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Synode der Evangelischen Kirche der Union in der DDR

6. Juni 1986
Information Nr. 263/86 über die 3. ordentliche Tagung der 6. Synode der Evangelischen Kirche der Union (EKU) – Bereich DDR – vom 23. bis 25. Mai 1986 in Potsdam

Die 3. ordentliche Tagung der 6. Synode der EKU – Bereich DDR – wurde in der Hoffbauer-Stiftung Potsdam-Hermannswerder zum Hauptthema »Die Bedeutung der Reich-Gottes-Erwartung für das Zeugnis der christlichen Gemeinde« durchgeführt.

(Die 2. ordentliche Tagung der 6. Synode der EKU – Bereich DDR – hatte vom 18. bis 20. Mai 1984 in der Hauptstadt Berlin zum Thema »Barmen – Gedenken 1984« stattgefunden.)

An der Tagung in Potsdam-Hermannswerder waren von den 63 gewählten und berufenen Synodalen 48 anwesend. Seitens kirchenleitender Amtsträger der EKU – Bereich DDR – nahm Kirchenpräsident Natho/Dessau1 an der Tagung nicht teil. (Streng intern wurde bekannt, dass Natho mit dem gewählten Hauptthema der Synodaltagung nicht einverstanden gewesen sei und weitere Synodale seiner Landeskirche beeinflusst habe, ebenfalls an der Tagung nicht teilzunehmen.)

Gäste der Synodaltagung waren: Prof. Herzog/USA,2 Vereinigte Kirche Christi (UCC)3 in den USA; Prof. Spalding/USA,4 Presbyterianische Kirche in den USA; Pfarrer Oda/Japan5 – zurzeit BRD, Vereinigte Kirche Christi in Japan (Kyodan); Superintendent Karzig/Westberlin,6 Präses der Synode der Evangelischen Kirche der Union – Bereich BRD und Westberlin –; Präsident Kraske/Westberlin,7 Präsident der Kirchenkanzlei der EKU – Bereich BRD und Westberlin –; Präses i. R. Beckmann/BRD,8 Evangelische Kirche in Westfalen (als Privatgast des Präses Oberkirchenrat Karpinski/Berlin);9 Pfarrer Brož/ČSSR,10 Generalsekretär der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder; Senior Pastucha/VR Polen,11 Evangelische Kirche Augsburgischen Bekenntnisses in der VR Polen.

Durch alle anwesenden ausländischen ökumenischen Gäste wurden Grußworte an die Synode gerichtet, die vorrangig theologischen und innerkirchlichen Charakter trugen.

Lediglich Präses Karzig/Westberlin, Präses i. R. Beckmann/BRD und Prof. Herzog/USA sprachen in ihren Beiträgen gesellschaftspolitische Fragen an.

So wiesen die Präsides Karzig und Beckmann u. a. auf die Notwendigkeit der Festigung der ökumenischen Bindungen und der Überwindung bestehender Trennungen, insbesondere zwischen den zwei Bereichen der EKU in der DDR und in der BRD/Westberlin, hin.

Sie betonten weiter, jede Kirche müsse sich zu einer »Friedenskirche« entwickeln. Präses i. R. Beckmann forderte »die Aufgabe der Gleichgültigkeit gegenüber Südafrika«, um dem dortigen Massenmord ein Ende zu setzen.12

Prof. Herzog sprach den Kirchen in der DDR Dank für ihr Friedensengagement aus und forderte unter Bezugnahme auf die zerstörerischen Möglichkeiten neuer technologischer Systeme einen politischen Umdenkungsprozess, um gegen die potenzielle Zerstörung durch die nukleare Bedrohung aufzutreten.

Neben Journalisten aus der DDR (ADN, Neue Zeit, kirchliche Presse) waren zeitweilig folgende in der DDR ständig akkreditierte Korrespondenten westlicher Massenmedien auf der Synodaltagung anwesend: Röder, Hans-Jürgen/epd;13 Jennerjahn, Hartmut/dpa;14 Hauptmann, Wolfgang/ARD-Hörfunk15 und Hinze, Albrecht/Süddeutsche Zeitung.16

Vertreter westlicher diplomatischer Einrichtungen in der DDR wurden auf der Synodaltagung nicht festgestellt.

Im Mittelpunkt der Tagung standen:

  • Bericht des Vorsitzenden des Rates der EKU – Bereich DDR –, Bischof Dr. Forck/Berlin,17

  • Tätigkeitsbericht der Kirchenkanzlei der EKU – Bereich DDR –,

  • Erörterung des Hauptthemas der Synodaltagung (Referenten: Prof. Dr. Haufe/Greifswald,18 Prof. Dr. Hertzsch/Jena)19,

  • Fragen innerkirchlichen und theologischen Inhalts (Erklärung zu den theologischen Grundlagen der Kirche und ihrem Auftrag in Zeugnis und Dienst/Konsistorialpräsident Kramer/Magdeburg;20 Übertragung von Aufgabengebieten der EKU – Bereich DDR – an den BEK in der DDR/Propst Winter/Berlin;21 Haushaltspläne, Textrevision Kleiner Katechismus, Bestattung etc.).

Im Verlaufe der 3. Tagung der 6. Synode der EKU – Bereich DDR – wurden keine offenen Angriffe feindlich-negativen Charakters vorgetragen. Priorität hatten in allen Berichten und Vorträgen innerkirchliche und theologische Fragen, kirchenleitende Kräfte waren bemüht, zu sogenannten Konfliktbereichen (Volksbildung, Wehrdienst und andere) keine Diskussionen zuzulassen.

Bedeutend für den Verlauf der Synode waren die aus politisch realistischer Sicht im Bericht von Bischof Forck/Berlin vorgetragenen Probleme mit gesellschaftspolitischen Bezügen, wie die Betonung der Notwendigkeit einer verstärkten Übernahme kirchlicher Friedensverantwortung sowie die Hervorhebung eines positiven Engagements im Verhältnis Staat-Kirche als theologische Konsequenz.

Es ist einzuschätzen, dass die Aussagen von Bischof Forck seine bisher weitestgehenden politisch realistischen Formulierungen zu aktuellen Fragen der Friedenserhaltung und Abrüstung in Unterstützung der außenpolitischen Aktivitäten der UdSSR und der DDR im kirchlichen Raum darstellten.

(In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, dass Bischof Forck während der Frühjahrssynode der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg – 4. bis 8.4.1986 – versucht hatte, angeblich vorhandene Konfliktfelder Staat-Kirche in die Diskussion einzubringen.22 So hatte er hinlänglich bekannte Standpunkte zur Wehrdienstproblematik,23 zur vormilitärischen Ausbildung,24 zum Reiseverkehr in das nichtsozialistische Ausland und zur »Chancengleichheit« für Christen dargelegt. – Siehe Information des MfS Nr. 193/86 vom 28. April 1986 -)

Diese Ausführungen von Bischof Forck auf der 3. Tagung der EKU wurden in Diskussionen von Synodalen mehrfach unterstützt.

Insbesondere durch die Synodalen Prof. Dr. Müller/Berlin25 und Diplom-Ingenieur Krause/Berlin26 wurden die Zustimmung zu den jüngsten Friedensvorschlägen der UdSSR27 und die Ablehnung der Hochrüstungs- und Konfrontationspolitik der USA in den Mittelpunkt von Diskussionen gestellt.

Eine Reihe von Synodalen, die in der Vergangenheit mehr fachpolitisch negativ in Erscheinung getreten waren (Pfarrer Schorlemmer/Wittenberg,28 Oberkirchenrat Schulze/Magdeburg,29 Dr. Domke/Potsdam)30 bekundeten in Anlehnung an die Ausführungen von Bischof Forck analoge realistische Auffassungen.

Der 15seitige Bericht des Vorsitzenden des Rates der EKU – Bereich DDR –, Bischof Forck, stellte eine vorrangig theologischen Charakter tragende Stellungnahme zum Votum des gemeinsamen Theologischen Ausschusses der EKU – Bereich DDR – und der EKU – Bereich BRD/Westberlin – zum Hauptthema der Synodaltagung, »Die Bedeutung der Reich-Gottes-Erwartung für das Zeugnis der christlichen Gemeinde« dar, die keine politisch-negativen Angriffe enthielt.31

(Im Votum des Theologischen Ausschusses erfolgt auf der Grundlage der Barmer Theologischen Erklärung/1934 die theologische Begründung gesellschaftlicher Verantwortung der Kirchen.)32

Im Rahmen seiner gesellschaftspolitischen Ausführungen über kirchliche Verantwortung für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung sprach Bischof Forck seinen Dank aus »für alles, was für Frieden, Gerechtigkeit und Umweltschutz durch die Regierungen geschieht«.

In diesem Zusammenhang nahm er Bezug auf die Havarie im Kernkraftwerk Tschernobyl33 und sprach seine Zustimmung und seinen Dank für die Einschätzung des Generalsekretärs des ZK der KPdSU, Genossen Gorbatschow,34 zu diesem Vorkommnis aus. (Forck erwähnte nicht die von ihm früher in internen Gesprächen geäußerte Meinung, die Information durch die UdSSR über die Havarie sei zu spät erfolgt, was zu Unsicherheit über das wirkliche Ausmaß der Katastrophe geführt habe.) Forck äußerte die Hoffnung, dass die sowjetischen Abrüstungsvorschläge von den USA »endlich aufgegriffen werden« und führte wörtlich an:

»Gorbatschow hat in seiner Ansprache auch darauf hingewiesen, dass die Havarie in Tschernobyl ein weiteres Mal erhellt habe, welches Unheil hereinbricht, wenn ein Kernwaffenkrieg über die Menschen kommt. Er hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die Sowjetunion ihr einseitiges Moratorium für nukleare Tests bis zum 6. August dieses Jahres verlängern werde.

Ich kann diese Entscheidung nur mit Dank zur Kenntnis nehmen und die Hoffnung aussprechen, dass doch endlich die Vorschläge der Sowjetunion zur Einstellung der Nukleartests und zur Abschaffung von nuklearen und chemischen Waffen sowie zur Reduzierung der konventionellen Waffen von Amerika und seinen Verbündeten ernsthaft aufgegriffen werden möchten.«

In diesem Zusammenhang sprach sich Bischof Forck für eine weitere Festigung der Verbindung zur amerikanischen Vereinigten Kirche Christi (UCC) aus, da »diese Kirche auch in ihrem positiven Engagement für Frieden und Gerechtigkeit einen Standpunkt vertritt, der uns den Austausch über Fragen ermöglicht, die uns sonst nur über einseitige Berichterstattungen bekannt sind. So haben wir auch über die Einmischung der USA in Mittelamerika35 und über das SDI-Programm36 sprechen können«.

Im Gegensatz zu seinem Bericht auf der Frühjahrssynode 1986 der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg erklärte Forck in diesem Vortrag, dass ungeachtet resignativer Erscheinungen in Kirche (Schrumpfungsprozess) und Gesellschaft (»Unlust mancher Gemeindeglieder in ihren Berufen, die mit ihren Vorstellungen und Plänen zur Verbesserung des Arbeitsprozesses und zur Vermeidung von Umweltverschmutzung nicht zum Zuge gekommen sind«) die kirchliche Aufgabe in der Ermutigung zur Wahrnehmung der gesellschaftlichen Verantwortung bestehe. Er forderte die Synode auf, sich von der bisherigen kirchlichen Praxis, »sich für den Haushalt ganz wesentlich auf Mittel zu stützen, die von den Kirchen der EKD kommen«, zu lösen. Das erfordere eine stärkere Beteiligung der Kirchengemeinden an den finanziellen Lasten der Kirchen. Die größere finanzielle Selbstständigkeit der Kirchen in der DDR bedeute aber keine Aufgabe der besonderen Gemeinschaft mit den Kirchen im Bereich BRD und Westberlin, sondern vielmehr deren Vertiefung.

In dem den Synodalen vorgelegten Tätigkeitsbericht der Kirchenkanzlei der EKU – Bereich DDR – wurde ausschließlich über die theologische und innerkirchliche Arbeit der Kirchenkanzlei im Berichtszeitraum (1. Juni 1984 bis 31. Dezember 1985) berichtet; gesellschaftspolitische Bezüge wurden nicht hergestellt.37

Das Referat zum Hauptthema der Synode »Die Bedeutung der Reich-Gottes-Erwartung für das Zeugnis der christlichen Gemeinde« (Referent: Prof. Dr. Haufe/Greifswald) trug theologischen Charakter und stellte eine Einführung und Erläuterung des gleichlautenden 165seitigen Votums des gemeinsamen Theologischen Ausschusses der EKU – Bereich DDR – und der EKU – Bereich BRD und Westberlin – dar.38

Im Rahmen einer zum Zeitpunkt der Tagung der Synode der EKU durchgeführten Gemeindeveranstaltung in Potsdam wurde durch Prof. Dr. Hertzsch/Jena vor ca. 150 bis 200 Teilnehmern ein Referat zum Hauptthema der Synode gehalten, das ebenfalls ausschließlich theologischen Charakter trug.

An der Plenaraussprache zu den vorliegenden Berichten (Bericht des Bischofs Forck, Referat Prof. Dr. Haufe, Tätigkeitsbericht der Kirchenkanzlei) beteiligten sich 13 Synodale.

Dabei gingen die Synodalen Dipl.-Ing. Krause/Berlin, Pfarrer Schorlemmer/Wittenberg, Prof. Dr. Müller/Berlin, Dr. Domke/Potsdam, Konsistorialrätin Cynkiewicz/Berlin,39 Oberkirchenrat Schultze/Magdeburg40 und die Synodale Frau Hartmann/Nordhausen41 u. a. auf die von Bischof Forck gemachten Ausführungen zur Havarie im Kernkraftwerk Tschernobyl ein.

In überwiegend politisch realistischen Beiträgen wurde hervorgehoben, die Synode sei dankbar, dass sich Bischof Forck an den jüngsten Ausführungen des Generalsekretärs des ZK der KPdSU, Genossen Gorbatschow, orientiert habe. Die Christen sollten für die Opfer von Tschernobyl beten, und es gelte, die »militär-politischen Konsequenzen« zu erkennen. Übereinstimmend wurde die in westlichen Massenmedien geführte Kampagne im Zusammenhang mit der Havarie abgelehnt.

Prof. Müller, Dipl.-Ing. Krause und Dr. Domke wiesen darauf hin, dass diese Katastrophe zu weiteren Abrüstungsmaßnahmen auf der Grundlage der Umsetzung der sowjetischen Abrüstungsvorschläge führen müsste und daher klarere Stellungnahmen der Synode gegen die USA-Politik erforderlich seien.

Pfarrer Schorlemmer/Wittenberg, erklärte, diese Katastrophe dürfe sich nicht zu einer politischen Katastrophe eskalieren, da diese Möglichkeit durch die »Übertreibungen auf westlicher Seite« bestünde. Es käme darauf an, den politischen Schaden einzudämmen, damit die Politik der Sowjetunion keinen Rückschlag erleide.

Gleichzeitig wurde von den Synodalen Pfarrer Schorlemmer, Oberkirchenrat Schultze und Frau Hartmann die Berichterstattung in den DDR-Medien zum Unfall in Tschernobyl kritisiert und als »unverantwortbar« charakterisiert, da sowohl Folgen der Katastrophe nicht benannt als auch Raum für verstärkte Resonanz und Wirkung westlicher Medien in der DDR geschaffen worden seien.

Von Pfarrer Schorlemmer, Dr. Domke und Frau Hartmann wurde die Notwendigkeit alternativer Energiegewinnung angesprochen.

Der in geschlossener Sitzung tagende Berichtsausschuss der Synode verabschiedete drei Briefe, und zwar an die Vereinigte Kirche Christi (UCC) in den USA, an die Presbyterianische Kirche in den USA sowie an den Exarchen der Russisch-Orthodoxen Kirche, Erzbischof Feodosi/Berlin.42 Diese Briefe wurden durch eine Arbeitsgruppe des Berichtsausschusses, der Bischof Dr. Forck, Kirchenrätin Grengel43 und Prof. Dr. Müller/alle Berlin angehörten, erarbeitet. Im Brief an Erzbischof Feodosi wird »das Mitgefühl der Synode« über die Opfer der Havarie im Kernkraftwerk Tschernobyl zum Ausdruck gebracht und in Anlehnung an den Bericht des Ratsvorsitzenden erklärt, dass die »nukleare Epoche ein neues politisches Denken erfordere und die weltweite Einstellung der Nukleartests, die Abschaffung von nuklearen und chemischen Waffen, die Reduzierung der konventionellen Waffen und eine Verhinderung der Stationierung von Waffen im Weltraum« auch ihr Anliegen sei.

In den Briefen an die UCC und die Presbyterianische Kirche in den USA wird ebenfalls eine politisch positive Haltung zur Friedensfrage als der derzeitigen Hauptfrage der Menschheit eingenommen und den beiden USA-Kirchen für ihre kritische Haltung und Einstellung zur Politik der USA-Regierung ausdrücklich gedankt.

(Die genannten Briefe sind als Anlage beigefügt.)

Auch in der Vergangenheit häufig politisch-negativ in Erscheinung getretene Synodale und kirchliche Amtsträger wie z. B. Pfarrer Wutzke/Gartz,44 Oberkirchenrat Harder/Greifswald,45 Pfarrer Passauer/Berlin,46 Pastorin Cynkiewicz/Berlin, Frau Hartmann/Nordhausen stimmten für die vorgelegten Briefentwürfe, sodass im Berichtsausschuss Einstimmigkeit dazu erzielt wurde.

Für die Erarbeitung der Beschlussvorlage im Berichtsausschuss (Zusammenfassung bedeutender Diskussionsrichtungen innerhalb der Tagung) wurden Pfarrer Schorlemmer, Pfarrer Passauer, Frau Hartmann und Rechtsanwalt Schnur/Rostock47 benannt.

Bereits innerhalb dieser Arbeitsgruppe konnte keine Einstimmigkeit über einen Entwurf für die Beschlussvorlage erzielt werden. Der von Pfarrer Passauer vorgeschlagene Entwurf wurde zurückgewiesen, da er die politisch positiven Aussagen im Bericht des Ratsvorsitzenden nicht berücksichtigt hatte.

Im Ergebnis der Diskussion im Berichtsausschuss wurde einem Entwurf zugestimmt, der durch Schorlemmer, Schnur und Frau Hartmann erarbeitet worden war. Diese Beschlussvorlage, welche sich an den politisch positiven Aussagen aus dem Bericht des Ratsvorsitzenden orientiert wurde auch von der Synode bestätigt.

(Beschluss als Anlage 3 der Information beigefügt.)

Die Information ist wegen Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.

Anlage 1 zur Information Nr. 263/86

[Vorlage: Brief an Erzbischof der russisch-orthodoxen Kirche]

6. Synode der Evangelischen Kirche der Union – Bereich DDR –; 3. Ordentliche Tagung vom 23. bis 25. Mai 1986

Vorlage 106 zu Vorlage 2

Vorlage des Tagungsberichtsausschusses

Die Synode möge folgenden Brief beschließen:

Sehr verehrter Herr Erzbischof, lieber Bruder in Christus!

Die in Potsdam-Hermannswerder versammelte Synode der Evangelischen Kirche der Union – Bereich DDR – ist betroffen von dem Leid, das durch die Havarie im Kernkraftwerk Tschernobyl über viele Familien Ihres Landes gekommen ist. Wir beklagen mit Ihnen die Todesopfer und sind in Sorge um die Menschen, die noch mit schweren Schäden in den Krankenhäusern liegen. Wir sind uns bewusst, dass weitere Folgen der Strahlung sich noch im Laufe der folgenden Jahre herausstellen können. Die Last, die damit Menschen Ihrer Heimat auferlegt ist, versuchen wir in der Fürbitte mitzutragen.

Noch in einer anderen Weise sind wir durch die Katastrophe in Tschernobyl mitbetroffen. Wir können der Einschätzung von Generalsekretär Gorbatschow in seiner Ansprache vom 14.5.1986 nur zustimmen, in der er gesagt hat: »Wir verstehen sie (die Tragödie von Tschernobyl) als ein weiteres Alarmsignal, eine weitere schreckliche Warnung, dass die nukleare Epoche ein neues politisches Denken und eine neue Politik erfordert.«48

Es ist nicht auszuschließen, dass eine Havarie, wie sie in Tschernobyl geschehen ist, anderswo und auch bei uns sich ereignen könnte. Darum halten wir den Vorschlag von M. Gorbatschow für wichtig, dass eine »ernsthafte Vertiefung der Zusammenarbeit im Rahmen der internationalen Atomenergiebehörde« angestrebt und möglichst bald realisiert wird. Es ist auch unser Anliegen, dass es zu einer weltweiten Einstellung der Nukleartests, zur Abschaffung von nuklearen und chemischen Waffen sowie zur Reduzierung der konventionellen Waffen kommt und dass eine Stationierung von Waffen im Weltraum verhindert wird.

Wir möchten Sie bitten, unser Mitgefühl Ihrer Kirche und besonders den betroffenen Gemeinden und Menschen zu übermitteln.

In aufrichtiger Anteilnahme und in der Verbundenheit des Glaubens grüßt Sie, sehr verehrter Herr Erzbischof,

Die Synode … | gezeichnet Harder (Vorsitzender)

Anlage 2 zur Information Nr. 263/86

[Vorlage: Brief an US-Kirchen]

6. Synode der Evangelischen Kirche der Union – Bereich DDR –; 3. Ordentliche Tagung vom 23. bis 25. Mai 1986

Vorlage 107 zu Vorlage 2

Vorlage des Tagungsberichtsausschusses

Die Synode möge beschließen:

  • Brief an die Vereinigte Kirche Christi (USA)

  • Brief an die Presbyterianische Kirche (USA)

Liebe Schwestern und Brüder!

Auf unserer Synode, an der auch ein Vertreter Ihrer Kirche teilgenommen hat, haben wir uns erneut mit den brennenden Fragen des nuklearen Zeitalters und seinen Gefahren beschäftigt.

Der Ratsvorsitzende hat in seinem Bericht die uns alle beunruhigende Havarie im Kernkraftwerk Tschernobyl angesprochen. Die Synode ist von dieser Katastrophe stark berührt. Sie teilt die Einschätzung M. Gorbatschows: »Wir verstehen sie (die Tragödie von Tschernobyl) als ein weiteres Alarmsignal, eine weitere schreckliche Warnung, dass die nukleare Epoche in neues politisches Denken und eine neue Politik erfordert«. Das Unglück in Tschernobyl habe ein weiteres Mal gezeigt »welches Unheil hereinbricht, wenn ein Kernwaffenkrieg über die Menschen kommt«.

Unsere Kirche hält die Sorge für den Frieden für die vordringliche politische Aufgabe heute. Darum hat sie mit Aufmerksamkeit gehört, in welcher Weise sich Ihre Kirche in der letzten Zeit für Frieden und Gerechtigkeit eingesetzt hat. Wir möchten Ihnen ausdrücklich dafür danken, dass Sie immer wieder Ihre Regierung aufgerufen haben, in den konkreten politischen Krisen eine gerechte Friedenspolitik zu betreiben und alles zu unterlassen, was zu kriegerischer Auseinandersetzung führen könnte.

Bei Vereinigter Kirche Christi (USA):

Wir sind beeindruckt von dem Beschluss Ihrer Generalsynode, eine »Kirche des gerechten Friedens« zu werden. Wir danken Ihnen insbesondere dafür, dass Sie »die internationale Ächtung der49 Entwicklung, Erprobung, des Einsatzes und des Besitzes von nuklearen und chemischen Massenvernichtungswaffen« und »die internationale Ächtung aller Waffen im Weltraum und aller nationalen Entwicklungsprogramme für Verteidigungssysteme im Weltraum und der strategischen Verteidigungsinitiativen« erstreben. Wir sehen darin ein ermutigendes Zeichen.

Bei Presbyterianischer Kirche (USA):

Wir halten es für unser gemeinsames Anliegen, dass es zu einer weltweiten Einstellung der Nukleartests, zur Abschaffung von nuklearen und chemischen Waffen sowie zur Reduzierung der konventionellen Waffen kommt und dass eine Stationierung von Waffen im Weltraum verhindert wird.

Wir bitten Sie deshalb, dazu zu helfen, dass Ihre Regierung in ernsthafte Verhandlungen über die Vorschläge der Sowjetunion eintritt, um diese Ziele zu erreichen/dieses Anliegen zu realisieren.

Die Synode der Evangelischen Kirche der Union – Bereich DDR – fühlt sich mit Ihnen in der Arbeit für einen gerechten Frieden verbunden und grüßt Sie

Ihr | Der Präses | gezeichnet: Harder | (Vorsitzender)

Anlage 3 zur Information Nr. 263/86

[Antrag zur Reaktorkatastrophe in Tschernobyl]

6. Synode der Evangelischen Kirche der Union – Bereich DDR –; 3. Ordentliche Tagung vom 23. bis 25. Mai 1986

Vorlage 109 zu Vorlage 2

Antrag des Tagungsberichtsausschusses

Synode wolle beschließen:

Der Bericht des Ratsvorsitzenden hat in ernster und weiterführender Weise das Unglück von Tschernobyl angesprochen.

Die tragischen Folgen der Havarie haben zuerst die unmittelbar betroffenen Menschen in der Ukraine zu tragen. Ihr Leiden geht uns nahe. Wir bringen es im Gebet vor Gott.

Wir versuchen, erste Erkenntnisse und Folgerungen zu beschreiben:

  • Kernkraftwerke wurden von ihren Befürwortern bisher als sicher bezeichnet. Trotzdem ist das als unwahrscheinlich Geltende eingetreten.

  • Eine Havarie in einem Kernkraftwerk irgendwo in Europa betrifft ganz Europa, die Freisetzung von Radioaktivität in die Atmosphäre irgendwo auf der Erde betrifft die ganze Erde. Darauf haben auch Frauen von den Philippinen auf der Vollversammlung in Vancouver50 hingewiesen, als sie über Geburten verunstalteten Lebens als Folge radioaktiver Strahlungen berichteten.

  • Wir stehen ratlos vor den bis heute schwer greifbaren Kurz- und Langzeitwirkungen der Strahlungen. Angst und große Unsicherheit greifen um sich. Eine wesentliche Verstärkung der wissenschaftlich-technischen Forschung zur Abschätzung nicht bekannter Folgen und Risiken friedlicher Nutzung von Kernenergie und eine rechtzeitige besonnene und sachkundige Information bei etwaigen zukünftigen Havarien und eine internationale Zusammenarbeit sind unumgänglich geworden.

  • Wir sind an Grenzen gestoßen. Wir dürfen nicht mehr alles tun, was wir können, wenn wir den Auftrag, die uns anvertraute Erde zu bebauen und zu bewahren, gerecht werden wollen.

  • Wir dürfen die Folgen unseres Tuns nicht übersehen und irreparable Schäden nicht auf künftige Generationen abwälzen.

Angesichts der Katastrophe von Tschernobyl sind von verschiedenen Seiten Forderungen erhoben worden, mit denen wir uns zu beschäftigen haben:

  • Verzicht auf den weiteren Ausbau der Atomenergie und schrittweiser Abbau der vorhandenen Anlagen.

  • Konzentration auf die Entwicklung »sanfter Energien«.

  • Drastische Einschränkung des Energieverbrauchs. Änderung unseres gesamten eigenen Lebensstils.

Es ist damit zu rechnen, dass diese Anliegen auch mit starken Emotionen vertreten werden. Es wird viel darauf ankommen, dass sie sehr ernsthaft bedacht werden und dass mit denen, die solche Forderungen vertreten, verständnisvoll umgegangen wird.

Wenn schon die in friedlicher Absicht unternommene Nutzung von Kernenergie solche weitreichenden Folgen haben kann, um wieviel gefährlicher sind Atomwaffen, deren Anwendung einzig Vernichtung bringt. Deshalb unterstützen wir alle Vorschläge, die auf ergebnisorientierte Abrüstungsverhandlungen gerichtet sind. Außerdem unterstützen wir ausdrücklich das einseitige Atomtestmoratorium der Sowjetunion und erwarten, dass es allseitig wird. Die Pläne für eine »strategische Verteidigungsinitiative« müssen gestoppt werden. Die Vorschläge der Sowjetunion aus diesem Jahr bedürfen einer konkreten Antwort. Es gibt nur noch eine gemeinsame Sicherheit.

Die für 1990 geplante ökumenische Weltversammlung, die sich den großen Herausforderungen unserer Zukunft stellen will (Welthunger, Weltvernichtung, Weltvergiftung), bedarf eines entschiedenen Vorbereitungsprozesses in unseren Kirchen und Gemeinden. Konkret und verbindlich sollten wir alle in einem »konziliaren Prozess« nach Wegen suchen, wie wir alle auf dieser Welt nicht nur überleben, sondern das »Leben in seiner Fülle« erfahren können.51

gezeichnet: Harder | (Vorsitzender)

  1. Zum nächsten Dokument Blues-Messen in der Erlöserkirche in Berlin-Lichtenberg (1)

    6. Juni 1986
    Information Nr. 268/86 über die erneute Durchführung von sogenannten Blues-Messen am 1. Juni 1986 in der Erlöserkirche in Berlin-Lichtenberg

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    5. Juni 1986
    Information Nr. 272/86 über die weitere Durchsetzung der Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit im grenzüberschreitenden Verkehr nach und von Westberlin