Provokation an der Berliner Mauer durch einen US-Bürger (5)
8. August 1986
Information Nr. 366/86 über die erneute Festnahme des Staatsbürgers der USA, Runnings, John, nach rechtswidrigem Eindringen in das Staatsgebiet der DDR in Berlin-Mitte, Friedrich-/Zimmerstraße am 7. August 1986
Am 7. August 1986, gegen 16.50 Uhr, erfolgte durch Angehörige der Grenztruppen der DDR ca. 40 Meter westlich der Grenzübergangsstelle Friedrich-/Zimmerstraße die Festnahme des Staatsbürgers der USA Runnings, John James (68)1, wohnhaft Seattle/Staat Washington, USA, [Straße, Nr.], letzter Aufenthalt Berlin (West) 61, Anhalter Straße 9, Hotel »Stuttgarter Hof«, nachdem er zuvor vom Westberliner Gebiet aus durch provokatorisches Überklettern der Grenzmauer rechtswidrig in das Staatsgebiet der DDR eingedrungen war.
Runnings führte seit dem 31. Mai 1986 fortgesetzt von Berlin (West) aus Provokationen gegen die Staatsgrenze der DDR durch, indem er durch demonstratives Urinieren gegen die Grenzmauer im Bereich der Grenzübergangsstelle Friedrich-/Zimmerstraße sowie durch das mehrfache Demonstrieren von Sichtelementen mit gegen die Staatsgrenze gerichteten Texten in englischer und deutscher Sprache im Vorfeld der Grenzübergangsstelle in Erscheinung trat.
Am 9. Juni 1986 war er unweit der Grenzübergangsstelle Friedrich-/Zimmerstraße mittels einer Leiter über die Grenzmauer mit provokativer Zielstellung widerrechtlich in die DDR eingedrungen, wobei seine Festnahme erfolgte.
In der durchgeführten Befragung hatte Runnings erklärt, mit seinen Aktivitäten eine öffentlichkeitswirksame Missachtung sämtlicher Grenzen demonstrieren zu wollen.
Runnings war noch am 9. Juni 1986 an Vertreter der USA-Botschaft in der DDR zur Rückführung nach Berlin (West) übergeben worden, wobei gegenüber der USA-Seite die Erwartung ausgesprochen wurde, geeignete Maßnahmen zur Verhinderung derartiger Provokationen zu ergreifen. Trotz dieser großzügigen Handlungsweise der DDR trat Runnings seit dem 15. Juni 1986 erneut und zunehmend provokativer fortgesetzt mit entsprechenden Sichtelementen im Vorfeld der Grenzübergangsstelle Friedrich-/Zimmerstraße in Erscheinung. Da mit weitergehenden Provokationen seinerseits zu rechnen war, war die Botschaft der USA in der DDR Anfang August 1986 durch das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR ersucht worden, nachhaltig die Einstellung der Provokationen des Runnings zu veranlassen.
Runnings sagt aus, nach seiner Provokation am 9. Juni 1986 durch einen von ihm als Generalkonsul der USA in Berlin (West) bezeichneten Mitarbeiter der USA-Behörden mündlich zur Unterlassung weiterer Provokationen aufgefordert worden zu sein.
Dennoch war es ihm aber ungehindert möglich, seine weiteren Demonstrativhandlungen durchzuführen. Seinen eigenen Aussagen zufolge will er Ende Juli 1986 in Berlin (West) eine von ihm namentlich nicht benannte männliche Person deutscher Nationalität kennengelernt haben, die Interesse an den von ihm durchgeführten Provokationen bekundete und mit der er seine am 7. August 1986 durchgeführte Grenzprovokation organisiert habe.
Des Weiteren will er durch Vermittlung dieser Person zur Publizierung seiner geplanten Provokation am 6. August 1986 im Westberliner Hotel »Stuttgarter Hof« ein von ihm als Pressekonferenz bezeichnetes Zusammentreffen mit ca. neun Journalisten durchgeführt haben, wobei abgesprochen worden sei, dass er am 7. August 1986 mittels einer Leiter auf die Grenzmauer der DDR klettert und mit einem Hammer im Beisein der Journalisten demonstrativ deren Zerstörung symbolisiert. Am 7. August 1986 habe er sich um 15.30 Uhr mit den Journalisten und der genannten männlichen Person vor seinem Hotel getroffen und anschließend zur Staatsgrenze der DDR am Potsdamer Platz begeben. Dort bestieg Runnings gegen 15.50 Uhr unter Mitnahme eines Vorschlaghammers und mittels einer Leiter die Grenzmauer, wobei er mehrmals auf die Grenzsicherungsanlage einschlug. Danach bewegte er sich demonstrativ über eine Distanz von ca. 800 m bis vor die Grenzübergangsstelle Friedrich-/Zimmerstraße auf der Grenzmauer entlang, ohne den wiederholten Aufforderungen der Grenzsicherungskräfte der DDR zum Verlassen der Grenzsicherungsanlagen Folge zu leisten.
Gegen 16.50 Uhr verließ er die Grenzmauer in Richtung DDR und wurde festgenommen.
Während der Durchführung der Provokation des Runnings wurde er von je einer Fernsehaufnahmegruppe des »SFB« und der USA-Fernsehgesellschaft »CBS« sowie von mehreren Fotografen entlang des gesamten Tatbereiches begleitet, wobei seine Aktivitäten aufgezeichnet wurden. Am 7. August 1986 strahlte die Fernsehanstalt ARD der BRD einen mehrminütigen Beitrag aus, in dem Runnings bei seiner Provokation am selben Tag gezeigt wurde.2
Bei seiner Festnahme war Runnings mit Ausnahme seines Führerscheines der USA nicht im Besitz von Personal- und Reisedokumenten. Er führte insgesamt elf gedruckte Flugschriften in deutscher und englischer Sprache mit, in denen er zur Beseitigung aller Staatsgrenzen aufruft. Des Weiteren führte er eine »Erklärung an die DDR« mit sich (Text siehe Anlage).
Es wird vorgeschlagen,3
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seitens des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten der DDR gegenüber der Botschaft der USA in der DDR energischen Protest dagegen zu erheben, dass Runnings trotz wiederholter Forderungen und Hinweise der DDR erneut in provokativer Weise in Erscheinung treten konnte, nachdrücklich zu fordern, dass wirksame Maßnahmen zur Unterbindung künftiger Provokationen des Runnings ergriffen werden und darauf hinzuweisen, dass im Wiederholungsfall seitens der DDR strafrechtliche Sanktionen gegen Runnings verhängt werden,
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Runnings danach am 8. August 1986 an die Botschaft der USA in der DDR zu übergeben.
Anlage zur Information Nr. 366/86
»Erklärung an die Deutsche Demokratische Republik«
Heute habe ich, John Runnings, die Berlin Mauer beschädigt oder versucht, sie zu beschädigen. Diese Aktion ist nicht als Verunglimpfung der DDR oder deren Funktionäre gemeint. Diese Aktion demonstriert die Nichtanerkennung der militärischen Konfliktlösungsmittel, seien es nur bewaffnete Kräfte oder deren Vertreter (Diplomaten). Er ist auch eine Nichtanerkennung der durch militärische Gewalt erzwungenen politischen Trennung, die den politischen Austausch verbietet.
Einen Austausch, der notwendig ist, um die politischen Institutionen zu schaffen, die Gesetze für internationale, gerichtlich kontrollierte Grenzen verfassen.
Diese Aktion ist Teil einer Kampagne, in der es darum geht, zu demonstrieren, wie durch Missachtung militärischer Beschränkungen und Provokation, militärischer Aktionen, politisch motivierte Personen dazu beitragen können, Institutionen ins Leben zu rufen, die durch allgemein respektierte Gesetze die internationalen Grenzen kontrollieren.
Ich ergebe mich freiwillig jeder Bestrafung durch die Deutsche Demokratische Republik für die Konsequenzen dieser Aktion.
Hochachtungsvoll | John Runnings