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Vorkommnis mit DDR-Bürger

23. September 1986
Information Nr. 443/86 über ein Vorkommnis mit dem Bürger der DDR, [Name, Vornamen]

Am 22. September 1986, um 6.05 Uhr, erschien der DDR-Bürger [Name, Vornamen] (32), wohnhaft Berlin-Marzahn, [Straße, Nr.], Mitglied der LDPD, Abteilungsleiter beim Bezirksvorstand der LDPD Berlin (Geheimnisträger), an der Grenzübergangsstelle Bornholmer Straße, legte seinen Personalausweis vor und verlangte seine Ausreise nach Westberlin.

[Name] stand unter Einwirkung von Alkohol. (Die Blutalkoholuntersuchung ergab um 9.20 Uhr – drei Stunden nach der Tat – 1,1‰.)

Die durchgeführten Untersuchungen ergaben:

[Name] verließ nach einer Auseinandersetzung mit seiner Ehefrau über die Gütertrennung bei der bevorstehenden Ehescheidung am 21. September 1986 gegen 14.30 Uhr, seine Wohnung. Er begab sich zu seinen Eltern und hielt sich mit diesen und seinem noch in der elterlichen Wohnung lebenden jüngeren Bruder von ca. 17.00 bis gegen 24.00 Uhr in der Gaststätte »Ratskeller« in Berlin-Mitte auf, wo er eine nicht mehr konkret feststellbare Menge alkoholischer Getränke konsumierte. Anschließend lief er mit seinem Bruder zum Hotel »Berolina« in Berlin-Mitte, Karl-Marx-Allee, und hielt sich in der Hotel-Bar auf. Nach dem Genuss weiterer alkoholischer Getränke habe ihn, wie er aussagt, sein Erinnerungsvermögen verlassen.

Wie durch den Portier des Hotels »Berolina« ausgesagt wird, ist [Name] zwischen 2.40 und 3.30 Uhr des 22. September 1986 in verschiedene Hotelzimmer eingedrungen, um zu schlafen. So hatte er seine Kleidung im Zimmer 811 ausgezogen, wurde daraufhin von dem Gast dieses Zimmers aus dem Zimmer gewiesen, lief dann in Unterwäsche durchs Haus, versuchte ins Zimmer 1022 einzudringen und wurde dann schlafend im Zimmer 616 gefunden. Dieses Zimmer hatte er betreten, während der dort untergebrachte weibliche Gast schlief. Er legte sich in das nicht besetzte Bett und wurde dort von der Bewohnerin des Zimmers schlafend entdeckt, als sie erwachte.

Beim Eintreffen durch den Portier über Notruf 110 verständigter Angehöriger der Deutschen Volkspolizei widersetzte sich [Name] den Aufforderungen, das Zimmer unverzüglich zu verlassen, sodass sein Widerstand mittels körperlicher Einwirkung gebrochen werden musste. [Name] wurde in die Hotelhalle gebracht. Dort rief er laut um Hilfe und gab an, dass er Abgeordneter sei und gefoltert werde. Daraufhin erfolgte seine Zuführung zur Volkspolizeiinspektion Mitte und von dort um 4.30 Uhr seine Übergabe an die Ehefrau in seiner Wohnung.

Seiner Ehefrau teilte er gegen 4.40 Uhr mit, er werde jetzt in den Westen gehen und verließ daraufhin die Wohnung.

Gegen 5.15 Uhr telefonierte [Name] mit seiner Frau und sagte, er sei jetzt an der Grenze und werde es jetzt tun.

Seinen Aussagen zufolge ist [Name] von seiner Wohnung aus mit einer Nachtlinie der Straßenbahn bis in die Schönhauser Allee gefahren, sei dort durch die Straßen geirrt und schließlich an der Grenzübergangsstelle Bornholmer Straße gewesen. Sein Verhalten an der Grenzübergangsstelle erklärt [Name] mit seinem Bestreben, sich »Luft« machen zu wollen. Er habe die Nacht unter für ihn ungewohnten Umständen verbracht, fühlte sich von den Angehörigen der Deutschen Volkspolizei misshandelt und war sehr erregt. Er bestreitet jede Absicht eines Verlassens der DDR und einer Provokation an der Grenzübergangsstelle.

Wie weiter festgestellt wurde, ist die Ehesituation gespannt.

Die Ehefrau gibt an, dass [Name] ständig außereheliche Verhältnisse hatte und sie sich deshalb von ihm trennen will. Sie schildert ihn als ehrgeizig, überheblich und unter Einwirkung von Alkohol aggressiv auftretend. Sie sagte weiter aus, dass [Name] immer einen positiven Standpunkt zur DDR vertreten und – abgesehen von der genannten Äußerung am Morgen des 22. September 1986 – niemals Absichten zum Verlassen der DDR geäußert habe.

Gegen [Name] wird ein Ordnungsstrafverfahren gemäß § 14 (1) OWVO in Höhe von 300 Mark durchgeführt.1

Der Vorsitzende des Bezirksverbandes der LDPD Berlin wird über das Vorkommnis informiert, damit in eigener Zuständigkeit disziplinarische Maßnahmen ergriffen werden können.

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    25. September 1986
    Information Nr. 444/86 über die Entwicklung der Einnahmen aus der Durchführung des verbindlichen Mindestumtausches für die Zeit vom 15. September 1986 bis 21. September 1986

  2. Zum vorherigen Dokument Blues-Messen in der Erlöserkirche in Berlin-Lichtenberg (2)

    23. September 1986
    Information Nr. 442/86 über die erneute Durchführung einer sogenannten Blues-Messe am 20. September 1986 in der Erlöserkirche in Berlin-Lichtenberg