Provokation an der Berliner Mauer durch einen US-Bürger (3)
10. Juni 1986
Information Nr. 276/86 über die Festnahme eines Staatsbürgers der USA nach rechtswidrigem Eindringen in das Staatsgebiet der DDR in Berlin-Mitte, Friedrich-/Zimmerstraße, am 9. Juni 1986
Am 9. Juni 1986, gegen 12.25 Uhr, erfolgte durch Angehörige der Grenztruppen der DDR die Festnahme des Staatsbürgers der USA, Runnings, John, J. (68),1 geboren 22. August 1917, [Nr., Straße], Seattle Wa 98115, nachdem er im Sicherungsabschnitt unweit der Grenzübergangsstelle Friedrich-/Zimmerstraße vom Westberliner Stadtbezirk Kreuzberg aus unter Zuhilfenahme einer Metallleiter die Grenzmauer überstiegen hatte und rechtswidrig in das Staatsgebiet der DDR eingedrungen war. Der Grenzverletzer verhielt sich ruhig und leistete den Aufforderungen der Angehörigen der Grenztruppen Folge.
R. führte bei seiner Festnahme eine Scheckkarte mit seinen Personalien und diverses Schriftgut über seine durchgeführten und geplanten Aktivitäten an der Staatsgrenze der DDR mit sich. Er war nicht im Besitz von Personaldokumenten.
Die durch das MfS geführten Untersuchungen ergaben, dass Runnings die Grenzverletzung in Verwirklichung seiner öffentlich bekundeten Absicht beging, »von West nach Ost über die Berliner Mauer zu gehen«, um damit seine »Abscheu« gegen die Grenzsicherungsanlagen der DDR zu bekunden.
Seinen eigenen Angaben zufolge habe er sich am 16. Mai 1986 von seinem Wohnort in den USA nach London begeben, wo er sich bis zum 24. Mai 1986 aufgehalten und »viele Kontakte mit Zeitungsleuten« aufgenommen haben will. Am 25. Mai 1986 sei er von London aus mit dem Flugzeug nach Westberlin geflogen mit dem Ziel, gegen die Grenzsicherungsmaßnahmen der DDR zu protestieren.
R. habe in Westberlin sein – wie er es nennt – »Hauptquartier« im »Stuttgarter Hof« in der Westberliner Anhalter Straße bezogen.
Seit seinem Aufenthalt in Westberlin habe er ca. 700 gleichlautende Schriften mit seinen Auffassungen von einem »dritten Weg« zum Frieden – die u. a. seine gegen die Staatsgrenze gerichteten Aktionen rechtfertigen sollen – in der Öffentlichkeit durch Übergabe an Straßenpassanten bzw. Auslage an öffentlichen Orten in Westberlin verteilt.
Runnings hinterließ während der Untersuchungen einen psychisch auffälligen Eindruck.
Er war bereits am 31. Mai 1986 nach rechtswidrigem Überschreiten der Grenzlinie von Westberlin aus an der Grenzübergangsstelle Friedrich-/Zimmerstraße bei der Durchführung provokatorischer Handlungen gestellt und auf Westberliner Gebiet zurückgedrängt worden. (Siehe Einzelinformation des MfS Nr. 267/86 vom 3. Juni 1986.)
Es wird vorgeschlagen, seitens des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten der DDR gegenüber der Botschaft der USA in der DDR energischen Protest gegen die erneuten provokatorischen Machenschaften des Runnings, John einzulegen.
Dabei sollte auch deutlich gemacht werden, dass die Botschaft der USA die volle Verantwortung für die Folgen zu tragen hat, wenn sie – wie im vorliegenden Fall – trotz Unterrichtung und Aufforderung nicht die notwendigen Maßnahmen zur Unterbindung derartiger Provokationen ergreift.
Entsprechend der getroffenen zentralen Entscheidung wurde Runnings am 9. Juni 1986, 18.30 Uhr, an Vertreter der Botschaft der USA in der DDR übergeben und die Erwartung ausgesprochen, dass geeignete Maßnahmen eingeleitet werden, um weitere derartige Provokationen des Runnings zu unterbinden. Kurz danach erfolgte seine Rückführung nach Westberlin mit einem Fahrzeug der Botschaft der USA.