Vorkommnisse mit Angehörigen der GSSD (1)
4. August 1986
Information Nr. 361/86 über durch Angehörige der GSSD verursachte Vorkommnisse, die zu einer ernsthaften Gefährdung von Leben und Gesundheit von Bürgern der DDR bzw. erheblichen Gefahrensituationen geführt haben
Nachstehend wird über bedeutsame, durch Angehörige der GSSD verursachte Vorkommnisse informiert, die zu ernsten Gefährdungen von Leben und Gesundheit von Bürgern der DDR bzw. erheblichen Gefahrensituationen geführt haben:
Am 30. Juli 1986, gegen 13.50 Uhr, wurde in Altjeßnitz, Kreis Bitterfeld, Bezirk Halle, ein auf dem Freigelände einer Gärtnerei tätiger Bürger der DDR (49) durch ein Projektil verletzt (laut ärztlichem Gutachten handelte es sich um einen Steckschuss zwischen Rippe und Lunge). Der Verletzte befindet sich in einem Krankenhaus.
Wie die bisherigen Untersuchungen ergaben, wurde das Projektil aus einer Schützenwaffe während eines am gleichen Tag auf dem Truppenübungsplatz der GSSD Möhlau durch Angehörige der GSSD durchgeführten Übungsschießens abgefeuert. Die Entfernung zwischen der Feuerlinie des Truppenübungsplatzes bis zum Ereignisort beträgt ca. 1 500 Meter.
Vertreter der sowjetischen Kommandantur Dessau befanden sich am Ereignisort.
(Bereits im Jahre 1985, letztmalig am 9. August 1985, waren infolge Projektil-Einschlägen an Gebäuden dieser Gärtnerei Sachschäden verursacht worden.)
Am 29. Juli 1986, gegen 12.15 Uhr, schlug auf dem Gelände des Truppenübungsplatzes der Offiziershochschule des MdI in Jannowitz, Kreis Senftenberg, Bezirk Cottbus, ca. 200 Meter von einem dienstverrichtenden Angehörigen der Deutschen Volkspolizei entfernt, eine Granate (Kaliber nicht bekannt) auf und detonierte.
Infolge der Detonation wurde eine 20-Kilovolt-Energieversorgungsleitung beschädigt, wodurch es zu einem mehrstündigen Stromausfall in ca. 250 Haushalten kam.
Die bisher geführten Untersuchungen ergaben, dass das Geschoss während einer Schießübung durch eine Einheit der GSSD von dem an das Gelände des Truppenübungsplatzes der Offiziershochschule des MdI angrenzenden Truppenübungsplatz der GSSD Schwepnitz abgefeuert wurde.
Der Kommandant des Truppenübungsplatzes der GSSD, Genosse Oberstleutnant Jaschkin,1 befand sich am Ereignisort.
In diesem Zusammenhang wird auf weitere in den letzten Wochen verursachte Vorkommnisse hingewiesen, bei denen ebenfalls erhebliche Gefahrensituationen entstanden:
Am 2. Juli 1986, gegen 19.15 Uhr, wurde ca. 150 Meter vor dem Ortseingang Oranienbaum, Kreis Gräfenhainichen, Bezirk Halle, durch Soldaten der GSSD, Garnison Halle-Heide – sie befanden sich auf dem Fußmarsch vom in der Nähe befindlichen Schießplatz der GSSD in Richtung Oranienbaum – eine 15 KV-Energieversorgungsleitung mehrfach aus einer MPi AK 74 beschossen.
Hierbei wurde die Energieversorgungsleitung beschädigt und es kam zum Stromausfall auf dem Schießplatz der GSSD.
Insgesamt entstand ein Sachschaden von ca. 1,5 TM.
Am Ereignisort wurden sechs Patronenhülsen und eine Patrone für MPi AK 74 aufgefunden und sichergestellt.
Die Kommandantur der GSSD wurde über das Vorkommnis informiert.
Die weiteren Untersuchungen führt der Militärstaatsanwalt der GSSD.
Am 4. Juli 1986, gegen 11.30 Uhr, prallte im Gelände eines Kinderferienlagers in Tangersdorf, Kreis Templin, Bezirk Neubrandenburg, ein Geschoss, Kaliber 25 mm, Länge 15 cm, auf einen betonierten Gehweg und schlug in der Folge in das Schilfdach einer Scheune.
Zum Zeitpunkt des Vorkommnisses war das Ferienlager nicht belegt.
Wie die bisherigen Untersuchungen ergaben, wurde das Geschoss während eines Übungsschießens durch Angehörige der GSSD von dem in der Nähe des Ereignisortes befindlichen Schießplatz der GSSD (Entfernung der Aufschlagstelle bis zur Begrenzung des Schießplatzes beträgt ca. 500 Meter) abgefeuert.
Am 3. Juli 1986, gegen 11.00 Uhr, verursachten Angehörige der GSSD, Garnison Dresden, während eines Artillerieschießens auf dem Schießplatz der GSSD Lieberose, Kreis Beeskow, Bezirk Frankfurt/Oder im Forstrevier Byhlen, Kreis Lübben, Bezirk Cottbus, einen Waldbrand, der eine Fläche von ca. 40 ha Kiefernbestand erfasste.
Es entstand ein Sachschaden – nach Abstimmung mit der Staatlichen Versicherung der DDR – von ca. 100 TM.
Während der Brandbekämpfung forderten verantwortliche Offiziere der GSSD unter grober Missachtung der bestehenden Weisung, beim Entstehen eines Brandes das Schießen sofort einzustellen, ultimativ den sofortigen Abzug der im Einsatz befindlichen Kräfte (mehrere Freiwillige Feuerwehren sowie Mitarbeiter des Militärforstwirtschaftsbetriebes), um das Schießen fortzuführen.
Erst nach persönlicher Vorsprache des Leiters des Wehrbezirkskommandos Cottbus auf dem Schießplatz und erfolgter Information des Chefs des Hauptstabes der NVA konnte mit den zuständigen Organen der GSSD die Einstellung des Schießens bis zum 7. Juli 1986 vereinbart werden.
Entgegen dieser Vereinbarung wurde jedoch bereits am 6. Juli 1986 das Schießen fortgesetzt und Leben und Gesundheit der noch im Einsatz befindlichen Löschkräfte ernsthaft gefährdet.
Die erforderlichen Maßnahmen zur Herstellung der Brandsicherheit konnten erst nach Eingang eines Befehls des Oberkommandos der GSSD an die schießende Einheit fortgesetzt und durchgeführt werden.
Am 8. Juli 1986, gegen 14.08 Uhr, brachte ein als Regulierungsposten eingesetzter Angehöriger der GSSD (Name und Garnison nicht bekannt) an einem unbeschrankten Bahnübergang, zwischen den Bahnhöfen Treuenbrietzen und Buchholz, Kreis Jüterbog, Bezirk Potsdam, rechtswidrig einen Güterzug zum Halt, um einer Panzerkolonne der GSSD das Überqueren des Übergangs ohne Aufenthalt zu ermöglichen.
Nur besonderen Umständen – der Triebfahrzeugführer brachte den Güterzug ca. 5 Meter vor der bereits den Gleiskörper überquerenden Kolonne zum Halt – ist es zu verdanken, dass es nicht zu folgenschweren Auswirkungen kam.
Bei dem Güterzug handelte es sich um einen im Transitverkehr zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) eingesetzten, mit Vergaserkraftstoff gefüllten Kesselwagenzug.
Am 10. Juli 1986, gegen 16.27 Uhr, überquerten zwischen den Bahnhöfen Segeletz und Friesack, Kreis Nauen, Bezirk Potsdam, drei NKW der GSSD unter Missachtung der bereits geschlossenen Halbschranken sowie der durch rotes Blinklicht angekündigten Annäherung eines Schienenfahrzeuges einen Bahnübergang, beschädigten eine Halbschranke (Schaden ca. 350 Mark) und setzten die Fahrt ohne Halt fort.
Der Triebfahrzeugführer des sich nähernden, im Transitverkehr zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) verkehrenden Reisezuges erkannte diese Gefahrensituation rechtzeitig und leitete eine Schnellbremsung ein, sodass es zu keinem Personen- und Sachschaden kam.
Am 23. Juli 1986, gegen 23.30 Uhr, zündeten mehrere Angehörige der GSSD in Zivil nach einem Gaststättenbesuch vor der HO G »Wallgarten« in Wismar, Kreis Rostock, aus nicht bekannter Ursache Imitationsmittel.2
Daraufhin begab sich der ebenfalls in Zivilkleidung in der Gaststätte aufenthältlich gewesene Fähnrich der GSSD, Garnison Wismar, [Name 1, Vorname], zu dem Ereignisort und feuerte aus einer mitgeführten Pistole, Typ Makarow, ungezielt sechs Schuss ab. Aufgrund der Schusswaffenanwendung ergriffen die anwesenden Angehörigen der GSSD die Flucht.
[Name 1] wurde am Ereignisort durch die Deutsche Volkspolizei vorläufig festgenommen. Seinen Einlassungen zufolge sei die Anwendung der Schusswaffe mit dem Ziel der »Herstellung von Ruhe und Ordnung« erfolgt. Auf Ersuchen des Militärstaatsanwaltes der GSSD wurde [Name 1] am 24. Juli 1986 an die zuständigen Organe der GSSD übergeben.
Des Weiteren wurden am 30. Juli 1986 vier jugendliche Bürger der UdSSR ([Name 2, Vorname], [Name 3, Vorname], [Name 4, Vorname] und [Name 5, Vorname]) in Nähe der Ortschaft Schöneiche, Kreis Zossen, Bezirk Potsdam, durch Angehörige der Deutschen Volkspolizei aufgegriffen und dem VPKA zugeführt.
Die Jugendlichen, es handelt sich um die Söhne von drei Offizieren und einem Fähnrich der GSSD, Garnison Wünsdorf, waren am gleichen Tag, gegen 14.35 Uhr, in das mit einem Maschendrahtzaun umfriedete und mit Verbotsschildern (deutsch) gekennzeichnete Gelände des VEB Deponie Potsdam eingedrungen.
Nachdem sie vom Betriebsgelände verwiesen wurden, bewarfen die Jugendlichen ein Deponiefahrzeug mit einem Imitationskörper, welcher am Hinterrad des Fahrzeuges detonierte, und zündeten zwei Handsignale.
Ein weiteres durch die Jugendlichen mitgeführtes Handsignal, eine in ihrem Besitz befindliche Übungshandgranate RGO sowie ein Bajonett wurden sichergestellt.
Ihren Aussagen zufolge hatten sie diese Gegenstände auf dem Übungsgelände der GSSD, in Nähe der Ortschaft Schöneiche, Kreis Zossen, aufgefunden.
Am 31. Juli 1986 wurden die Bürger der UdSSR an den Militärstaatsanwalt der GSSD übergeben.
Am 3. August 1986, gegen 2.00 Uhr, wurde vor einer Gaststätte in Altenburg, Bezirk Leipzig, eine Bürgerin der DDR durch den unter Einwirkung von Alkohol stehenden Hauptmann der GSSD, Garnison Altenburg, [Name 6, Vorname], mittels Messerstiche in den linken Oberschenkel schwer verletzt. Infolge hohen Blutverlustes trat bei der Geschädigten ein lebensbedrohlicher Zustand ein. Sie befindet sich im Krankenhaus und ist bisher noch nicht vernehmungsfähig.
Der in Zivil befindliche Täter wurde vorläufig festgenommen.
Nach bisher vorliegenden Untersuchungsergebnissen handelte der Täter aus sexuellen Motiven.