Reaktionen auf den XI. SED-Parteitag (3)
29. April 1986
Weitere Hinweise zur Reaktion der Bevölkerung der DDR auf den XI. Parteitag der SED (3. Bericht) [O/161c]
Vorliegende Informationen aus allen Bezirken und der Hauptstadt der DDR widerspiegeln ein anhaltendes Interesse der Bevölkerung der DDR an den Dokumenten und Beschlüssen des XI. Parteitages.1 In den Betrieben, Institutionen und Kollektiven wird unter Führung der Parteileitungen die bereits während des Parteitages begonnene Auswertung des Berichtes des ZK der SED, der Direktive zum Fünfjahrplan und der Diskussionsbeiträge von Delegierten und Gästen fortgesetzt.
Die im Bericht dargelegten Probleme der Außenpolitik sowie der Wirtschafts- und Sozialpolitik stehen weiterhin im Mittelpunkt des Interesses. Es werden insbesondere die Dynamik und Wirksamkeit der außenpolitischen Aktivitäten der DDR sowie ihre volle Übereinstimmung mit der UdSSR hervorgehoben.
In diesem Zusammenhang wurde immer wieder auf die konstruktive und flexible Außenpolitik der Sowjetunion hingewiesen, die darauf abziele, durch die Stärkung der Friedenskräfte der Welt die USA und deren Verbündete zu konkreten Abrüstungsschritten zu zwingen.
Die UdSSR beweise durch ihre konstruktive Haltung, dass sie gemeinsam mit den anderen Bruderstaaten alle Kräfte auf die Erhaltung des Weltfriedens konzentriere und trotz der zunehmend offenen aggressiven Politik der USA konsequent am Friedens- und Entspannungskurs festhalte. Sie wirke damit stabilisierend auf die internationale Lage.
Diese Politik, auf dem Forum des XI. Parteitages der SED erneut bekräftigt, fände die uneingeschränkte Anerkennung der DDR-Bevölkerung.
Die Wiederwahl des Genossen Erich Honecker2 zum Generalsekretär des ZK der SED und die Wahl der leitenden Organe wurden von allen Bevölkerungskreisen zustimmend aufgenommen. Das Auftreten des Genossen Honecker während des XI. Parteitages und seine Ausstrahlungskraft zeugten davon, dass er an der Spitze der Partei weiterhin alle Kraft zur Um- und Durchsetzung der gefassten Beschlüsse des XI. Parteitages einsetzen wird.
Begrüßt wurde auch, dass das Politbüro durch die Neuwahl von kampferprobten Kommunisten erweitert wurde.3 Nur in Einzelfällen wurde die Frage aufgeworfen, ob das Politbüro in seiner jetzigen altersmäßigen Zusammensetzung auch in der Lage sein werde, die notwendige Dynamik bei der Umsetzung der beschlossenen hohen Zielstellungen zu entwickeln.
In den Meinungsäußerungen werden die schöpferische und optimistische Atmosphäre des XI. Parteitages, aber auch die große Sachlichkeit und das hohe Niveau der Diskussionsbeiträge von Delegierten aus den verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen hervorgehoben.
Mitarbeiter zentraler staatlicher und wirtschaftsleitender Organe, Wissenschaftler aus verschiedensten Bereichen, Leitungskader aus Direktionsbereichen von volkseigenen Betrieben, mittleres leitendes Personal sowie zahlreiche Angehörige der pädagogischen und medizinischen Intelligenz unterstreichen insbesondere die Notwendigkeit einer noch engeren Verknüpfung von Wissenschaft und Produktion, um den zur Lösung der gestellten Aufgaben erforderlichen Effektivitätszuwachs zu erreichen.
Im Hinblick auf die weitere Profilierung des wissenschaftlichen Potenzials und der gesamten Arbeit auf den Gebieten Wissenschaft und Technik in der DDR zur Durchsetzung der sozialökonomischen Politik der Partei halten es z. B. solche namhaften Wissenschaftler wie der Ehrenvorsitzende des Forschungsrates der DDR, Prof. Dr. Peter Adolf Thiessen,4 und der Stellvertreter des Generalsekretärs der Akademie der Wissenschaften der DDR, Prof. Dr. Schirmer,5 für erforderlich, dass die kompetente Beratung der Partei- und Staatsführung in den Fragen des wissenschaftlich-technischen Fortschritts qualifiziert werden müsse. Eine wesentliche Rolle spiele dabei der Forschungsrat der DDR, der ursprünglich ein Organ der Partei- und Staatsführung gewesen sei, jedoch seit der Zuordnung zum Ministerium für Wissenschaft und Technik kaum noch Begegnungen mit führenden Repräsentanten der Partei und des Staates gehabt habe. Nach Auffassung von Prof. Dr. Thiessen sei es notwendig, ein Kollegium des Forschungsrates der DDR zu bilden. Im Laufe der Entwicklung habe der Forschungsrat selbst eine solche Größe erreicht, dass er als wirkliches Beratungsgremium schon nicht mehr wirksam werden könne. Ein derartiges Kollegium, zusammengesetzt aus profilierten Spezialisten verschiedenster naturwissenschaftlich-technischer Disziplinen aus Forschung und Industrie könnte Beratungsaufgaben zu strategischen Fragen künftig besser gerecht werden.
Vor allem Leitungskader leiten aus den Forderungen des XI. Parteitages zur Beschleunigung der volkswirtschaftlichen Entwicklung die Notwendigkeit der weiteren Qualifizierung der Führungs- und Leitungstätigkeit auf allen Ebenen ab. Das schließe gleichzeitig eine wesentliche Erhöhung der Eigenverantwortlichkeit und hohes persönliches Engagement ein.
In einer Vielzahl von Meinungsäußerungen wird festgestellt, dass die im Volkswirtschaftsplan enthaltenen Aufgabenstellungen zur weiteren Leistungsentwicklung sehr anspruchsvoll, jedoch trotz aller Kompliziertheit realisierbar seien.
Mehrfach wurde geäußert, darunter von Mitarbeitern des Staatsapparates und weiteren politisch engagierten Bürgern, die Partei habe vorhandene Hemmnisse erkannt und orientiere deshalb auf die zunehmende Verantwortung der örtlichen Staatsorgane, Kombinate und Betriebe.
So verwiesen beispielsweise Leitungskader der Kombinatsleitung Mikroelektronik »Karl Marx«/Erfurt auf die noch ungenügende Gestaltung der Kooperationsbeziehungen der Kombinate untereinander und auf die Notwendigkeit, vorhandene Reserven im eigenen Territorium noch besser zu erschließen.
Beachtenswert erscheint, dass insbesondere Betriebsleiter, mittleres leitendes Personal aus Kombinaten und Betrieben sowie Angehörige der wissenschaftlich-technischen Intelligenz vielfach betonen, entgegen ihren Erwartungshaltungen seien die kritischen Aspekte auf dem XI. Parteitag zu kurz gekommen. Das konsequente Vorgehen, das offene und ehrliche Ansprechen von Problemen auf dem XXVII. Parteitag der KPdSU6 hätte sich ungenügend auf dem XI. Parteitag der SED widergespiegelt. Oftmals wurde der Schluss gezogen, der Bericht des ZK der SED sei zu »glatt« und zu »positiv« abgefasst.
Es wäre ihrer Meinung nach erforderlich gewesen, solche Probleme und Erscheinungen, die einen kontinuierlichen Produktionsablauf behinderten wie administrative Arbeitsweisen, häufige Plankorrekturen zur »Erfüllung« der gestellten Kennziffern, offen anzusprechen.
Man habe allgemein erwartet, dass auf dem XI. Parteitag zu solchen Problemen wie Schönfärberei, Korruption, Spekulation, Verletzungen der Arbeitsdisziplin Stellung genommen und daraus entsprechende Forderungen abgeleitet werden. Darüber hinaus fehlten auch, so wurde weiter argumentiert, kritischere Aussagen zur Versorgungslage und zum Bereich der Dienstleistungen.
Zahlreiche Bürger, darunter Angehörige der wissenschaftlichen und künstlerischen Intelligenz, vertreten die Auffassung, einzelne Diskussionsredner, vor allem aus bezirksgeleiteten Betrieben und Einrichtungen, hätten auf kritische Wertungen nicht verzichten dürfen. So entstehe der Eindruck, die erreichten Ergebnisse und erzielten Erfolge seien komplikationslos, ohne jegliche Probleme zustande gekommen.
Als einen großen Mangel sehe man an, dass in den Diskussionsbeiträgen zu wenig auf das »Wie« der Realisierung von Aufgaben eingegangen wurde.
Der gleiche Personenkreis empfand die fortgesetzte Würdigung der Person des Genossen Honecker in den Diskussionsbeiträgen als übertrieben. Extreme Beispiele hierfür seien die Ausführungen des Mitglieds des Politbüros und Sekretärs des ZK der SED, Genossen Dohlus,7 und des 1. Sekretärs des Zentralrates der FDJ, Genossen Aurich,8 gewesen.9
Mit Bezugnahme auf den Beschluss des XI. Parteitages zum »Bericht des Zentralkomitees der SED an den XI. Parteitag der SED« wurde auch Verwunderung über die darin enthaltene Formulierung zum Ausdruck gebracht, dass der vom Genossen Honecker erstattete Bericht »und die von ihm entwickelte Strategie und Taktik … bestätigt« werden. Es wurde in diesem Zusammenhang die Frage aufgeworfen, ob die erbrachten Erfolge und Leistungen auf die Führungsqualität des Genossen Honecker oder auf die der gesamten Partei zurückzuführen seien. Letzten Endes, so wurde weiter argumentiert, sei dies doch eine kollektive Leistung, die durch das ganze Politbüro des ZK der SED und die anderen Parteiorgane erbracht wurde.
Kunst- und Kulturschaffende stimmen mehrheitlich der im Bericht des ZK der SED enthaltenen Einschätzung und den Aufgabenstellungen auf kulturpolitischem Gebiet zu.
Eine Anzahl künstlerisch tätiger Personen, darunter Schriftsteller, Dramaturgen und Fernsehautoren, vertreten den Standpunkt, der Bericht enthalte zu wenig Aussagen über das »Wie« der Darstellung der gesellschaftlichen Entwicklungsprozesse in der DDR mit künstlerischen Mitteln. Vermisst wurde eine klarere Orientierung für das Gegenwartsschaffen, besonders bezogen auf die Haltung des Künstlers in der Auseinandersetzung die gesellschaftliche Entwicklung hemmende Faktoren.
So sind z. B. die Dramatiker Peter Hacks10 und Heiner Müller11 sowie der Kunsttheoretiker Prof. Dr. Heise12 der Meinung, dass die Ausführungen über die Kunst und Kultur im Bericht zwar richtig, aber aufgrund der vielen ungelösten und der Parteiführung bekannten Probleme vom Inhalt her ihrer Meinung nach deutlicher sein müssten. Sie hätten einen Diskussionsbeitrag des Genossen Kurt Hager13 erwartet, der neue »Eckpfeiler« in der weiteren Kulturentwicklung in der DDR setzt.
Zahlreiche Kulturschaffende bewerteten den Diskussionsbeitrag des Präsidenten des Schriftstellerverbandes der DDR, Hermann Kant,14 als wesentliche Ergänzung der Ausführungen im Bericht des ZK der SED.15
Er enthalte klare politische Aussagen und bestimme eindeutig den Standort des Künstlers in der sozialistischen Gesellschaft.
Vereinzelt wurden Meinungsäußerungen bekannt, wonach in der DDR einige Kunstgenre anderen gegenüber bevorteilt würden. (So fühlten sich z. B. Komponisten gegenüber Filmschaffenden und auf dem Gebiet der dramatischen Kunsttätigen vernachlässigt.)
Von kirchlichen Amtsträgern aus den Bereichen mehrerer evangelischer Landeskirchen wurde zum Ausdruck gebracht, mit der von der SED verfolgten Politik, insbesondere mit ihrem beharrlichen Ringen um die Erhaltung und Festigung des Friedens, einverstanden zu sein. Die vom Generalsekretär des ZK der KPdSU, Genossen Gorbatschow,16 auf dem XI. Parteitag unterbreiteten Vorschläge fanden weitgehend Zustimmung.17
Besonders bezogen auf die Innenpolitik der DDR habe der XI. Parteitag nach Meinung von kirchlichen Amtsträgern beider Konfessionen jedoch nur bekannte politische Entwicklungen und Einschätzungen zusammengefasst wiedergegeben.
Ihre Erwartungshaltungen bezüglich der Herabsetzung des Rentenalters und weiterer »Reiseerleichterungen« für Bürger der DDR seien nicht erfüllt worden.
Die sozialpolitischen Maßnahmen, so äußerten sie weiter, wären zwar zu begrüßen; man habe aber konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Lage der Veteranen erwartet.
Wiederholt wurde bemängelt, dass auf dem XI. Parteitag keine Aussagen zur künftigen Staatspolitik in Kirchenfragen getroffen worden seien. Dennoch wird die Erwartung geäußert, dass der bewährte Kurs auf diesem Gebiet beibehalten wird.
Leitende Amtsträger des Ordinariats der katholischen Kirche in Berlin drückten in internen Gesprächen ihre Befriedigung über die Wiederwahl des Genossen Honecker zum Generalsekretär des ZK der SED aus. Damit könne die katholische Kirche davon ausgehen, dass auch nach diesem Parteitag die bisherige Politik der DDR gegenüber den Kirchen fortgeführt werde.
Auch weiterhin nehmen in den Diskussionen die neuen sozialpolitischen Maßnahmen einen sehr breiten Raum ein. Nach wie vor sind diesbezügliche Meinungsäußerungen sehr differenziert.
Während insbesondere Jugendliche und Jungerwachsene ihre ungeteilte Freude über die Erhöhung des Ehekredits18 und des Kindergeldes, die bezahlte Freistellung zur Pflege erkrankter Kinder sowie die Einführung des Babyjahres bereits nach der Geburt des ersten Kindes zum Ausdruck gebracht haben, fühlen sich Bürger älterer Jahrgänge benachteiligt, äußern ihr Unverständnis über die ihrer Meinung nach unverbindlichen Aussagen im Bericht des ZK ihre Generation betreffend.
Das widerspiegelt sich in vielfältigen Reaktionen, die Verärgerung, Verbitterung und teilweise Ablehnung erkennen lassen.
Wiederholt wurden Meinungen bekannt, dass die neuen sozialpolitischen Maßnahmen mit überzeugenden Argumenten ausführlich begründet werden sollten, um bei allen Bevölkerungskreisen das notwendige Verständnis zu erreichen.
Unter Hinweis auf nicht in Erfüllung gegangene Erwartungen (besonders hinsichtlich Senkung des Rentenalters, Lohn- und Gehaltserhöhungen und Ähnliches) werden Auffassungen vertreten wie:
- –
Der XI. Parteitag sollte treffender als »Parteitag der Jugend« bezeichnet werden, weil sich die junge Generation in das »gemachte Nest« setze.
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Die Partei handele im Widerspruch zu ihrem Grundsatz, alles für das Wohl des Volkes zu tun; sie orientiere sich stattdessen nur auf die Jugend.
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Der Jugend werde alles auf Kosten der Älteren »zugeschoben«.
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Oftmals werde der jungen Generation das Leben zu leicht gemacht; niemand zwinge sie zu einer kämpferischen Einstellung; das Leistungsprinzip werde nicht genügend beachtet.
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Die Partei sei sich der älteren Bürger sicher, müsse die Jugend aber erst auf Dauer für sich gewinnen.
In Einzelfällen äußerten ältere, noch im Arbeitsprozess stehende Werktätige:
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Jetzt sei es an der Zeit, an sich selbst zu denken, wenn der Staat nichts für sie tue.
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Man werde die Arbeit ruhiger angehen. Es sollten die mehr arbeiten, die auch die Vergünstigungen erhalten.
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Diese Maßnahmen förderten weder den Leistungswillen der Jugend noch den der anderen Werktätigen, sondern führten zu Gleichgültigkeit und Desinteresse betrieblichen Aufgabenstellungen gegenüber.
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Für Sonderschichten sollten künftig die angesprochen werden, die auch die Vergünstigungen erhalten.
Aus einzelnen Bezirken liegen erste Hinweise vor, dass ältere Kolleginnen sich nicht mehr bereit erklären, zusätzliche Arbeiten durchzuführen. Darüber hinaus werden zunehmend Befürchtungen laut über mögliche Konflikte zwischen jüngeren und älteren Beschäftigten.
In vielen Arbeitskollektiven kursieren politische Witze, in denen die sozialpolitischen Maßnahmen glossiert, teilweise auch herabgewürdigt werden.
Ungeachtet vielfältiger kritischer Meinungsäußerungen sind spekulative Erwartungshaltungen dahingehend vorhanden, dass in absehbarer Zeit doch noch entsprechende Maßnahmen durch die Partei- und Staatsführung für die ältere Generation beschlossen werden.
Insbesondere Leitungskader aus verschiedensten Betrieben und Einrichtungen mit einem hohen Anteil weiblicher Beschäftigter, wie z. B. Handel, Gesundheitswesen und Volksbildung befürchten zunehmend unter Bezugnahme auf die Inanspruchnahme des Babyjahres erhebliche Ausfälle junger Kolleginnen und sehen mit Sorge der Lösung ihnen gestellter Aufgaben entgegen. Störungen im Produktionsablauf und Schwierigkeiten bei der Unterrichtsgestaltung in den Schulen würden ihrer Auffassung nach wesentlich zunehmen.
Beispielsweise wurden aus dem Klinikum Berlin-Buch Befürchtungen von mittlerem leitenden Personal bekannt, dass durch diese neuen Maßnahmen die medizinische Versorgung der Patienten in Gefahr gerate. Es sei eine Tatsache, dass die Arbeitskräftesituation in medizinischen Einrichtungen der Hauptstadt mit ihrem hohen Anteil an weiblichem Personal u. a. infolge der bereits wirksamen sozialen Vergünstigungen ohnehin schon angespannt gewesen sei. In Anbetracht der neuen Maßnahmen sei für die Zukunft eine weitere Verschärfung der Situation zu erwarten. Vereinzelt hieß es, dass die medizinischen Einrichtungen damit vor unlösbare Probleme gestellt würden. Bereits jetzt könne in einigen Kliniken die Versorgung der Patienten nur notdürftig gewährleistet werden, da nahezu ein Drittel der Krankenschwestern wegen Schwangerschaft, Mütterjahr oder Krankheit der Kinder praktisch nicht verfügbar sei. Das führte zu einer deutlichen Mehrbelastung der älteren Kolleginnen, die immer unzufriedener werden. In Anbetracht der neuen Maßnahmen werde sich diese Unzufriedenheit weiter verstärken, da »noch zusätzliche Belastungen« zu erwarten seien. Insofern würden ältere Krankenschwestern geradezu »beängstigt in die Zukunft« sehen.
Unter dem MfS hinlänglich bekannten und unter operativer Kontrolle stehenden Personen wurden im Zusammenhang mit dem XI. Parteitag folgende zwei Grundrichtungen bekannt:
Ein Teil dieser Personen verhält sich zurückhaltend und desinteressiert.
Wiederholt werden jedoch auch Äußerungen bekannt, aus denen die Zielstellung sichtbar wird, die Ergebnisse des XI. Parteitages abzuwerten.
Dabei werden solche »Argumente« genannt wie:
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Der XI. Parteitag habe durch die Teilnahme des Genossen Gorbatschow gezeigt, dass die DDR kein »Unsicherheitsfaktor« im sozialistischen Lager ist.
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Genosse Gorbatschow habe der SED die weitere außenpolitische Linie vorgegeben.
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Der Parteitag habe zwar eine positive Bilanz gezogen, doch jeder wisse, dass es in Wirklichkeit anders aussehe.
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Insgesamt ist »nichts Neues herausgekommen«; erneut wurden die Forderungen erhöht, doch für den Einzelnen komme nichts heraus.
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Die neuen sozialpolitischen Maßnahmen seien längst überfällig und nur ein Ausgleich für die gestiegenen Preise.
Aus Kreisen von Übersiedlungsersuchenden19 wurde bekannt, dass sie sich im Wesentlichen zurückhaltend und abwartend verhalten.
Trotz teilweiser Enttäuschung über nicht erfüllte Erwartungshaltungen im Zusammenhang mit dem XI. Parteitag wird von diesen Personen darauf spekuliert, noch vor den Volkswahlen20 die Genehmigung zur Ausreise in die BRD bzw. nach Westberlin zu erhalten.