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Schreiben Kardinal Meisner an Geistliche des Bistums Berlin

30. Juli 1986
Information Nr. 347/86 über ein Schreiben des katholischen Bischofs von Berlin, Kardinal Meisner, an alle Geistlichen des Bistums Berlin zum 13. August 1986

Dem MfS vorliegenden streng internen Hinweisen zufolge ist allen katholischen Geistlichen des Bistums Berlin von Kardinal Meisner1 ein Schreiben zum 13. August 19862 sowie der Text für Fürbitten für die am 10. August 1986 durchzuführenden Gottesdienste übergeben worden.

(Das Bistum Berlin umfasst alle katholischen Gemeinden in der Hauptstadt der DDR, Berlin und im Bezirk Potsdam, eine Reihe Gemeinden in den Bezirken Frankfurt/Oder, Neubrandenburg und Rostock sowie das gesamte Territorium von Westberlin.)

Kardinal Meisner hebt in seinem Schreiben die besondere Bedeutung des Monats August für das Bistum Berlin hervor, verweist dabei auf in diesem Monat liegende innerkirchliche katholische Gedenktage (Errichtung des Bistums Berlin am 13. August 1930, Ernennung von Weihbischof Alfred Bengsch3 zum Bischof von Berlin am 16. August 1961) und ordnet in diese Aufzählung den 13. August 1961 ein, an dem »durch Berlin die Mauer gezogen wurde«.

In dem Schreiben heißt es, bezogen auf den 13. August 1961, »im Hinblick auf die 25-jährige Wiederkehr dieses Ereignisses erinnere ich Sie an das geistliche Vermächtnis von Alfred Kardinal Bengsch …« (es war nach dessen Tod durch die katholische Kirche veröffentlicht worden), die Einheit des Bistums Berlin zu wahren.

»Eingedenk dieser Worte« fordert Meisner die katholischen Geistlichen des Bistums Berlin auf, die seinem Schreiben beigefügten Fürbitten in den Gottesdiensten am 10. August 19864 vorzutragen.

In den Fürbitten wird die Notwendigkeit der Stärkung des Bistums und der Erhaltung seiner Verbundenheit herausgestellt.

Der Wortlaut des Schreibens Kardinal Meisners an die Geistlichen des Bistums Berlin sowie der Text der Fürbitten werden als Anlage beigefügt.

Es wird vorgeschlagen, dass in Abstimmung mit der Arbeitsgruppe für Kirchenfragen beim ZK der SED der Staatssekretär für Kirchenfragen, Genosse Gysi,5 in einem Gespräch mit Prälat Lange6 die Aktivitäten von Kardinal Meisner zum 13. August als Einmischung in staatliche Angelegenheiten der DDR und als unfreundlichen Akt zurückweist.

Die Information ist wegen Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.

Anlage zur Information Nr. 347/86

Der Bischof von Berlin

Berlin, den 7. Juli 1986

Lieber Mitbruder!

Der August ist vor allen anderen Monaten des Jahres für unser Bistum von Bedeutung. Am 13. August 1930 wurde unser Bistum Berlin errichtet. Der August 1986 trägt einen besonderen Akzent: Am 13. August 1961 wurde durch Berlin die Mauer gezogen und am 16. August 1961 der damalige Weihbischof Alfred Bengsch zum Bischof von Berlin ernannt. Im Hinblick auf die 25-jährige Wiederkehr dieser Ereignisse erinnere ich Sie an das geistliche Vermächtnis von Alfred Kardinal Bengsch, in dem es heißt:

»Liebe Brüder und Schwestern, beherzigt auch in Zukunft, was Euch als heiliges Volk Gottes aufgetragen ist: Bleibt in der Liebe Christi, bewahrt die Einheit des Bistums und steht in Treue zum Heiligen Vater, dem Nachfolger des Apostelfürsten Petrus, den Christus zum Haupt seiner Kirche bestellt hat. Widersteht dem Ungeist des Hasses mit dem Geist der Liebe des Gekreuzigten, der noch in der Stunde seines Todes den Vater bittet, seinen Feinden zu vergeben.«

Eingedenk dieser Worte bitte ich Sie, in allen Gottesdiensten am Sonntag, dem 10. August 1986, und in der Sonntag-Vorabendmesse am 9. August 1986 die beigefügten Fürbitten zu verrichten.

Mit Gruß und Segen | Ihr | [im Original Unterschrift Kardinal Meisner] | Bischof von Berlin | Fürbitten für den 10.8.1986

Herr Jesus Christus, du bist der Herr der Kirche. Wir rufen zu dir:

Du bist der Weg, die Wahrheit und das Leben:

Führe und lenke die Kirche von Berlin auf ihrem Weg durch die Zeit.

Du bist eins mit dem Vater im Heiligen Geist:

Festige die Einheit des Bistums Berlin und vertiefe die Brüderlichkeit in unseren Gemeinden.

Du hast den Petrus beauftragt, seine Brüder zu stärken, erhalte unser Bistum in seiner Verbundenheit mit dem Nachfolger des heiligen Petrus, Papst Johannes Paul II.

Du hast die Apostel zu Verkündern des Evangeliums berufen: Stärke unseren Bischof Joachim und seinen Weihbischof Wolfgang7 in ihrem apostolischen Wirken zur Ehre Gottes und zum Heil der Menschen.

Du hast das neue Gebot der Liebe gegeben:

Befreie die Welt von Vorurteilen und wehre allen trennenden Gedanken der Feindschaft und des Hasses.

Du berufst Mitarbeiter, die sich besonders dem Dienst in deine Kirche zur Verfügung stellen:

Segne unsere Gemeinden in West und Ost, in Nord und Süd, unsere Klöster und Ordensgemeinschaften und wecke in jungen Menschen den Willen, dir in geistlichen Berufen zu dienen.

Du hast gesagt: Geht hinaus in alle Welt und lehret alle Völker:

Gib unseren Gemeinden missionarischen Geist und beschütze die Missionare und Missionsschwestern, die aus dem Bistum Berlin stammen, in ihrem Dienst.

Du bist die Auferstehung und das Leben:

Schenke Alfred Kardinal Bengsch, dem treuen Diener der Einheit des Bistums, und allen verstorbenen Bischöfen, Priestern, Ordensleuten und Laien der Ortskirche von Berlin das ewige Leben.

Denn du bist gekommen, damit wir das Leben in Fülle haben.

Dich preisen wir mit dem Vater in der Einheit des Heiligen Geistes jetzt und alle Zeit und in Ewigkeit.

  1. Zum nächsten Dokument Mindestumtausch 21.7.–27.7.1986

    30. Juli 1986
    Information Nr. 358/86 über die Entwicklung der Einnahmen aus der Durchführung des verbindlichen Mindestumtausches für die Zeit vom 21. Juli 1986 bis 27. Juli 1986

  2. Zum vorherigen Dokument Konferenz der Ev. Kirchenleitungen der DDR (4)

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