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Provokation am Grenzübergang »Checkpoint Charlie« in Berlin

10. August 1986
Information Nr. 368/86 über eine schwerwiegende Provokation an der Grenzübergangsstelle Friedrich-/Zimmerstraße am 9. und 10. August 1986

Am 9. August 1986, gegen 18.20 Uhr, drangen ca. 20 aus dem Westberliner Hinterland (Kochstraße/Friedrichstraße) kommende Personen ca. zehn Meter widerrechtlich in das dem unmittelbaren Kontrollbereich der Grenzübergangsstelle Friedrich-/Zimmerstraße vorgelagerte Territorium der DDR ein. (Die Einfahrt zur Grenzübergangsstelle befindet sich ca. 50 Meter vom Verlauf der Staatsgrenze entfernt und ist beiderseitig mit einer Grenzmauer begrenzt.)1

Bei den Personen handelte es sich nach vorliegenden Hinweisen um von der sogenannten Arbeitsgemeinschaft 13. August2 inspirierte Kräfte, die im Rahmen der Bildung einer »Menschenkette« an der Staatsgrenze der DDR wirksam werden sollten. (Die von den Inspiratoren und Organisatoren beabsichtigte Zielstellung wurde bekanntlich nicht erreicht. Statt der erwarteten 20 000 bis 30 000 Personen waren lediglich ca. 1 000 bis 1 200 anwesend.)

Bis gegen 18.50 Uhr erhöhte sich die Anzahl der Provokateure auf ca. 200 Personen, die sich vorerst an der Grenzmarkierung aufhielten. Aus dieser Gruppe löste sich um 19.05 Uhr eine weibliche Person, begab sich ca. 15 Meter auf das Territorium der DDR, wobei sie ein Transparent mitführte, auf dem die Übersiedlung einer in der Hauptstadt der DDR wohnhaften namentlich bekannten weiblichen Person gefordert wurde.

Offensichtlich durch dieses provokatorische Auftreten der weiblichen Person ermuntert, begaben sich die ca. 200 Personen ebenfalls widerrechtlich auf das Territorium der DDR und verteilten sich auf die gesamte Breite des Grenzstreckenabschnittes im Bereich der Einfahrt zur Grenzübergangsstelle.

Durch den Kommandanten der Grenzübergangsstelle wurden die Provokateure über Megaphon aufgefordert, das Territorium der DDR sofort zu verlassen und den Verkehr nicht zu behindern. Auf gleiche Art und Weise wurde bekannt gegeben, dass die Grenzübergangsstelle geöffnet ist. Gleichzeitig wurden die auf Westberliner Gebiet anwesenden Kräfte der Westberliner Polizei mittels Megaphon aufgefordert dafür zu sorgen, dass die Provokateure das Territorium der DDR sofort verlassen und keine weiteren Personen unberechtigt das Gebiet der DDR betreten.

Im Ergebnis mehrfacher Aufforderungen – zwischenzeitlich war die Anzahl der sich widerrechtlich auf dem Territorium der DDR aufhaltenden Provokateure auf ca. 300 Personen angewachsen – wurden durch einen Angehörigen der Westberliner Polizei mittels Megaphon die Personen aufgefordert, sich auf das Westberliner Gebiet zurückzuziehen. Sowohl den Aufforderungen des Kommandanten der Grenzübergangsstelle als auch den Hinweisen der Westberliner Polizei leisteten die Provokateure keine Folge.

Im Gegenteil, sie eskalierten ihre Ausschreitungen.

So forderte gegen 19.35 Uhr einer der Provokateure über Megaphon dazu auf, die sogenannte Menschenkette entlang der Staatsgrenze der DDR zu bilden. Dieser Aufforderung wurde nur vereinzelt nachgekommen.

Die übergroße Mehrheit der Provokateure verblieb widerrechtlich auf dem Territorium der DDR und beschimpfte die Grenzsicherungskräfte u. a. mit Äußerungen wie »Ihr Schweine«, »Russenköpfe«, »Mörder« und verleumdete die gesellschaftlichen Verhältnisse der DDR.

Einzelne Provokateure kletterten in der Folge auf die rechts und links der Grenzpassage-Tore verlaufende Grenzmauer und bewarfen den Kontrollbereich der Grenzübergangsstelle mit Flaschen, Steinen und anderen Gegenständen, wodurch die eingesetzten Grenzsicherungskräfte gefährdet wurden. Weiterhin beschädigten sie durch gewaltsame Einwirkung die Mechanik der Passage-Tore, die Ampelanlage und rissen einen Fahnenmast um, an dem sich die Staatsflagge der DDR befand, zerrissen die Fahne und zündeten sie an. Um ein Eindringen der Provokateure in das Kontrollterritorium zu verhindern, wurden die Grenzpassage-Tore zeitweilig geschlossen, wobei jedoch die Abfertigung des grenzüberschreitenden Personen- und Fahrzeugverkehrs unter diesen erschwerten Bedingungen durch das umsichtige Verhalten der Grenzsicherungskräfte jederzeit gewährleistet war. Keine Person gelangte unkontrolliert in die Hauptstadt der DDR, Berlin.

Obwohl seitens der Westberliner Polizei ab 21.00 Uhr eine große Anzahl von Kräften herangeführt wurde, unternahmen diese keinerlei Aktivitäten, um die provokatorischen Handlungen zu unterbinden und Ruhe und Ordnung zu gewährleisten.

Erst nachdem um 21.25 Uhr an der Grenzübergangsstelle Heinrich-Heine-Straße nochmals gegenüber einem Westberliner Polizeioffizier nachdrücklich protestiert und die Unterbindung der Provokation an der Grenzübergangsstelle Friedrich-/Zimmerstraße gefordert worden war, bildeten die anwesenden Polizeikräfte um 22.00 Uhr an der Grenzmarkierung eine Sperrkette und forderten die Provokateure auf, das Territorium der DDR zu verlassen.

Ungeachtet der Tatsache, dass die Mehrheit dieser Forderung nachkam, hielten sich bis gegen 00.50 Uhr weitere ca. 8 bis 15 hartnäckige Provokateure widerrechtlich auf dem Territorium der DDR auf und setzten ihre Handlungen fort (Steinwürfe, Zerstörung von Grenzsicherungsanlagen und Bepflanzungen sowie Beschimpfungen der Grenzsicherungskräfte).

  1. Zum nächsten Dokument Geplante feindliche Aktivitäten zum 25. Jahrestag des Mauerbaus

    [ohne Datum]
    Information über Aktivitäten feindlicher Kräfte der BRD und Westberlins im Zusammenhang mit dem 25. Jahrestag der Errichtung des antifaschistischen Schutzwalls (Zeitraum 9. und 10. August 1986) [K 1/167]

  2. Zum vorherigen Dokument dpa-Meldung über Ständige Vertretung der BRD in Ostberlin

    8. August 1986
    Information Nr. 367/86 über eine Meldung von dpa vom 8. August 1986