Direkt zum Seiteninhalt springen

Verbreiten faschistischer Losungen durch zwei Schüler in Berlin

24. April 1986
Information Nr. 194/86 über das Anbringen von Losungen und faschistischen Symbolen durch zwei Schüler der 41. POS an den Giebelwänden der 40. und 41. POS in Berlin-Prenzlauer Berg

Am 22. April 1986 wurden die Schüler der 41. POS in Berlin–Prenzlauer Berg, [Name 1, Vorname] (16, bestätigter VP-Bewerber), Schüler der Klasse 10b, wohnhaft 1055 Berlin, [Straße, Nr.] und [Name 2, Vorname] (16), Schüler der Klasse 9b, wohnhaft 1055 Berlin, [Straße, Nr.], beide Mitglieder der FDJ, als Täter für das Anbringen von gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung gerichteten Losungen sowie faschistischen Symbolen an den Giebelwänden der 40. und 41. POS in Berlin-Prenzlauer Berg am 18. April 1986 ermittelt.

(Texte der Losungen siehe Anlage)

Gegen die genannten Jugendlichen wurden Ermittlungsverfahren gemäß § 220 StGB – öffentliche Herabwürdigung – ohne Haft eingeleitet.1

Die geführten Untersuchungen ergaben:

Bei beiden Jugendlichen handelt es sich um leistungsmäßig durchschnittliche Schüler, die bisher noch nicht mit negativen Verhaltensweisen in Erscheinung getreten sind. Zwischen ihnen besteht ein freundschaftliches Verhältnis. (Meyer erreichte aufgrund schlechter Leistungen im Fach Mathematik nicht das Ziel der 8. Klasse und musste dieses Schuljahr wiederholen.)

Beide Jugendlichen wuchsen in sozial geordneten Verhältnissen auf. (Eltern des [Name 1]: Vater, 36, Dispatcher im Rechenzentrum des Außenhandels, SED-Mitglied; Mutter, 33, Fernschreiberin bei ADN, NSW-Reisekader. Eltern des [Name 2]: Vater, 34, Wirtschaftsleiter beim FDGB-Bundesvorstand, SED-Mitglied, APO-Sekretär; Mutter, 35, Wirtschaftsleiterin beim FDGB-Bundesvorstand, SED-Mitglied.)

Beide Schüler zeigten bisher eine politisch positive Grundeinstellung zur sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung in der DDR. Bei dem Jugendlichen [Name 2] wurde herausgearbeitet, dass er im Ergebnis des Empfangs politischer Sendungen westlicher elektronischer Massenmedien im Beisein bzw. mit Wissen seiner Eltern unklare politische Auffassungen zu den Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten, insbesondere in Anlehnung an gegnerische Argumentationen hinsichtlich der Gestaltung des Reiseverkehrs zwischen der DDR und der BRD, hat.

Beide Jugendlichen sagten übereinstimmend aus, sie hätten sich auf ihrem Heimweg von der Schule am 18. April 1986 spontan zu der genannten Handlung entschlossen. Ausgangspunkt war die Bemerkung des [Name 1], noch etwas anzustellen, womit man »Aufsehen erregen« könnte und wodurch es am nächsten Tag an der Schule »einen schönen Aufriss« geben würde. Auf Vorschlag des [Name 1] brachten beide Schüler – im Durchgang zwischen den beiden Schulen angekommen – gemeinschaftlich handelnd mittels Fettstiften die in der Anlage genannten Losungen und Symbole an und warfen die Tatmittel danach weg.

Übereinstimmend brachten beide Jugendlichen zum Ausdruck, mit ihrer Handlungsweise keine feindlich-negative Zielstellung verfolgt zu haben, sich mit dem Inhalt der von ihnen angebrachten Losungen nicht zu identifizieren und zum Teil sich deren Bedeutung nicht bewusst gewesen zu sein. [Name 2], der u. a. ein Hakenkreuz angebracht hat, will dessen Sinn nicht kennen, sondern lediglich wissen, dass es sich hierbei um ein verbotenes Zeichen handele.

Es ist vorgesehen, die Ermittlungsverfahren durch gerichtlichen Strafbefehl am 30. April 1986 abzuschließen. Gemeinsam mit dem Jugendstaatsanwalt des Stadtbezirkes Berlin-Prenzlauer Berg werden die erforderlichen Erziehungs- und Auswertungsmaßnahmen mit den Erziehungsträgern an der Schule vorbereitet.

Anlage zur Information Nr. 194/86

[Verwendete Losungen und Symbole]

Durch beide Jugendlichen waren folgende Losungen bzw. faschistische (in einem Fall ein anarchistisches) Symbole angebracht worden:

  • an der Giebelwand der 40. POS die Losung: »Kein Sozialismus – USA – Parteitag eine Lüge«2 – Länge 5 m;

  • an der Giebelseite der 41. POS die Losungen: »Nur in Amerika geht die Sonne auf«, »Alles singt für die USA, die USA wird uns vom Sozialismus befreien«, »Es lebe Amerika – der Parteitag ist eine Lüge«, »Russen aus der DDR«, »Deutschland erwache«, »Her mit der SS«, eine Zeichnung der libyschen Staatsflagge mit dem Text: »Scheiß Russen«, »Gadafi3 ist ein Mörder«, zwei faschistische Symbole (Hakenkreuze) mit dem Text: »Wo ist Hitler?« und ein sogenanntes Anarchisten-Zeichen – beschriebene Gesamtfläche 10 × 1,55 m.

  1. Zum nächsten Dokument Treffen Zentralkomitee der deutschen Katholiken mit DDR-Bischöfen

    26. April 1986
    Information Nr. 195/86 über ein Treffen leitender Mitglieder des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK)/BRD mit katholischen Bischöfen aus der DDR in der Hauptstadt der DDR, Berlin

  2. Zum vorherigen Dokument Mindestumtausch 14.4.–20.4.1986

    23. April 1986
    Information Nr. 192/86 über die Entwicklung der Einnahmen aus der Durchführung des verbindlichen Mindestumtausches für die Zeit vom 14. April 1986 bis 20. April 1986