Umsetzung der Festlegungen zur materiell-technischen Sicherung der Produktion im Eisenbahnwesen.

  • 7.

    Stärkere Berücksichtigung der verkehrswirtschaftlichen Probleme in der zentralen wirtschaftswissenschaftlichen Forschung und Nutzung dabei gewonnener Erkenntnisse bei der Herbeiführung zentraler staatlicher Entscheidungen.

  1. Zum nächsten Dokument Aktivitäten der kath. Kirche zum 25. Jahrestag des Mauerbaus

    18. August 1986
    Information Nr. 383/86 über Aktivitäten der katholischen Kirche der DDR im Zusammenhang mit dem 25. Jahrestag der Errichtung des antifaschistischen Schutzwalls am 13. August 1961

  2. Zum vorherigen Dokument Reaktion auf Gorbatschows Reden in Wladiwostok und Chabarowsk

    14. August 1986
    Hinweise über die Reaktion der Bevölkerung der DDR auf die Reden des Genossen Gorbatschow in Wladiwostok und Chabarowsk [O/165]