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Treffen Zentralkomitee der deutschen Katholiken mit DDR-Bischöfen

26. April 1986
Information Nr. 195/86 über ein Treffen leitender Mitglieder des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK)/BRD mit katholischen Bischöfen aus der DDR in der Hauptstadt der DDR, Berlin

Dem MfS wurde streng intern bekannt, dass dieses oben genannte Treffen am 9. April 1986 in der Zeit von 10.00 bis gegen 15.30 Uhr in der Residenz von Kardinal Meisner1 stattfand. Diese Treffen finden periodisch jährlich etwa zu dem gleichen Zeitpunkt statt.

Aus der BRD und Westberlin nahmen daran teil: Dr. Hans Maier,2 Präsident des ZdK und Kultusminister des Bundeslandes Bayern; Dr. Friedrich Kronenberg,3 Generalsekretär des ZdK; Dr. Bernhard Vogel,4 Mitglied des ZdK und Ministerpräsident des Bundeslandes Rheinland-Pfalz; Bischof Dr. Klaus Hemmerle,5 Aachen, Mitglied des Präsidiums des ZdK; Bischof Schätzler,6 Generalsekretär der »Deutschen Bischofskonferenz«; Prälat Bocklet,7 Leiter des Katholischen Büros in Bonn; Bischof Lehmann,8 Mainz und Heinz Thiel,9 Caritasdirektor in Westberlin.

Aus der DDR waren anwesend: Kardinal Meisner, die Bischöfe Braun/Magdeburg,10 Huhn/Görlitz,11 Schaffran/Dresden,12 Weihbischof Werbs/Schwerin,13 die Generalvikare aller sechs Bischöfe, Prälat Dissemond/14 Generalsekretär der »Berliner Bischofskonferenz«15 sowie weitere leitende Amtsträger aus den katholischen Amtsbereichen der DDR.

Während des Treffens wurden zum Teil vorbereitete Vorträge gehalten sowie zwanglos Gespräche geführt. Sie bezogen sich vornehmlich auf gottesdienstliche Handlungen (z. B. hielt Dozent Schneider/16 Priesterseminar Erfurt einen Vortrag über die Liturgie), Erfahrungen zur Arbeit mit katholischen Laien und die praktische Tätigkeit im pastoralen Dienst.

Darüber hinaus wurden aber auch gegenseitig Informationen über Situation, Vorhaben und Pläne der katholischen Kirche in beiden deutschen Staaten, die gesellschaftspolitische Bezüge enthielten, ausgetauscht.

Wie streng intern bekannt wurde, sprachen die Vertreter der katholischen Kirche der DDR u. a. folgende Probleme an:

Kardinal Meisner betonte, das 1987 in Dresden stattfindende Katholikentreffen sei das herausragendste Ereignis der katholischen Kirche in der DDR.17 Nachdem staatlicherseits die Zustimmung zur Durchführung des Treffens gegeben wäre, seien die Katholiken der DDR von den Kanzeln der katholischen Kirchengemeinden zur Teilnahme aufgefordert worden.

Meisner erklärte, das Treffen, zu dem etwa 50 000 bis 60 000 Gläubige erwartet würden, werde für die DDR »etwas Einmaliges« darstellen. Die katholische Kirche wolle alle Möglichkeiten voll nutzen und strebe in Vorbereitung, Durchführung und Auswertung des Treffens eine Aktivierung der Arbeit insbesondere unter Jugendlichen, Studenten, Akademikern und entsprechende Formen der kirchlichen Tätigkeit an.

Meisner führte aus, die staatliche Zustimmung zum Katholikentreffen wäre »eigentlich früher fällig gewesen«, zumal die Durchführung einer solchen kirchlichen Veranstaltung »ausschließlich in die Kompetenz der katholischen Kirche gehört«.

Da im Falle des Dresdner Treffens jedoch eine Reihe organisatorischer Fragen nur mit den staatlichen Stellen zu lösen seien, habe er dem Staat »Mitteilung über den Beschluss der Berliner Bischofskonferenz gemacht« und eine staatliche Unterstützung erbeten. Die staatliche Seite »tue sich in solchen Fragen sehr schwer. Das kenne man aus der Vergangenheit. So mussten z. B. beim katholischen Jugendkongress 1985 bereits eingeladene Bischöfe aus dem Ausland – auch aus der BRD – wieder ausgeladen werden, um die Durchführung des Kongresses nicht zu gefährden.«18

Offenbar habe »man staatlicherseits Angst davor, dass die katholische Kirche über ihre Grenzen hinweg wirken« könne. Beweis dafür wäre, dass die staatliche Zustimmung mit Forderungen verbunden sei, die alle darauf hinausliefen, das Treffen zu begrenzen und die Öffentlichkeitswirksamkeit einzuschränken. Der Staat reagiere »allergisch, wenn er aus Zusammenkünften sogenannte gesamtdeutsche Tendenzen ableiten« könne, und das müsse kirchlicherseits »bedacht werden«.

Ausgehend von diesen Ausführungen Kardinal Meisners wurde von Teilnehmern der Beratung, u. a. Bischof Schaffran/Dresden und Dr. Hans Maier/München, erwogen, offizielle Einladungen zu umgehen und »die Frage einer BRD-Beteiligung am Katholikentreffen unproblematisch über Touristenreisen zu lösen«. Von der Mehrheit der Teilnehmer wurde einer solchen Vorgehensweise zwar zugestimmt, jedoch betont, »diese Praxis« dürfe nicht zu Komplikationen mit dem Staat und damit zu Erschwernissen für die katholische Kirche führen.

Im Verlaufe der Gespräche äußerte sich Kardinal Meisner zu einer Einladung Kardinal Lékais/19 Ungarische VR nach Berlin in der Zeit vom 28. bis 31. Mai 1986, die er habe aussprechen müssen, da er Lékai vor etwa 1½ Jahren einen Besuch in Budapest abstattete. Abwertend äußerte er zur Person des Kardinals Lékai, dieser würde »um die Gunst des Staates buhlen« und zeige »stete Bereitschaft, sich bei den staatlichen Behörden lieb Kind« zu machen.

Von Vertretern der katholischen Kirche der BRD, insbesondere von Bischof Hemmerle/Aachen, wurden erste Vorbereitungen zum 89. »Deutschen Katholikentag« in Aachen (10. bis 14. September 1986) erläutert. Unter dem Leitwort »Dein Reich komme« solle er im Gegensatz zu den vorherigen Katholikentagen wieder »überschaubarer und für den einzelnen anziehender« gestaltet werden.

Bischof Lehmann/Mainz machte auf Meinungsverschiedenheiten aufmerksam, die sich zwischen der katholischen und der evangelischen Kirche in der BRD zu konkreten Fragen der ökumenischen Zusammenarbeit, insbesondere im liturgischen Bereich, ergeben hätten, ohne näher auf Detailfragen einzugehen.

Dr. Bernhard Vogel gab eine allgemeine Darstellung der gegenwärtigen politischen Lage in der BRD aus seiner Sicht. Dabei verwies er wiederholt auf die angebliche Stabilität und Kontinuität der Entwicklung in der BRD. Er stellte u. a. die Auseinandersetzungen in den Gewerkschaften über den Streikparagraphen als »dumme Diskussion« hin. Ursache dieses Streites sei nicht die Veränderung des § 116 an sich, sondern die »Überalterung der Gewerkschaftsfunktionäre, die versuchen, von ihren innergewerkschaftlichen Problemen abzulenken«.20

Die Information ist wegen Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.

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    28. April 1986
    Information Nr. 193/86 über die Frühjahrssynode der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg

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    24. April 1986
    Information Nr. 194/86 über das Anbringen von Losungen und faschistischen Symbolen durch zwei Schüler der 41. POS an den Giebelwänden der 40. und 41. POS in Berlin-Prenzlauer Berg