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Treffen einer Delegation der Grünen mit Opposition in Ostberlin (2)

30. September 1986
Information Nr. 448/86 über erneute Zusammenkünfte von Mitgliedern der Bundestagsfraktion Die Grünen mit Exponenten politischer Untergrundtätigkeit in der DDR

Streng internen Hinweisen des MfS zufolge missbrauchten die Mitglieder der Bundestagsfraktion der Grünen, Gert Bastian1 und Petra Kelly,2 die ihnen im Zusammenhang mit dem Besuchsaufenthalt einer Delegation der Gruppe »Generale für Frieden und Abrüstung«3 am 24. September 1986 gestattete Einreise in die Hauptstadt der DDR, Berlin, zu einem Treffen mit Exponenten politischer Untergrundtätigkeit.

An dieser Zusammenkunft von ca. 17.00 bis 23.00 Uhr in der Wohnung des hinlänglich bekannten Martin Böttger4 nahm zeitweilig auch das Mitglied der Bundestagsfraktion der Grünen, Heinz Suhr,5 teil, der nach vorliegenden Hinweisen anlässlich einer Tagung des Haushaltsausschusses des Bundestages der BRD in Westberlin weilte.

Unter den ca. 20 anwesenden Personen aus der Hauptstadt der DDR, Berlin, befanden sich mit Gert Poppe,6 Wolfgang Templin,7 Ralf Hirsch,8 Lutz Nagorski9 und Bärbel Bohley10 solche feindlich-negativen Kräfte, die bereits Teilnehmer der Zusammenkünfte vom 2. September 1986 mit Mitgliedern der in der DDR weilenden Delegation der Bundestagsfraktion Die Grünen waren (vergleiche dazu Information des MfS Nr. 445/86 vom 29. September 1986).

Maßgeblichen Anteil am Zustandekommen und an der Auswahl der Teilnehmer des Treffens trägt erneut der in Westberlin lebende ehemalige DDR-Bürger Jahn.11

Die Zusammenkunft wurde nach streng internen Hinweisen durch Bastian und die Kelly vor allem dazu genutzt, die Gesprächsteilnehmer über den Programmablauf für die Delegation der Gruppe »Generale für den Frieden und Abrüstung« zu informieren und über Möglichkeiten zu beraten, den Aufenthalt dieser Delegation gezielt für öffentlichkeitswirksame Aktivitäten zu nutzen.

So orientierten sie u. a. darauf, das öffentliche Forum am 26. September 1986 in der Akademie der Künste der DDR – der hinlänglich bekannte Werner Fischer/Berlin12 hatte für diese Veranstaltung 15 Eintrittskarten organisiert – für eine derartige provokatorisch – demonstrative Aktion zu nutzen. Während Bastian vorschlug, mittels provokatorischer Fragestellungen in Erscheinung zu treten, forderte die Kelly: »Macht mal ordentlich was, verteilt Zettel oder hängt euch Plakate um, damit es nicht langweilig wird.« Ihrer Meinung nach gelte es, das mit dem erwähnten Aufenthalt der Delegation der Bundestagsfraktion der Grünen in der DDR »Versäumte« nachzuholen. Sie informierte ferner über ihre – später verwirklichte – Absicht, während der Veranstaltung im Filmtheater »Kosmos« dem Generalsekretär des ZK der SED und Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Genossen Erich Honecker,13 Schriften und Briefe provokatorischen Inhalts zu übergeben.14

Im Verlaufe der Zusammenkunft übergaben Bastian und Kelly von ihnen unter Missbrauch ihres Status als bevorrechtete Personen illegal in die DDR eingeschleuste Literatur (u. a. die Dokumentationen »Frieden ist unteilbar« der Feindorganisation »Initiative Ost-West-Dialog«/Westberlin15 und »Der nukleare Tschernobyl-Unfall« sowie eine Dokumentation über den Besuchsaufenthalt der Delegation der Bundestagsfraktion Die Grünen in der DDR vom September 1986) und eine elektrische Schreibmaschine (ein Kopiergerät soll wegen mangelnder Transportkapazität in Westberlin zwischengelagert worden sein).

Durch das MfS wurden im engen Zusammenwirken mit der Partei geeignete differenzierte Maßnahmen eingeleitet und realisiert, sodass die im Sinne politischer Untergrundtätigkeit wirkenden feindlich-negativen Kräfte ihre geplanten Kontaktaktivitäten zu Vertretern der Gruppe »Generale für Frieden und Abrüstung« sowie in Verbindung mit dem Aufenthalt dieser Delegation stehende politisch-demonstrative Aktivitäten nicht durchführen konnten.

Nach dem MfS weiter streng intern vorliegenden Hinweisen kam es am 26. September 1986 in den Wohnungen von Ralf Hirsch und Gert Poppe zu weiteren Zusammenkünften von Führungskräften der Grünen, dem Mitglied der Bundestagsfraktion, Ulrich Fischer, und dem Mitglied der Landtagsfraktion von Baden-Württemberg, Birgit Voigt,16 mit feindlich-negativen Kräften, die im Sinne politischer Untergrundtätigkeit agieren. (Dieser Besuch war von der Kelly am 24. September 1986 bereits avisiert worden.)

Hauptinhalt der geführten Gespräche bildeten der Meinungsaustausch über den Besuchsaufenthalt der Delegation der Bundestagsfraktion Die Grünen in der DDR und über Vorstellungen der Grünen zur Einbeziehung von Exponenten politischer Untergrundtätigkeit in die Vorbereitung und Durchführung eines DDR-seitig während des Besuches in Erwägung gezogenen Umweltsymposiums. Fischer betonte, es komme darauf an, die Ergebnisse des Besuchsaufenthaltes »jetzt bestmöglich zu nutzen« und entwickelte diesbezügliche Vorstellungen (u. a. Aktivitäten gegenüber der Ständigen Vertretung der DDR in der BRD zwecks beabsichtigter Einbeziehung kirchlicher Ökologiegruppen und »anderer Freunde« aus der DDR in dieses Symposium mit dem Ziel, diese Kräfte »staatlich sanktioniert in die Öffentlichkeit zu bringen«; Ausbau der Kontakte der Grünen zu ihren Verbindungspersonen in der DDR).

Durch die anwesenden Personen aus der DDR wurde diesen Vorstellungen zugestimmt und darauf verwiesen, dass die »oppositionelle Bewegung in der DDR« aufgrund zunehmender »Meinungsäußerung« zu politischen Fragen bereits einen »Qualitätsumschlag« erfahren habe. Die bisherige Praxis, vorwiegend Kritik zu üben, solle künftig dahingehend verändert werden, durch »Aufzeigen von Alternativen« einen weiteren Qualitätsanstieg zu erreichen.

Auch Fischer übergab während dieser Zusammenkunft umfangreiche Materialien (u. a. sogenannte Menschenrechtsmappen), die er illegal in die DDR eingeführt hatte und die durch den bekannten Jahn in Westberlin zusammengestellt worden waren.

Die Information ist wegen äußerster Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.

  1. Zum nächsten Dokument Mindestumtausch 22.9.–28.9.1986

    2. Oktober 1986
    Information Nr. 451/86 über die Entwicklung der Einnahmen aus der Durchführung des verbindlichen Mindestumtausches für die Zeit vom 22. September 1986 bis 28. September 1986

  2. Zum vorherigen Dokument ZDF-Beitrag über und mit Monika Tappe-Maron

    29. September 1986
    Information Nr. 447/86 über einen Sendebeitrag des »Zweiten Deutschen Fernsehens« (ZDF) der BRD über und mit Tappe-Maron, Monika